Quick Freeze: Wenn IT-Verkehrsdaten auf Anordnung gespeichert werden

von | 30.10.2022 | Internet

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat einen Entwurf für ein „Quick Freeze“-Verfahren vorgelegt. Eine Alternative zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung, die von Datenschützern deutlich unkritischer gesehen wird.

Es scheint ein unauflösbares Dilemma: Wie schafft man es, Polizei und Ermittlungsbehörden in Fällen schwerer Kriminalität im Internet notwendige und ermittlungstechnisch wichtige Kommunikationsdaten bereitzustellen und gleichzeitig allen Bürgern die durch die Verfassung garantierten Freiheiten und vor allem das Recht auf Unversehrtheit der Privatsphäre zu garantieren?

Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) schafft nur eins davon: Polizei und Behörden im Bedarfsfall Daten bereitzustellen. Doch das schon mehrfach umgeschriebene Gesetz ist ebenso mehrfach vor allen relevanten gerichtlichen Instanzen gescheitert: Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht betrachten es als „unverhältnismäßigen Eingriff“, sensible Kommunikationsdaten von allen Bürgern anhaltslos zu speichern.

Marco Buschmann hat die Gesetzesinitiative eingebracht

Marco Buschmann hat die Gesetzesinitiative eingebracht

Quick Freeze: Referentenentwurf

Bundesjustizminister Buschmann (FDP) bringt nun eine andere Lösung ins Spiel: Quick Freeze. Die Idee ist keineswegs neu, aber zum ersten Mal liegt ein konkreter Gesetzentwurf vor. Der Referentenentwurf liegt mehreren Nachrichtenagenturen vor.

Danach sollen Ermittlungsbehörden zur Verfolgung einer erheblichen Straftat – zum Beispiel Mord, Erpressung oder sexualisierte Gewalt gegen Kinder – sogenannte Verkehrsdaten „einfrieren“ können. Der Gesetzgeber würde alle Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern.

Daten einfrieren nach richterlicher Anordnung

Konkret bedeutet das: Nach einer richterlichen Anordnung – und auch nur dann! – müssten Zugangs-Provider (DSL, Mobilfunk) bestimmte Daten einzelner Nutzzer oder Nutzergruppen mit möglichem Bezug zu einer Straftat für einen bestimmten Zeitraum speichern – „einfrieren“. Darunter fallen unter anderem auch alle noch nicht gelöschten Daten der jüngsten Vergangenheit, die der Gegenwart und der Zukunft.

Gespeichert werden vor allem die verwendeten IP-Adressen. Die sind für Polizei und Ermittler meist am wichtigsten: Wann hat wer welche IP-Adresse benutzt. So lassen sich Aktivitäten im Netz einer Täterin oder einem Täter zuordnen. Die Polizei oder Behörde hat maximal einen Monat Zeit, die eingefrorenen Daten durch einen weiteren richterlichen Beschluss auch tatsächlich ausgehändigt zu bekommen.

IP-Adressen sind für Ermittler sehr wichtig

IP-Adressen sind für Ermittler sehr wichtig

Daten von Menschen in einer Funkzelle

Denkbar ist zum Beispiel die Speicherung aller Daten aus einer bestimmten Funkzelle, etwa rund um einen Tatort oder aufgrund eines örtlichen Geschehens. Bei den einzufrierenden Daten handelt es sich um Informationen wie IP-Adressen, Standortdaten und Metadaten zu Kommunikationsverbindungen, also etwa wer zu welchem Zeitpunkt mit wem telefoniert hat und wo sich die Personen aufgehalten haben.

Auch ließen oder etwa auch die Standortdaten der Mobiltelefone von Angehörigen eines Opfers ermitteln – und „einfrieren“, zur späteren Verwendung, damit die Daten in aller Ruhe ausgewertet werden können und nicht verloren gehen.

Netzaktivisten und Datenschützer bevorzugen Quick Freeze

Beim Quick Freeze-Verfahren fallen deutlich weniger Daten an. Doch es gilt als staatsrechtlich unbedenklich. Selbst strenge Kritiker von staatlichen Maßnahmen, etwa netzpolitik.org oder der EU-Abgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer oder Verein Digitalcourage aus Bielefeld begrüßen den Entwurf des Bundesjustizministeriums.

Doch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist nicht zufrieden. Sie strebt trotz der ablehnenden Gerichtsurteile weiter eine Vorratsdatenspeicherung an.

 

 

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