Ein missverstandener Scherz über brennende Kerzen in Aufzügen brachte 1982 einen Professor auf eine Idee, die unsere digitale Kommunikation für immer verändern sollte. Die Geschichte des ersten Smileys ist so absurd wie genial.
Pittsburgh, September 1982: In den Computerräumen der Carnegie Mellon University flackern grüne Monochrom-Bildschirme. Hier, in dieser Brutstätte der frühen Nerdkultur, steht die digitale Kommunikation vor einem massiven Problem – und niemand ahnt, dass die Lösung nur drei Tastenanschläge entfernt ist.
Das Problem: Text ohne Tonfall
Stellt euch vor, ihr kommuniziert nur noch schriftlich. Keine Mimik, keine Stimmlage, kein Augenzwinkern. Genau so fühlte sich die frühe Online-Kommunikation an. Das universitätseigene Bulletin Board – eine Art steinzeitliches Facebook mit reinen ASCII-Zeichen – wurde zum Schauplatz ständiger Missverständnisse.
Das Fatale: Was als Witz gemeint war, löste ernsthafte Diskussionen aus. Was ironisch klingen sollte, wurde bitterernst genommen. Die sogenannten „Flame Wars“ – digitale Wortgefechte – waren an der Tagesordnung.
Der Auslöser: Ein absurdes Gedankenexperiment
Dann passierte es. Jemand postete einen elaborierten Physik-Scherz: Was geschieht mit einer brennenden Kerze in einem frei fallenden Aufzug? Die Kerze sollte in der Mitte festgebunden werden, ein Tropfen Quecksilber am Boden liegen – und dann: freier Fall!
Das Chaos war programmiert:
- Einige nahmen das Gedankenexperiment ernst
- Andere befürchteten echte Experimente mit Quecksilber und offenen Flammen in den Uni-Aufzügen
- Wieder andere wittern ein subtiles physikalisches Problem
- Es entbrennt eine hitzig-ernsthafte Debatte über Sicherheitsvorschriften
Der Witz war komplett gescheitert. Die Situation eskalierte.
Die Lösung: Drei Zeichen verändern die Welt
Scott Fahlman, damals junger Professor für Informatik, beobachtete das Chaos. Der auf künstliche Intelligenz spezialisierte Wissenschaftler erkannte das Problem sofort: Text braucht eine Möglichkeit, Emotionen zu transportieren.
Am 19. September 1982, morgens um 11:44 Uhr, tippte Fahlman eine scheinbar banale Nachricht ins Bulletin Board:
„Ich schlage folgende Zeichenfolge für Witzmarkierungen vor: 🙂 Lest es seitwärts.“
Drei ASCII-Zeichen. Eine Revolution.
Doppelpunkt, Bindestrich, Klammer zu. Kippt man den Kopf 90 Grad nach links, sieht man: ein lachendes Gesicht. Für ernste Themen schlug Fahlman gleich noch 🙁 vor.
Sein professoraler Seitenhieb: „Eigentlich wäre es ökonomischer, die Dinge zu markieren, die KEINE Witze sind – so wie sich die Trends entwickeln.“
Von der Notlösung zur globalen Sprache
Die unmittelbare Reaktion? Verhalten. Keiner in der Diskussion sprang sofort auf die Idee an. Doch wie das mit wirklich guten Ideen so ist: Sie setzen sich durch.
Nur einen Monat später explodierte die Kreativität:
- <:-) markierte dumme Fragen (Eselskappe)
- (*) stand für richtig gute Witze
- (%) kennzeichnete Witze, die so schlecht waren, dass sie schon wieder witzig wurden
- Das Hashtag (#) sollte Zähne zwischen zwei Lippen darstellen
- Das Und-Zeichen (&) galt als „lustigste Taste auf der Tastatur“
Von CMU schwappte die Welle über das junge ARPAnet – den Vorläufer des Internets – zu anderen Elite-Unis: MIT, Stanford, Xerox PARC. Die Emoticons verbreiteten sich rasant, lange bevor „viral gehen“ überhaupt ein Begriff war.
Das historische Dokument
Die ursprüngliche Nachricht von Fahlman galt 20 Jahre lang als verschollen. Erst 2002 tauchte sie auf einem alten Backup-Band wieder auf. Heute gilt sie als historisches Dokument der digitalen Kommunikation. Das Guinness Buch der Rekorde erkennt Fahlman offiziell als Erfinder des digitalen Emoticons an.
Was daraus wurde
Heute, mehr als 40 Jahre später, ist die digitale Kommunikation ohne Emoticons und Emojis undenkbar. Milliarden dieser kleinen Symbole werden täglich verschickt. Aus Fahlmans drei ASCII-Zeichen ist eine eigene Sprache geworden, die Kulturgrenzen überwindet.
Übrigens: Die ersten Emoticons hatten noch eine „Nase“ – den Bindestrich. Später ließen die Menschen sie weg und nutzten nur noch 🙂 oder :(. Was Fahlman wohl davon hält?
Fazit: Manchmal entstehen die größten Revolutionen aus den dümmsten Missverständnissen. Ein misslungener Physik-Witz über brennende Kerzen in Aufzügen wurde zum Geburtshelfer einer neuen Form der Kommunikation. Wenn das nächste Mal ein Smiley eure Nachricht rettet – denkt an den September 1982 und an einen Professor, der einfach nur wollte, dass die Leute seine Witze verstehen. 🙂