Digitalgipfel 2022

Digitalgipfel: Ein Gipfel ohne Zivilgesellschaft

Wieder mal Digitalgipfel – und wieder mal wird der Eindruck erweckt, in Deutschland herrsche Aufbruchstimmung und kompetente Entschlussfreudigkeit. Wir wissen, dass es nicht so ist. Und vielleicht liegt es (auch) daran, dass die Verantwortlichen die falschen Leute einladen.

Wer auf die Webseite des Digitalgipfels geht, bekommt einen Trailer zu sehen – und eine Message zu hören.

„Daten können vernetzt unglaubliche Kraft entwickeln. Steigern wir Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Sorgen wir für eine smarte, sichere und nachhaltige Mobilität. Stellen wir die Weichen für die Arbeitswelt von morgen. Schaffen wir souveräne digitale Plattformen für einen freien, aber regel- und wertebasierten Datenaustausch. Der Digitalgipfel 2022. Daten – gemeinsam digitale Werte schöpfen.“

… so bewirbt die Bundesregierung ihren traditionellen Digitalgipfel in diesem Jahr. Es klingt nach Einsicht, Aufbruch, Entschlossenheit. Nach zupackender Politik, die Deutschland in die digitale Zukunft führt.

Doch wer sich mit Digitalpolitik beschäftigt, kann den Trailer zum Gipfel nur als Satire begreifen. Denn mit der Realität hat das alles nichts zu tun.

Deutschland: Ein Land ohne klare digitale Strategie

Deutschland ist eine Katastrophe in Sachen Digitalisierung. Immer noch. Miserabler Glasfaser-Ausbau. Inkompetenz in den Behörden. Keine proaktive Regulierung moderner Technologien. Und keine visionären Konzepte, wie sich das ändern ließe.

Diesmal lautet das Motto: „Gemeinsam digitale Werte schöpfen“.

Kompetent und datenschutzkonform Daten erheben, auswerten, miteinander teilen – etwa für bessere Stadtplanung oder Konzepte im Gesundheitswesen. Nicht unbedingt aus eigenem Antrieb, denn die EU-Kommission hat bereits im Februar 2020 die Europäische Datenstrategie verabschiedet. Es soll ein europäischer Binnenmarkt für Daten entstehen.

chaitawat / Pixabay

Digitalgipfel ohne Zivilgesellschaft

Wer ein solches Vorhaben plant, sollte vielleicht auch mit den Menschen sprechen, die sich mit so etwas auskennen. Und das sind ganz sicher nicht Politiker und ihr Stab. Und auch nicht nur Leute, die aus der Wirtschaft kommen. Das sind Menschen aus der Praxis, aus der Zivilgesellschaft. Chaos Computer Club. Netzpolitik.org. Stiftungen, die sich mit intensiv mit Digitalisierung beschäftigen.

Doch niemand aus diesen kompetenten Kreisen wurde eingeladen. Null. Zero.

Stattdessen gibt es 32 Vertreter aus der Wirtschaft, 22 aus Politik und Staat, immerhin 13 aus der Wissenschaft, 5 aus Wirtschaftsverbänden, dann noch 2 aus Stiftungen – und eine Person ist selbständig. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist wichtig? Komm, dann laden wir noch eine Person aus einer Krankenkasse ein. Aber niemanden, wirklich niemanden aus der organisierten Zivilgesellschaft.

Digitalisierung nicht begriffen

Wer so plant, wer so vorgeht – der hat Digitalisierung immer noch nicht begriffen. Der will Digitalisierung im Top-Down-Prinzip planen und organisieren. Und das ist keine gute Nachricht. Denn in der Politik, so viel steht fest, gibt es wirklich niemanden, der kompetent wäre, weitsichtig und visionär wollen wir das schon gar nicht mehr erwarten.

Wenn die Kompetenz schon nicht im eigenen Kreis vorhanden ist, sollte man sich die dazu holen. Wurde wieder mal nicht gemacht.

Ich erwarte nicht, dass uns der sogenannte „Digitalgipfel“ weiterbringt. Das ist nichts weiter als eine Show-Veranstaltung: Wir tun so, als würden wir uns kümmern. Man muss in Berlin ja was zu twittern haben. Solange es Twitter noch gibt.

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