Was, wenn Russland sich vom Internet trennt?

von | 13.04.2022 | Internet

In Russland sind schon etliche Angebote und Dienste abgeschaltet: Die Deutsche Welle, aber auch Facebook und Twitter. Putin plant ein eigenes Mini-Internet: das RuNet. Aber kann es gelingen, sich vom Rest der Welt abzukoppeln?

In Russland sind aktuell diverse Dienste und Anbieter geblockt. Die Deutsche Welle zum Beispiel. Aber auch Facebook und Twitter. Zensurmaßnahmen, damit die Menschen ihre Information nur aus Propagandakanälen erhalten, in denen das Wort „Krieg“ nicht mal vorkommt.

So etwas geht in Russland auf Kommando. Und es ist auch kein Geheimnis, dass man in Russland schon länger über eine komplette Abkopplung vom Internets nachdenkt – zugunsten eines „Russland-Netzwerks“. Aber ist so etwas überhaupt denkbar? Was würde das bedeuten?

Komplett vom Internet abkoppeln?

Könnte sich ein Land wie Russland komplett vom Internet abkoppeln – und quasi ein eigenes russisches Internet aufbauen?

In einem Land wie Russland wäre das technisch prinzipiell denkbar und auch machbar. Es ist zwar ein großes Land, aber Putin müsste lediglich an allen zentralen Netz-Knoten – also den Stellen, an denen Russland direkt an das Ausland angebunden ist, kontrollieren.

Also die Kontrolle über Überseekabel, Landkabel oder andere verbindende Technologien übernehmen. Bei uns in Deutschland wäre das vor allem der Knoten De-CIX in Frankfurt, der größte Knoten der Welt. Hierüber wickelt die Telekom den Datenverkehr mit dem Ausland ab. Ähnliche Knotenpunkte gibt es in Russland auch – und die könnten alle reglementiert und lahmgelegt werden.

Über diese Knotenpunkte gehen alle Verbindungen, ob DSL, Mobilfunk oder Glasfaser. Da Russland kein freies Land ist, könnten Unternehmen und Bürger dagegen wohl nicht viel machen. Dann wären alle Provider im Land komplett von der Außenwelt abgeschnitten.

Mit Starlink in Russland

Es gibt doch aber dieses Satelliten-Netzwerk von Elon Musk, das jetzt auch in der Ukraine wertvolle Dienste leistet. Solche Satelliten-Verbindungen wie Starlink wären von solchen Maßnahmen nicht betroffen, weil ja eine Verbindung zu den Satelliten hergestellt wird – und die unterliegen definitiv nicht russischer Kontrolle.

Allerdings müsste Elon Musk dann erst Russland für Starlink freischalten. Das ist bislang nicht der Fall, Russland wird von den Satelliten ignoriert. Die Ukraine gehörte auch nicht zum Abdeckungsgebiet. Als der Krieg begonnen hat, hat Elon Musk die Ukraine freigeschaltet und die US-Regierung hat 5.000 Starlink-Terminals in die Ukraine geliefert, um die Grundversorgung sicherzustellen, selbst wenn in der Ukraine das Netz ausfällt. Starlink braucht nur Strom. Technisch wäre es also möglich.

Internet aus dem All: Starlink

Was bedeutet ein RuNet für die Welt?

Wenn Russland wirklich ein eigenes RuNet starten würde, welche Konsequenzen hätte das denn – für die Russen und für uns?

Also wenn Russland sich dazu entschließen sollte, quasi alle Brücken zum regulären Internet abzubrechen, hätte das natürlich viele unterschiedliche Folgen. Viele Dienste, die im Internet wie selbstverständlich für alle zur Verfügung stehen, müsste Russland nachbauen – etwa die DNS-Dienste, die aus „wdr.de“ die entsprechende Server-IP-Adresse machen.

Für die russische Wirtschaft wäre ein Abkoppeln fatal: Sie wäre ja nicht mehr in der Lage, mit dem Westen, aber auch mit Asien zu kommunizieren. Keine Mails. Keine Messages. Keine Videokonferenzen. Nichts. Das würde in einer modernen Welt wie der unseren den Untergang bedeuten. Meiner Einschätzung nach kann das selbst ein Putin nicht wollen.

Es wird also vermutlich eher keine 100%-ige Abschottung geben. Wir im Westen würden davon eher nicht so viel mitbekommen, es ist ja nicht so, dass wir viele Cloud-Dienste in Russland nutzen. Völlig zurücklehnen geht aber auch nicht.

Denn das Internet ist fragiler als es erscheint: Wenn Techniker Veränderungen auf Verwaltungsebene vornehmen, etwa beim sogenannten „Routing“ (das beschreibt, wie die Datenpakete global fließen sollen) oder beim „Domain Name Service“ (DNS), das ist der Service, dass wir google.com im Browser eingeben und nicht die technische Adresse der Google-Server kennen müssen, dann kann das fatale Auswirkungen haben. Bis zum Ausfall. Global.

DNS Dienste

Was bedeutet ein RuNet für die Welt?

Aber viele Sperrungen und Blockaden lassen sich in Russland doch mit Werkzeugen wie VPN (Virtual Privat Network) umgehen.

Das wäre dann nicht mehr der Fall. Da keine Verbindung mehr mit der Außenwelt bestünde, liefen auch die VPN-Dienste ins Leere. Blockade total, könnte man sagen. Das Problem ist aber: Auch viele andere wichtige Funktionen würden dann nicht mehr funktionieren.

Auch Russen werden zB Standard-Software benutzen, etwa für Server, und wenn da Updates kommen, könnte man die in Russland nicht mehr bekommen oder installieren. Cloud-Dienste fallen weg, Webseiten werden nicht mehr richtig funktionieren, Apps könnten Probleme bekommen, weil sie – unsichtbar – Dienste von amerikanischen Anbietern nutzen.

Der Preis wäre sehr hoch: Ja, Facebook, Twitter, die Webseiten und Streams ausländischer Medien ließen sich so konsequent ausblenden – selbst Werkzeuge wie VPN-Dienste unbrauchbar machen. Aber auch sonst würde nichts mehr funktionieren. Deshalb kommt eine wirklich komplette Abschottung nach meiner Einschätzung nicht in Frage.

Auch ein Putin wird nie erreichen, dass die gesamte Bevölkerung vom Rest der Welt und ausländischen Medien abgeschnitten ist. Aber so 80% der Bevölkerung. Das reicht, um die Deutungshoheit zu behalten und mit Propaganda erfolgreich zu sein.