„Generation Stiftung Warentest“ vs. „Generation Influencer“

von | 10.12.2022 | Digital

Die Art und Weise, wie sich Verbraucher über Produkte informieren, hat sich dramatisch gewandelt: Von einst fast behördlich präzisen Untersuchungen und Tests einer „Stiftung Warentest“ hin zur subjektiven Begutachtung von „Influencern“.

Ich mache es wie wohl die meisten Menschen heute: Wenn ich eine Anschaffung plane, in meinem Fall zum Beispiel Hightech-Gadgets (hier neige ich mitunter zu Impulskäufen…), dann schaue ich erst mal bei Youtube nach. Wer hat sich das Produkt schon mal näher angeschaut, auf Herz und Nieren geprüft und seinen Influencer-TÜV-Stempel drauf gemacht – oder eben auch nicht?

Influencer-Marketing: Subjektiv as its best

Die fleißigen Creator, die sich die Produkte anschauen und mit mehr oder weniger Esprit in Szene setzen, betreiben einen mitunter beachtlichen Aufwand, um die Produkte zu zeigen. Im weitesten Sinne testen sie sie sogar – allerdings nach ihren ganz eigenen Kriterien und nach einem Katalog und Wertemaßstab, der in keiner Weise transparent ist.

Subjektiv eben.

Trotzdem oder genau deswegen entfalten diese „Unboxing“-Videos eine enorme Wirkung. Nur selten kommen die Produkte nun wirklich schlecht weg. Sehr viel häufiger hingegen gibt es frenetischen Jubel, auch Ekstase: „Seht her, das Kamerabild ist sp unfassbar scharf – ist das krass oder ist das krass?“

Das ist wirklich krass!

Motto: Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik

Jubel, wohin man schaut. Was daran liegen mag – ich will nicht unken! –, dass die Geräte kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Und sich das nicht wiederholen wird, wenn man als Influencer zu Spielverderber wird. Zum Bedenkenträger. Nicht auszuschließen: Vielleicht liegt es auch daran, dafür bezahlt worden zu sein.

Oder weil es einfach generell mehr Spaß macht, solche Videos mit positivem Spirit anzuschauen, als wenn alles bemängelt und kritisiert, ein Produkt gedisst wird.

Alles nachvollziehbare Gründe aus Sicht des Influencers.

Aber bekommt ein potenzieller Käufer dadurch eine unabhängige, kritische, neutrale und nachvollziehbare Beurteilung, einen einigermaßen kritischen und professionellen „Test“?

Eindeutig: Nein!

Stiftung Warentest: Produktbewertung nach wissenschaftlichen Standards

Ganz anders bei der Stiftung Warentest. Eine Institution. Ich kenne Menschen aus der Boomer-Generation, die wagen keine Investition, die preislich über „Volltanken“ liegt, ohne intensiv und äußerst ernsthaft die entsprechenden Testberichte von „Test!“ der letzten drei Jahrzehnte studiert zu haben.

Denn die ausgiebigen Tests der Stiftungs-Mitarbeiter sind aussagekräftig: Welche Aspekte spielen überhaupt eine Rolle bei der Beurteilung? Welche Unterscheidungskriterien gibt es? Was sind technische Standards, was rechtliche Rahmenbedingen – und werden diese erfüllt? Nach welchen objektiven Kriterien wurde getestet – und was ist dabei herausgekommen?

Die von der „Stiftung Warentest“ gemachten Tests sind legendär, die Beurteilungen begründet und nachvollziehbar (auch wenn mancher Hersteller sich zuweilen über die Benotung ärgerte und sogar dagegen geklagt hat). Kurz: Die Stiftung Warentest testet tatsächlich und liefert ohne jeden Zweifel die wertvolleren Informationen.

Stiftung Warentest: unabhängig, kritisch, transparent

Stiftung Warentest: unabhängig, kritisch, transparent

Generation Influencer weiß, wem sie vertraut

Trotzdem käme wohl niemand aus der „Generation Influencer“ auf die Idee, einen Blick in die Zeitschrift „Test!“ zu werfen. Stiftung Warentest? Kenne ich nicht… Das würde sich bestenfalls dann ändern, wenn die Stiftung ein paar Influencer aufbauen würde, die die Ergebnisse locker, flockig, rotzig präsentiert. Aber das wäre natürlich immer noch nicht das Gleiche.

Influencer haben heute die Macht, die früher eine Stiftung Warentest hatte. Die hat transparent und damit anfechtbar getestet und bewertet. Influencer müssen sich die Mühe nicht machen. Sie schreiben „Anzeige“ über ihr Video und sind rechtlich auf der sicheren Seite. Und sie begeistern damit unzählige Anhänger.

Man muss das nicht gut finden. Aber so ist es – und es wird sich vermutlich auch nicht wieder wirklich ändern.

 

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