Made to Measure: Was Google alles mit unseren Daten anstellt

von | 12.09.2021 | Digital

Der Dokumentarfilm „Made to measure“ der Künstlergruppe Laokoon sollte Pflichtprogramm an allen Schulen und Unis sein: Hier erfahren wir  nämlich, wie unglaublich aussagekräftig die Daten sind, die Google über uns alle sammelt. Wir bekommen keine Zahlen präsentiert, sondern ein Schicksal – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die meisten von uns nutzen Google jeden Tag – obwohl wir doch wissen, dass Google, wie viele andere Konzerne, ungeniert Daten sammeln und diese Daten auswerten. Aber das klingt so abstrakt: Daten sammeln…

Die Künstlergruppe Lakoon hat jetzt mal ganz konkret gezeigt, was sich alles allein anhand von Suchanfragen einer Person rekonstruieren lässt. Das Ergebnis ist erschreckend: Der Künstlergruppe ist es gelungen, einen 1:1-Zwilling herzustellen. Die Idee finde ich überzeugend, den Film beeindruckend – und deshalb habe ich mit den drei Künstlern gesprochen, die den Film gemacht haben.

Künstlergruppe Laokoon

Wie aussagekräftig sind die Google-Daten?

Natürlich wissen wir, dass Google und Co. Daten über uns sammeln. Aber wie weit geht das wirklich? Was bedeutet das für uns, wenn uns Konzerne besser kennen als unsere Familie? Der Dokumentarfilm „Made to Measure“ macht das deutlich.

„Es gab wirklich noch nie in der Geschichte so viele Daten über uns“.

Wir reden viel darüber, dass Konzerne wie Google so viele Daten über uns sammeln, also unser Leben vermessen.

Doch wer sich „Made to measure“ in der ARD-Mediathek anschaut, kann erst mal gar nicht glauben, wie mächtig die Daten sind, die Unternehmen wie Google über uns sammeln.

Ein Daten-Experiment.

„Seit 20 Jahren sammelt Google die Gedanken der Menschheit.“

Der Künstlergruppe ist es gelungen, so anschaulich wie noch nie zuvor zu zeigen, welche konkreten Rückschlüsse unser Online-Verhalten zulassen.

Ilm Film werden Szenen einer Probantin nachgestellt

Im Film werden Szenen einer Probantin nachgestellt

Die Daten eines Google-Profils – verfilmt

Der Film erzählt in gespielten Szenen das Leben einer Person nach – quasi nur mit den Daten als Drehbuch. Angereichert mit vielen guten Erklärungen, wieso das möglich ist.

Vor zwei Jahren hat die Gruppe über eine Facebook-Anzeige nach Freiwilligen gesucht, die für das Projekt ihre Daten hergeben. Über hundert haben sich gemeldet. Eine Freiwillige wählen sie aus – um eine Art Doppelgängerin zu erschaffen. Eine Schauspielerin erzählt die Lebensgeschichte in gespielten Szenen nach.

Die Schauspielerin passt ihr Aussehen an. Es werden Kulissen gebaut, die dem Leben der Probandin entsprechen. Hier werden sogar Szenen aus ihrem Leben gedreht – nur aufgrund der Daten, die Google über die Probandin kennt. Wie einfach oder aufwändig war das? Das erklärt Cosima Terrasse, die das Projekt mit realisiert hat.

„Wir haben Einblicke in die Persönlichkeit, in die Psyche eines Menschen.“

Bedrückend, wie konkret die Daten sind

„Wir hatten kein Drehbuch“, sagt Cosima Terasse. „Wir haben der Schauspielerin kein Drehbuch gegeben. Nur diese Daten. Und ihre Aufgabe war, diese Daten zu füllen mit Geschichte und: Was könnte zwischen diesem einen und dem anderen Datenpunk passiert sein. Wer ist denn diese Person, die diese Daten besitzt.“

Jede einzelne Suchanfrage, jedes angeschaute Video, jede Ortsangabe hilft, ein konkretes Bild einer Person zu zeichnen. Das wissen wir – aber wie konkret, das zeigt der Film mehr als deutlich.

Intimste Gedanken. Selbst der Akzent stimmt. Am Ende sieht Lisa, die Frau, deren Daten verarbeitet wurden, quasi ihr verfilmtes Leben – und kann es gar nicht fassen, so präzise ist alles nachgezeichnet. Lisa, hier links, ist geschockt.

„Made to measure“ macht die Macht der Daten fühlbar

Es macht halt einen Unterschied, ob man nur liest, was Google, Facebook und Co. an Daten sammeln – oder ob man es derart konkret und fühlbar präsentiert bekommt. Als Film.

Und als wäre das alles nicht schon beeindruckend und packend genug, legt die Künstlergruppe noch eins drauf – und zeigt, wie einfach das mit dem Beobachten und Rückschlüsse ziehen ist.

Indem die Macher auch uns beobachten, wie wir die Gruppe beobachten… Beim Anschauen des Films.

Zumindest, wenn man das Online-Programm zum Film besucht. Was ich dringend empfehle.

Die Online-Version von „Made to measure“ zeigt große Teile des Films, stellt zwischendurch aber immer wieder Fragen. Zum Inhalt, zu den Personen. Am Ende werden die Besucher überrascht: Auch sie wurden beobachtet.

Besucher werden beobachtet – wie sie den Film anschauen

Jeder Klick, jede Pause, wenn man klickt, wenn man versucht, in einen anderen Tag zu gehen. Wann man in ihren Daten rumstöbert und sich die Daten anguckt: Das wird alles aufgenommen. Und daraus ein psychologisches Profil erstellt. Und das bekommt man zu sehen am Ende. Und genau das wird täglich mit uns gemacht. Nur normalerweise bekommt man diese Daten nicht. Doch bei uns bekommt man die Daten – und wir vergessen sie auch wieder, sobald das Fenster zugeht.“

Wer sich jetzt fragt: Man-o-man, was weiß Google denn über mich? Der kann ja mal in seine eigene Akte schauen. Dazu einfach ins eigene Google-Konto gehen, die Datenübersicht anfordern. Wenig später downloaden – und staunen, wie unglaublich umfangreich und präzise die Daten sind.

Google: Daten-Export