Die KI-Revolution beschleunigt weiter: OpenAI präsentiert mit ChatGPT-5 sein bisher stärkstes Sprachmodell und verspricht einen Quantensprung in Sachen Intelligenz und Zuverlässigkeit. Am 7. August 2025 startete der schrittweise Rollout für alle Nutzer weltweit – und die ersten Reaktionen lassen aufhorchen.
Intelligenz mit eingebautem Denkprozess
Was ChatGPT-5 grundlegend von seinen Vorgängern unterscheidet, zeigt sich bereits beim ersten Test: Das System denkt jetzt aktiv mit und stellt proaktiv Rückfragen, um bessere Antworten zu liefern. Die größte Neuerung verbirgt sich hinter dem „Thinking Mode“ – einem Modus, in dem die KI komplexe Probleme durchdenkt, bevor sie antwortet.
Ein intelligenter Router entscheidet automatisch, ob eine Anfrage den schnellen Chat-Modus oder den tieferen Thinking-Modus benötigt. Nutzer können optional eine Schnellantwort abrufen oder dem System Zeit für eine durchdachte Analyse geben. Besonders bei mathematischen, wissenschaftlichen oder mehrstufigen Aufgaben soll sich diese Herangehensweise auszahlen.

Weniger Halluzinationen, mehr Verlässlichkeit
Ein chronisches Problem bisheriger KI-Modelle packt OpenAI frontal an: GPT-5 halluziniert 45 Prozent weniger als GPT-4o, im Thinking-Modus sogar 80 Prozent weniger als OpenAIs o3-Modell. Das bedeutet konkret weniger erfundene Fakten und zuverlässigere Antworten.
Gleichzeitig führt OpenAI „Safe Completions“ ein – ein Konzept, bei dem die KI versucht, maximal hilfreiche Antworten innerhalb klarer Sicherheitsgrenzen zu geben. Statt hart zu verweigern, erklärt das System transparent, warum es bei bestimmten Anfragen nicht helfen kann, und bietet Alternativen an.
Drei Varianten für unterschiedliche Bedürfnisse
OpenAI serviert GPT-5 in mehreren Geschmacksrichtungen: Die Basis-Version für maximale Leistung, GPT-5-mini für kostensensitive Anwendungen und GPT-5-nano für extrem schnelle Antworten. Entwickler erhalten zudem neue Parameter für „reasoning_effort“ und „verbosity“, um Denkzeit und Ausführlichkeit der Antworten zu steuern.
Die API-Preise liegen bei 1,25 Dollar für eine Million Input-Token und 10 Dollar für Output-Token – deutlich teurer als die Konkurrenz. Zum Vergleich: Mistral verlangt nur 6 Dollar, der chinesische Anbieter Deepseek sogar nur 2,19 Dollar für eine Million Token.

Verfügbarkeit im Schneckentempo
Trotz offizieller Ankündigung müssen sich viele Nutzer gedulden. OpenAI rollt GPT-5 schrittweise aus, um Überlastungen zu vermeiden. Kostenlose Nutzer dürfen zehn Nachrichten alle fünf Stunden mit GPT-5 verschicken, danach greift eine abgespeckte Version.
Plus-Nutzer erhalten 80 Nachrichten alle drei Stunden, während Pro- und Team-Abonnenten praktisch unbegrenzten Zugang haben. Enterprise- und Bildungskunden folgen ab dem 14. August.
Bereits im Praxiseinsatz – mit fragwürdigen Partnern
Überraschend offen zeigt sich OpenAI bei der Nennung seiner Unternehmenskunden: Die Krankenversicherung Oscar Health prüft bereits Versicherungsanträge mit GPT-5, Uber nutzt es im Kundensupport, die spanische Bank BBVA für Finanzanalysen. Auch Softwareunternehmen wie GitLab, Cursor und Windsurf setzen das neue Modell ein.
Bemerkenswert ist, dass diese Firmen ein noch unveröffentlichtes und ungeprüftes Modell in kritischen Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Finanzwesen einsetzen, ohne dass unabhängige Evaluierungen vorliegen. Ein gewagtes Spiel mit der Zuverlässigkeit neuer Technologie.
Programmieren wird einfacher
Für Entwickler verspricht GPT-5 besonders große Fortschritte. Das Modell übertrifft o3 in Coding-Benchmarks und realen Anwendungsfällen deutlich und wurde speziell für Tools wie Cursor, GitHub Copilot und Windsurf optimiert. Ein Cursor-Manager lobt, dass GPT-5 selbst tief versteckte Bugs im Code aufspüren könne.
Allerdings zeigen Studien auch kritische Aspekte: Programmierer arbeiteten mit ähnlichen Tools wie Cursor und Claude 3.5 Sonnet 20 Prozent langsamer – ein Hinweis darauf, dass KI-Unterstützung nicht automatisch zu mehr Effizienz führt.
Modell-Friedhof und automatische Migration
Mit GPT-5s Einführung räumt OpenAI kräftig auf: Ältere Modelle wie GPT-4o, GPT-4.1 und GPT-4.5 werden abgeschaltet. Bestehende Gespräche migrieren automatisch zur passenden GPT-5-Variante – mit möglichen Qualitätsunterschieden.
Lediglich der Voice-Modus bleibt vorerst bei GPT-4o, während alle anderen Tools nahtlos übernommen werden.
Neue Persönlichkeiten und bessere Sicherheit
Neben der technischen Evolution führt OpenAI vier neue Persönlichkeiten ein: Cynic (sarkastisch und direkt), Robot (präzise und emotionslos), Listener (warm und gelassen) sowie Nerd (verspielt und wissenshungrig). Nutzer können zwischen diesen Charakterzügen wählen oder beim Standard-ChatGPT bleiben.
Umfangreiche Sicherheitstests umfassten 5000 Stunden Red-Teaming durch externe Dienstleister – eine Zahl, die angesichts der Modellkomplexität erstaunlich niedrig erscheint.
Konkurrenz schläft nicht
Während OpenAI sein neues Flaggschiff präsentiert, zieht die Konkurrenz nach. Microsofts Integration in Office-Anwendungen, Googles Gemini-Entwicklungen und chinesische Anbieter wie Deepseek setzen mit aggressiven Preisen und vergleichbarer Leistung unter Druck.
Besonders interessant: Parallel zu GPT-5 veröffentlichte OpenAI mit GPT-OSS sein erstes Open-Source-Modell seit sechs Jahren – ein strategischer Schachzug, um Entwickler bei der Stange zu halten.
Fazit: Evolution mit Fragezeichen
ChatGPT-5 markiert zweifellos einen technischen Fortschritt. Die verbesserte Denkfähigkeit, reduzierte Halluzinationen und erweiterte Tool-Integration zeigen OpenAIs Ambitionen. Doch Fragen bleiben: Rechtfertigen die marginalen Verbesserungen den deutlich höheren Preis? Und warum setzen kritische Branchen bereits unveröffentlichte Technologie ein, bevor unabhängige Bewertungen vorliegen?
Die Einschätzung, GPT-5 könne „für Chatbots das werden, was das iPhone für Smartphones war“, muss sich erst in der Praxis beweisen. Sicher ist: Der KI-Wettlauf beschleunigt weiter – und Nutzer profitieren von immer leistungsfähigeren Assistenten, solange sie bereit sind, den Preis dafür zu zahlen.