#dontsendit: Das BKA warnt aktuell in einer Kampagne davor, eigene Nacktbilder zu versenden. Die Verbreitung von Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen kann strafrechtliche Folgen haben. Allerdings schießt das Gesetz aus Sicht des deutschen Richterbunds über das Ziel hinaus.
Das Handy: immer griffbereit. Das gilt für die meisten Erwachsenen, aber erst recht für Jugendliche.
Das Handy ist das mit Abstand wichtigste Kommunikationsmedium. Nicht zum Telefonieren, das nur im Notfall. Aber für Chats und Social Media. Wenn Jugendliche ihre Sexualität entdecken, kann es vorkommen, dass sie Nacktbilder von sich machen und mit Freund oder Freundin austauschen.
Strafbarkeit bei Nackbildern
Für Erwachsene manchmal schwer vorstellbar. Aber die heutige Jugend wächst halt mit Smartphones auf. Doch das ist alles andere als harmlos.
Nicht aus moralischen Gründen, sondern aus juristischen. Denn Nacktbilder von Jugendlichen unter 18 Jahren sind strafrechtlich gesehen „Jugendpornografie“ – und da gerät man schnell in den Bereich der Strafbarkeit.
Strafbar, wenn Jugendliche Bilder von sich verschicken
Der Laie ist da schnell verwirrt: Wieso soll es strafbar sein, wenn Jugendliche von sich selbst Fotos schießen?
Darauf kommt man in der Tat nicht, wenn man sich mit der Thematik nicht näher befasst.
Aber es ist so: Die große Koalition hatte am Ende ihrer Legislaturperiode noch ein Gesetz, das die Verbreitung pornografischer Aufnahmen mit Kindern und Jugendlichen unter Strafe stellt, deutlich verschärft.
Wenn Kinder, also Personen unter 14 Jahren, Nacktbilder oder -videos von sich fertigen, handelt es sich hierbei um sog. kinderpornografische Inhalte. Wer solche Nacktbilder oder -videos herstellt, versendet, empfängt, weiterleitet oder speichert, macht sich gemäß § 184b StGB strafbar. Seit dem Sommer 2021 handelt es sich dabei um ein Verbrechen. Das heißt, dass die Straftat mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Eine Verfahrenseinstellung durch die Justiz ist daher kaum noch möglich. Personen sind ab dem vollendeten 14. Lebensjahr gemäß § 19 StGB strafmündig, sodass sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Kinder bleiben daher straflos.
Laut Paragraf 184b ist es auf jeden Fall ein Verbrechen, solches Material überhaupt im Handy zu haben.
Dabei seien auch Aufnahmen von „ganz oder teilweise unbekleideten“ Minderjährigen als „sexuell aufreizend“ einzustufen, „wenn aus Sicht eines Durchschnittsbetrachters eine Stimulierungstendenz hervorgerufen wird.
Und das schließt auch Aufnahmen ein, die Jugendliche von sich selbst machen – mit wenigen Ausnahmen. Und diese Verschärfungen haben Konsequenzen: 41,3% der Tatverdächtigen waren im letzten Jahr unter 18 Jahren alt. Und weil es sich durch die Verschärfung um ein Verbrechen handelt, können Staatsanwaltschaften Verfahren nicht einfach so wieder einstellen.
Vorsicht: Screenshots können strabar sein
Das erklärt dann auch – zumindest teilweise – den hohen Anteil an minderjährigen Straftätern. Die hatte der Gesetzgeber doch wohl eher nicht im Sinn, als das Gesetz verschärft wurde.
Aber jetzt sind wir in einer Situation, in der jede Nacktaufnahme auf dem Handy eines Jugendlichen zu einem strafrechtlichen Problem werden kann. Mehr als das: Wenn Eltern oder Lehrer in einem Chat eine Nacktaufnahme sehen und beispielsweise einen Screenshot davon machen, um etwas gegen unerlaubt verteilte Nacktaufnahmen zu unternehmen, machen sie sich strafbar!
Und weil es sich nach dem neuen Gesetz um ein Verbrechen handelt, das sogar mit Haftstrafen belegt ist, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft der Sache nachgehen. Der Richterbund warnte unjüngst vor dieser überschießenden Strafverfolgung gegen Kinderpornografie. Hier muss unbedingt nachgebessert werden, damit das Gesetz nicht ständig die Falschen trifft.
Aktion #dontsendit vom BKA
Nun hat das Bundeskriminalamt (BKA) eine Kampagne gestartet, um Jugendliche vor der Problematik und der Gefahr zu warnen, durch die Verbreitung von Nacktbildern/Nudes strafbare Handlungen zu begehen.
Das BKA hat zwei Videos gemacht und verteilt sie auf Social Media. Eins mit einem Jungen, eins mit einem Mädchen – beide chatten gerade im Messenger und werden aufgefordert, doch mal Nacktbilder zu machen. Was sie dann auch tun, wie angedeutet wird. Dann hören wir eine strenge Stimme: „Ist dir das eine Straftat wert? Dontsendit.“
Finde ich ehrlich gesagt nicht so gelungen. Denn hier wird den Jugendlichen lediglich mitgeteilt: Du könntest eine Straftat begehen… Was prinzipiell stimmt, aber nicht in jedem Fall. Das Video erzeugt Druck, anstatt Hilfe anzubieten. Es vermittelt den Eindruck: „Die Polizei sieht dich – und dann gibt’s Ärger“. Dabei ist eine Nachtaufnahme, die Jugendliche von sich selbst freiwillig machen, erst mal straffrei.
Kompliziertes Regelwerk
Die Regeln sind ja auch kompliziert. Wie soll man da nur durchblicken?
Die Regeln sind schwierig, genau – besonders für Jugendliche. Und da hilft ein drohendes „Ist es das wert?“ von der Bundesinnenministerin nicht wirklich weiter, finde ich.
Sehr viel besser macht es da die Landesanstalt für Medien NRW. Die haben nämlich eine gut gemachte Info-Webeseite gebaut, die sich unter safer-sexting.de erreichen lässt.
Hier können sich Jugendliche, aber auch Eltern und Lehrer informieren, wie das alles mit der rechtlichen Situation genau aussieht, was man machen darf – und was eben nicht. Es gibt auch parallel Informationskampagnen an und für Schulen. Und die drei wichtigen Regeln für Jugendliche lauten:
- Möchte die andere Person die Fotos überhaupt sehen?
- Schickt Ihr Euch auch wirklich nur Fotos, die euch selbst zeigen?
- Vertraust Du der anderen Person?
Das ist in meinen Augen viel hilfreicher, als wenn die Jugendlichen dank BKA-Video nur die Handschellen klicken hören.