Mal sperrt Facebook zu viel, mal zu wenig: Einfach ist es nicht, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber eins darf sicher nicht sein: Facebook sollte nicht willkürlich bestimmen dürfen, was online geht und was nicht – und Sperrungen nicht mal begründen. Der BGH hat dem Netzwerk neue Regeln auferlegt.
Facebook muss umdenken: Die „Gemeinschaftsstandards“ des Unternehmens gelten normalerweise nicht nur als Richtschnur, sondern haben Verfassungsrang. Wer als Nutzerin oder Nutzer gegen die durch Facebook formulierten Nutzungsregeln verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen – und damit leben.
Klares Urteil aus Karlsruhe
So war das bislang – aber das ändert sich jetzt. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein ungewöhnlich klares Urteil gefällt: Nicht Facebook entscheidet, was die Meinungsfreiheit in Deutschland abdeckt, sondern der Gesetzgeber. Facebook muss – das schreiben die BGH-Richter ausdrücklich vor! – nun jedes gelöschte Posting begründen und die betroffenen User auch darüber informieren.
Mehr als das: Facebook wird verpflichtet, bei der drohenden Sperrung eines Benutzerkontos die betroffenen Nutzerinnen und Nutzer vorab zu informieren. Sie müssen darüber hinaus die Gelegenheit zu einer Stellungnahme bekommen. Einfach Stecker ziehen und drei oder 30 Tage lang ausgesperrt bleiben – das gibt es in Deutschland künftig nicht mehr.
Das Urteil ist wegweisend – natürlich auch für andere Plattformen.
Hausrecht geht nicht vor Grundrecht
Die Richter machen klar, dass Facebook zwar ein Hausrecht durchsetzen kann und zum Beispiel auch Postings unterbinden darf, die nicht gegen geltendes Recht verstoßen – aber nicht mehr so intransparent und eigenmächtig wie bislang. Grundsätzlich sei zwischen den Grundrechten beider Seiten abzuwägen, zwischen der Meinungsfreiheit der Nutzer und der unternehmerischen Freiheit von Facebook.
Der BGH hat die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gestärkt – ebenso die Meinungsfreiheit.
Gleichzeitig macht das Urteil aber zweifellos auch die Bekämpfung von Hassrede schwieriger.
Es ging in den beiden verhandelten Fällen um Aussagen, die sich klar gegen Migranten richten. Für viele schwer zu ertragen, etwa „Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert’s“. Aber sind solche Aussagen wirklich strafbar – oder nicht doch von Grundrecht gedeckt?
So etwas kann immer nur eine Einzelfallentscheidung sein. Nötigenfalls vor Gericht. Das ist aufwändig, aber wir leben eben in einem Rechtsstaat.
Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gestärkt
Redeverbote erteilen die verschiedenen Glaubenslager sich im Netz ohnehin ständig gegenseitig. Das eine ist unsagbar, das andere „wird man doch wohl noch sagen dürfen“. Häufig genug bestimmt die Ideologie die Grenzen, nicht das Recht. Bei Facebook waren es bislang die Nutzungsbedingungen.
Die müssen jetzt angepasst werden.
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Facebook unternimmt nichts gegen Holocaust-Leugner