Einmal im Jahr vergibt der Bielefeldr Verein Digitalcourage e.V. die „Big Brother Awards“ in verschiedenen Kategorien. Eine Art Anti-Preis, der mangelhaften Datenschutz anklagen soll. Die Preise wurden heute in Bielefeld verkündet. Hier stelle ich Euch die wichtigsten Preisträger vor – darunter auch erfolgreiche Start-Ups aus Europa.
Schon seit über 20 Jahren vergibt der Verein Digitalcourage mit Sitz in Bielefeld den bei den Empfängern unpopulären Negativpreis, der im Rahmen einer Galaveranstaltung an Regierungen, Behörden, Institutionen, Unternehmen, Konzepte und Privatpersonen vergeben wird – und das in verschiedenen Kategorien.
„Wir wollen den Finger in die Wunde legen und die Debatte über dringend nötigen Datenschutz vorantreiben“, sagt Padeluun. Er ist Gründer des austragenden Vereins Digitalcourage und Gesicht des „Big Brother Awards“. In diesem Jahr hat er zwei Unternehmen im Blick, die aus Europa kommen – und als Start-Ups aus Sicht der Big-Brother-Award-Jury keine gute Figur in Sachen Datenschutz und Privatsphäre machen.
Preisträger Lieferando: Überwachung der Mitarbeiter
Lieferando zum Beispiel, der populäre Lieferdienst, hat einen Big Brother Award in der Kategorie „Arbeitsschutz“ erhalten.
Es geht hier nicht um die Veruntreuung von Nutzerdaten, sondern um die Überwachung der Kuriere mithilfe moderner Technologie. Wenn Kunden etwas bei Lieferando bestellen, machen sich Kuriere auf den Weg und bringen die Bestellung meist in Minuten. Die Mitarbeitenden müssen eine App namens „Scoober“ installieren, die sie minutiös überwacht. Dabei wird sekündlich der Aufenthaltsort getrackt.
Das Unternehmen analysiert laut „Big Brother Award“ jede Pause, das Tempo der Auslieferung, vergleicht die Daten mit anderen Fahrerinnen und Fahrern und setze die Mitarbeiter damit unangemessen unter Druck, argumentiert die Jury. Die Privatsphäre der Mitarbeitenden sei dahin.
Lieferando widerspricht. Die Mitarbeiter seien – anders als bei anderen, vergleichbaren Lieferdiensten – fest angestellt und niemand würde unter Druck gesetzt. Das wird zweifellos zu klären sein,
Andere Lieferdienste praktizieren das ganz ähnlich – und viele stellen die Mitarbeiter nicht fest ein. Als Marktführer hat Lieferando die warnende Auszeichnung erhalten.
Klarna wird „mangelnde Transparenz“ vorgeworfen
Ein weiteres erfolgreiches Startup, das jetzt einen „Big Brother Award“ erhalten hat, ist Klarna. Viele kennen Klarna als Zahlungsabwickler: Heute kaufen, später zahlen. Doch Klarna ist deutlich mehr: Das Unternehmen hat auch eigene Shop, einen Preisvergleicher im Angebot, ist offiziell eine Bank und bietet Finanzdienstleistungen und Kreditkarten an. Die Jury ist der Ansicht, es fehle an der nötigen Transparenz und beklagt insbesondere die Nutzungsbedingungen, die dem Unternehmen viele Rechte einräumen. „Die raffen sich totalitäres Wissen zusammen“, sagt Padeluun im Interview.
Ein weiterer Preisträger ist die irische Datenschutzbehörde, die laut Jury „einen miserablen Job macht“. Die meisten US-Konzerne wie Google, Apple, Facebook und andere haben ihre Europazentrale in Irland. Hier fallen nur geringe Steuern an. Gleichzeitig bedeutet das, dass die irische Datenschutzbehörde für die Einhaltung des Datenschutz in der ganzen EU zuständig ist. „Datenschutzbeschwerden werden mit miesen Tricks abgeschmettert“, beklagt sich Big-Brother-Chef Padeluun im Interview. Zum Schaden aller Europäer.
BKA und Bundesdruckerei
Auch das BKA hat einen „Big Brother Award“ erhalten – stellvertretend für alle Polizeien in Deutschland. Weil Daten nicht ausreichend geschützt werden und somit Missbrauch möglich ist. Und die Bundesdruckerei hat jetzt einen Big-Brother-Award im Regal, weil sie bei verschiedenen Projekten verstärkt auf Blockchain setzt. Die sei „nicht nur wenig energieeffizient, sondern erschwere auch den Datenschutz, weil in einer Blockchain nichts gelöscht werden kann.“
Auch dieses Jahr werden die Prämierungen des Big Brother Award zweifellos für viel Diskussionsstoff sorgen.