Das US-Justizministerium hat gerade eine der peinlichsten Pannen der jüngeren Behördengeschichte hingelegt. Tausende Seiten aus den berüchtigten Epstein-Akten sollten eigentlich geschwärzt bleiben – doch findige Internetnutzer haben einen verblüffend simplen Trick entdeckt, um die schwarzen Balken zu umgehen. Und dafür brauchten sie weder KI noch ausgefeilte Hacker-Kenntnisse.
Die dilettantische Schwärzung
Seit Freitag veröffentlicht das Justizministerium schrittweise über 11.000 Dokumente aus den Ermittlungen gegen den verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Das Transparenzgesetz, das Präsident Trump im November unterzeichnete, schreibt die Freigabe vor. Zum Schutz von Opfern und laufenden Ermittlungen wurden viele Passagen geschwärzt – teilweise ganze Seiten.
Das Problem: Die Behörde hat bei der digitalen Schwärzung geschlampt. Bei etlichen PDF-Dokumenten wurde der Text nicht wirklich entfernt, sondern lediglich ein schwarzes Rechteck darübergelegt. Der ursprüngliche Text blieb im Dokument gespeichert.
Der Copy-Paste-Trick
Innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung machte ein simpler Trick die Runde: Markiere den geschwärzten Bereich, kopiere ihn und füge ihn in ein anderes Dokument ein. Voilà – der verborgene Text erscheint lesbar.
Ein X-User namens Liam Nissan postete die Entdeckung, sein Beitrag erreichte innerhalb kürzester Zeit fast 7 Millionen Views. Der politische Kommentator Ed Krassenstein veröffentlichte sogar ein Anleitungsvideo und spottete dabei über die Inkompetenz des Ministeriums.
Ein weiterer Trick funktioniert bei gescannten Bilddokumenten: Wer einen Screenshot macht und dann mit simplen Smartphone-Bildbearbeitungsfunktionen die Helligkeit hochdreht und den Kontrast senkt, kann durch die halbdurchsichtigen digitalen Schwärzungen hindurchsehen. Keine KI erforderlich – die Bordmittel eines jeden Smartphones reichen aus.
Was die entschwärzten Passagen enthüllen
Die aufgedeckten Texte stammen hauptsächlich aus einer Zivilklage der Amerikanischen Jungferninseln gegen die Nachlassverwalter von Epsteins Vermögen. Sie enthalten brisante Details: Zwischen 2015 und 2019 sollen über 400.000 Dollar an junge Models und Schauspielerinnen gezahlt worden sein, darunter eine ehemalige russische Modelldarstellerin, die über dreieinhalb Jahre hinweg monatlich 8.333 Dollar erhielt.
Außerdem finden sich Hinweise darauf, dass Epstein Opfer mit der Drohung öffentlicher Bloßstellung unter Druck setzte und die Vernichtung von Beweismaterial anordnete. Zeugen sollen durch Schweigegeldzahlungen gefügig gemacht worden sein.
Absicht oder Inkompetenz?
Im Netz kursieren bereits Verschwörungstheorien. Manche vermuten, ein FBI-Mitarbeiter habe die fehlerhaften Schwärzungen absichtlich durchgewunken, um Informationen ans Licht zu bringen. Andere sprechen schlicht von Inkompetenz unter Zeitdruck.
Tatsächlich stand das Ministerium unter enormem Druck. Die gesetzliche Frist zur Veröffentlichung war bereits am 19. Dezember abgelaufen. Über Weihnachten suchte man verzweifelt nach Freiwilligen unter den Staatsanwälten, um die Mammutaufgabe zu bewältigen – schätzungsweise über eine Million Dokumente müssen gesichtet werden.
Erschwerend kommt hinzu: Mindestens 16 Dateien verschwanden wenige Stunden nach der Veröffentlichung wieder von der Website des Ministeriums, darunter ein Foto von Trump mit Epstein. Das Ministerium begründete die Löschung mit dem nachträglichen Schutz möglicher Opfer. Die Kritiker überzeugt das nicht.
Ein bekanntes Problem
Der Fehler bei der PDF-Schwärzung ist kein Einzelfall. Es handelt sich um einen bekannten digitalen Sicherheitsfehler, der schon in früheren prominenten Fällen aufgetreten ist. Professionelle Schwärzung entfernt den zugrundeliegenden Text dauerhaft – eine bloße visuelle Überdeckung reicht nicht.
Das Justizministerium hat sich bislang nicht dazu geäußert, wie viele Dokumente von dem Fehler betroffen sind. Der ursprüngliche Schwärzungsfehler entstand offenbar nicht beim Ministerium selbst, sondern beim Generalstaatsanwalt der Jungferninseln, der die Dokumente 2021 erstmals öffentlich machte. Das Justizministerium übernahm die fehlerhaft geschwärzten Dateien ungeprüft.
Was wir daraus lernen können
Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig technisches Grundwissen im digitalen Zeitalter ist – auf beiden Seiten. Behörden, die sensible Dokumente veröffentlichen, müssen verstehen, wie digitale Schwärzung funktioniert. Und Bürger, die transparente Aufklärung fordern, profitieren davon, wenn sie wissen, wie man offiziell veröffentlichte Dokumente kritisch hinterfragt.
Die Ironie der Geschichte: Trump hatte im Wahlkampf vollmundige Transparenz bei den Epstein-Akten versprochen. Jetzt liefert sein eigenes Justizministerium diese Transparenz – wenn auch unfreiwillig und durch pure Schlamperei.
Für die Opfer und ihre Anwälte bleibt die Situation unbefriedigend. Der Anwalt John Scarola, der mehrere Epstein-Opfer vertritt, kritisiert die Schwärzungen als übermäßig und rechtswidrig. Seiner Einschätzung nach wurden bislang nur etwa zehn Prozent des Materials freigegeben. Der öffentliche Druck wird weitergehen – und mit ihm wohl auch die Suche nach weiteren Schwärzungsfehlern.