Acta auf dem Prüfstand: Verbesserungs-Vorschläge für das Handelsabkommen

von | 29.02.2012 | Tipps

Das „Anti Counterfeiting Trade Agreement“ (Acta) ist ein in den letzten Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandeltes Abkommen auf völkerrechtlicher Ebene zwischen der EU und Ländern wie USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland und einigen anderen Staaten. Ziel des Abkommens sind international einheitliche Mindeststandards zur Abwehr von Produktpiraterie und vor allem vor Urheberrechtsverstößen im Internet. Beides sorgt aus Sicht der Industrie für erhebliche Umsatzeinbußen und soll daher wirkungsvoll international bekämpft werden.

Dagegen etwas zu unternehmen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Frage ist nur, wie das geschehen soll – und genau da regt sich zunehmend Widerstand, vor allem bei den Regelungen, die das Internet betreffen. Viele Punkte werden nicht nur von der Netzgemeinde kritisch gesehen, sondern auch von vielen Juristen und zunehmend sogar in der Politik. Kern der Kritik sind die mitunter möglichen Folgen, mit denen bei einer Ratifizierung des Abkommens aus Sicht der Kritiker zu rechnen wäre.

Viele befürchten erhebliche Einschnitte bei den Rechten im Internet und deutlich mehr Kontrolle. Acta will geistiges Eigentum wie Texte, Fotos, Videos, Filme oder Musik im Internet schützen. Was machen die User online? Was laden sie herunter? Verstoßen sie gegen geltendes Recht? Die Provider müssten möglicherweise alles überwachen und dokumentieren. Wird jemand drei Mal ertappt, weil er gegen geltendes Recht verstößt, droht der komplette Ausschluss aus dem Internet. „Three Strike“-Prinzip, nennt sich das. Zwei Ermahnungen, danach ist Schluss.

Es gibt viele Pflichten für Internetbenutzer, aber keine ausdrücklichen Rechte – das ist ein konkreter Kritikpunkt an Acta. Weitere Sorge vieler: Legt man das Abkommen wortwörtlich aus, wären beängstigende Szenarien denkbar. Würden alle Staaten Acta unterschreiben, wären Internet-Provider womöglich gezwungen, ihre User zu überwachen. Darum rücken mittlerweile auch viele Politiker von der aktuellen Fassung von Acta ab. Das EU-Parlament will Acta vom EU-Gerichtshof überprüfen lassen.

Acta-Gegnern geht es nicht darum, einzelne Details im Abkommen zu verbessern, sie wollen einen ganz anderen Ansatz: Weitgehende Freiheit im Internet und eine neue Art von Urheberrecht. Die Social-News-Plattform Reddit war eine zentrale Anlaufstelle, als in den USA gegen Gesetzesinitiativen wie Sopa oder Pipa protestiert wurde. Jetzt hat die Community einen eigenen Gegenentwurf zu Acta entwickelt.

Reddit-Nutzer wollen belegen, dass es auch anders geht, dass man Gesetze und Abkommen auch öffentlich aushandeln kann, dass es nicht darum gehen kann, das Internet mit immer neuen Gesetzen zu überziehen und strenger regulieren wollen. Auf Reddit entwirft die Community ein eigenes Internetgesetz – demokratisch, umfassend und nutzerorientiert.

„Free Internet Act“ (FIA) heißt das Dokument, das gerade in Gemeinschaftsarbeit erarbeitet wird und alle Gesetze zum Thema Internet überflüssig machen soll. Die Initiatoren wollen „Wohlstand, Kreativität, Unternehmertum und Innovation fördern, indem es die Einschränkung von Freiheit sowie Zensur verhindert.“ Darum geht es den Machern: Wer Rechte hat, der muss auch Rechte haben. Das kommt bei Acta viel zu kurz oder spielt gar keine Rolle, bei FIA aber schon.

Internetnutzer sollen das Recht auf freie Rede haben, auch ein Recht auf frei zugängliches Wissen. Trotzdem soll das Urheberrechtlich nicht abgeschafft werden: Urheberrechtlich geschütztes Material soll auch weiterhin geschützt bleiben. Das Ziel: FIA soll ein globales Abkommen werden.
Auf den ersten Blick hat FIA kaum eine Chance auf Umsetzung, auf den zweiten Blick schon eher. Denn das Internet kann heute eine ungeheure Macht entfalten. Zumindest werden schon jetzt die fünf Artikel des „Free Internet Act“ eifrig diskutiert, sie könnten die Basis sein für neue Gesetze, für Abkommen und vieles andere mehr. Artikel 1 zum Beispiel besagt, dass kein Staat ein Gesetz zur Zensur des Internets verabschieden darf. Zensiert werden dürfe nur, was menschenrechtswidrig sei. Schon mit diesem Artikel haben nicht nur Staaten wie China oder Syrien ein Problem, sondern auch so manche Demokratie, denn so weitrechend sind die Freiheiten im Internet selten.

Artikel 2 erscheint mit sehr sinnvoll – ist aber sozusagen das Gegenteil von Acta. Denn Artikel 2 besagt, dass kein User und auch kein Provider für das Herunterladen von illegalen Inhalten haftbar gemacht werden können, sondern das dafür immer die Uploader haften müssen. Die anderen Artikel sind ebenfalls knackig und präzise formuliert, fordern eine Menge.

Die Forderungen wirken mitunter absurd hoch, teilweise unrealistisch – sie entsprechen einem Ideal. Aber da haben die Initiatoren des FIA von der Rechtelobby gelernt: Die Vertreter von Musik- und Filmrechten haben auch kein Problem damit, absurde Forderungen zu stellen, bis hin zu Kontrollen und Eingriffen in elementare Recht, nur um ihre Interessen durchzusetzen. Und längst ist klar: Wer viel fordert, bekommt längst nicht alles, aber mehr, als wenn man wenig fordert. Das machen die Kritiker von Acta nun ganz genauso. Mal sehen, wohin das führt.