Populismus und Politik auf Social Media: Wie TikTok und Co. den Diskurs verändern

von | 07.12.2024 | Social Networks

Social-Media-Plattformen wie TikTok beeinflussen nicht nur die Art, wie wir Inhalte konsumieren, sondern auch, wie politische Botschaften verbreitet werden. Das europäische Parlament hat TikTok wegen mangelnder Kennzeichnung politischer Inhalte im rumänischen Wahlkampf ins Visier genommen.

Was bedeutet das für die Zukunft der politischen Kommunikation, und welche Gefahren birgt diese Entwicklung?

Social Media ist längst nicht mehr nur eine Spielwiese für Unterhaltung – es ist ein Schlachtfeld für politische Botschaften geworden. TikTok, Facebook, Instagram und X prägen, wie wir diskutieren, denken und wählen. Doch die Regeln für den Umgang mit politischen Inhalten sind von Plattform zu Plattform unterschiedlich, oft lückenhaft und teilweise gefährlich. Was passiert, wenn Populismus und Plattform-Algorithmen aufeinandertreffen? Und wie schützen wir die Demokratie in dieser neuen Realität?

Politische Inhalte auf Social Media: Wer spielt nach welchen Regeln?

Die großen Plattformen haben unterschiedliche Ansätze im Umgang mit politischer Werbung und Inhalten. TikTok zum Beispiel verbietet offiziell bezahlte politische Werbung. Das klingt gut, hat jedoch einen Haken: Inhalte mit politischer Botschaft, die Parteien oder Interessengruppen organisch posten, müssen nicht gekennzeichnet werden. So können politische Kampagnen enorme Reichweiten erzielen – ohne dass Nutzer wissen, wer dahintersteht.

Facebook und Instagram gehen hier strenger vor. Politische Werbung muss markiert werden, und es gibt eine öffentliche Werbebibliothek, in der Nutzer nachvollziehen können, wer welche Inhalte finanziert hat. Diese Regelungen wurden maßgeblich durch Druck aus den USA eingeführt.

X (ehemals Twitter) hingegen hat unter Elon Musk klare Vorgaben für politische Inhalte nahezu abgeschafft. Die Moderationspolitik ist unberechenbar, und Transparenz bleibt ein Fremdwort. YouTube markiert immerhin staatlich finanzierte Medien, bietet aber wie die meisten Plattformen wenig Schutz vor subtiler Propaganda.

Fazit: Die Regeln sind uneinheitlich und oft nicht ausreichend, um Manipulationen und Desinformation effektiv entgegenzuwirken.

Populismus auf Social Media: Emotional, polarisierend, erfolgreich

„Populismus“ ist ein schwieriger Begriff – oft wird er verwendet, um die Gegenseite zu kritisieren. Doch was macht Inhalte populistisch, besonders auf Plattformen wie TikTok? Es sind Botschaften, die Emotionen wecken, polarisieren und einfache Antworten auf komplexe Fragen geben.

Ein Beispiel: Aussagen wie „zu viele Ausländer“, „zu viel Grün“ oder „weiße Männer sind privilegiert“ sind plakativ und zielen auf Zustimmung im eigenen Lager ab. Sie bieten keine differenzierte Analyse, sondern einfache Schuldzuweisungen. Und das funktioniert auf Social Media besonders gut.

Algorithmen bevorzugen Inhalte, die Reaktionen hervorrufen – sei es Zustimmung oder Wut. Je emotionaler und lauter eine Botschaft ist, desto größer ihre Reichweite. Das erklärt, warum Politiker wie Markus Söder mit pointierten Spitzen gegen die Grünen erfolgreich sind oder warum Gegenangriffe von Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang oft genauso polarisieren.

Die Gefahr: Unterhaltung, Manipulation und politische Kommunikation verschwimmen zunehmend, was es schwierig macht, fundierte Meinungsbildung zu fördern.

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Transparenzmangel: Die größte Gefahr für Demokratie

Eine der größten Schwächen von Social Media ist die mangelnde Transparenz. Politische Inhalte sind oft nicht als solche erkennbar, und die Grenzen zwischen Meinung, Propaganda und faktenbasierter Information verschwimmen.

In der klassischen Medienlandschaft war die Trennung klar: Nachrichten und Meinungen hatten ihre eigenen Bereiche, etwa in Zeitungen oder Nachrichtensendungen. Auf Social Media ist diese Unterscheidung längst Geschichte. Plattformen wie TikTok richten sich vor allem an junge Nutzer, die Inhalte oft unkritisch konsumieren.

Das Beispiel Rumänien zeigt, wie gefährlich diese Dynamik sein kann. Während des Wahlkampfes wurden politische Botschaften gezielt auf TikTok verbreitet, ohne Kennzeichnung oder Hinweis auf die Urheber. Die Folge: Ein verzerrtes Bild der politischen Realität, das die freie Meinungsbildung massiv beeinträchtigt.

Konsequenz: Wenn Nutzer nicht wissen, wer hinter politischen Botschaften steht, wird der demokratische Diskurs untergraben – plakative Behauptungen gewinnen gegen fundierte Argumente.

Was sich ändern muss: Klare Regeln und mehr Verantwortung

Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Social Media sind nicht mehr zu leugnen. TikTok und andere Plattformen beeinflussen, wie wir denken, diskutieren und wählen. Doch die Verantwortung, diese Dynamik zu kontrollieren, liegt nicht nur bei den Nutzern, sondern vor allem bei den Plattformen und der Politik.

Vier Schritte, die notwendig sind:

1. Klare Kennzeichnungspflichten: Politische Inhalte müssen auf allen Plattformen einheitlich markiert werden – egal, ob sie bezahlt oder organisch gepostet wurden.

2. Anpassung der Algorithmen: Plattformen müssen ihre Systeme so gestalten, dass nicht nur polarisierende Inhalte bevorzugt werden. Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen, den Fokus auf konstruktiven Dialog zu legen.

3. Förderung von Medienkompetenz: Nutzer sollten lernen, Inhalte kritisch zu hinterfragen und Desinformation zu erkennen. Besonders junge Zielgruppen müssen in der Schule und durch öffentliche Kampagnen sensibilisiert werden.

4. Einheitliche europäische Standards: Es braucht klare, grenzüberschreitende Regelungen, um Plattformen zur Transparenz zu verpflichten und Manipulation einzudämmen.

Ziel: Vertrauen in die digitale Öffentlichkeit zurückzugewinnen und den demokratischen Diskurs zu stärken.

Fazit: Demokratie braucht Transparenz – auch im Netz

Social Media hat das Potenzial, politische Kommunikation zu bereichern – oder zu zerstören. Die Ereignisse in Rumänien zeigen, wie schnell Manipulation und Desinformation zur Realität werden können, wenn Plattformen keine Verantwortung übernehmen.

Doch es liegt nicht nur an den Unternehmen. Auch Nutzer müssen lernen, kritisch zu sein, Inhalte zu hinterfragen und Emotionen nicht über Fakten zu stellen. Demokratie lebt vom Diskurs – und dieser muss auch online geschützt werden. Die Herausforderung bleibt: klare Regeln schaffen, ohne die Freiheit des Internets zu gefährden.

Was denkst du? Ist die Politik der Plattformen zu schwach, oder liegt die Verantwortung bei den Nutzern? Der Diskurs ist eröffnet.

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