Fake-Interview und andere KI-Stilblüten

Künstliche Intelligenz (KI) hat Einfluss auf die Medien. Die berühmten Fake-Bilder vom Papst sind ein Belege dafür. Ein anderer: Ein Blatt der Regenbogenpresse, das ein Fake-Interview mit Michael Schumacher auf der Titelseite als „Weltsensation“ verkauft – und die Leser bewusst täuscht.

Ein Interview mit Michael Schumacher – das wäre wohl das, was jede Redaktion zu Recht als einen „Coup“ bezeichnen würde. Vor zehn Jahren ist der Formel1-Pilot beim Skifahren verunglückt – und seitdem nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Wie es ihm geht ist unklar. Schumachers Familie hat entschieden, ihn und seine Privatsphäre konsequent zu schützen.

Doch die Zeitschrift „die Aktuelle“ verspricht ein Interview. „Das erste Interview“ steht fett auf der Titelseite, neben dem Gesicht von Schumi. Doch das Problem: Das Interview hat es nie gegeben. Jedenfalls nicht mehr Michael Schumacher. Es musste eine KI herhalten… Und das ist deshalb ein Thema für uns.

Die Aktuelle: Fake-Intervie als „Weltsensation“ verkauft

Es ist wirklich kaum zu fassen: In der aktuellen Ausgabe, übrigens nicht etwa online, sondern gedruckt, bringt einen strahlenden Michael Schumacher auf der Frontseite. Daneben steht „Weltsensation“. Und in riesigen Lettern: „Das erste Interview“. Damit ist die Sache doch klar: „Die Aktuelle“ hat mit dem Weltmeister gesprochen. Ich kann mich erinnern, die Werbung dafpr gesehen zu haben – und war erstaunt…

Doch wer sich das Cover genauer anschaut, liest auch ein deutlich Kleineres „Es klingt täuschend echt!“ und „Was dahintersteckt: die Aktuelle auf Spurensuche“ darunter. Hinweise, dass es wohl doch kein echtes Interview sein könnte – was aber kein Schumi-Fan mehr wahrnimmt, so wie ein Formel1-Pilot auf der Rennstrecke auch nicht die T-Shirt-Farbe der Fans identifiziert.

Im Inneren des Heftes eine mehrseitige Strecke mit aneinandergereihten Mutmaßungen – und einem Fake-Interview, der mit einer KI unter character.ai geführt wurde. Dazu muss man wissen: Auf dieser Webseite kann man mit Prominenten „sprechen“. ChatGPT verwendet Sprachstil und Inhalte der Personen. Eine pure Simulation.

Die Aktuelle hat ein Fake-Interview auf die Titelseite gehoben
Die Aktuelle hat ein Fake-Interview auf die Titelseite gehoben

Kennzeichnungspflicht hilfreich?

Aber „Die Aktuelle“ verkauft es als Interview. Die Familie von Michael Schumacher hat bereits – und das völlig zu Recht! – rechtliche Schritte angekündigt.

Jetzt höre ich häufig die Frage: Müsste man solche KI-erzeugten Inhalte nicht eindeutig kennzeichnen?

Wer den Text liest – Artikel möchte ich das nicht nennen – wird schon damit konfrontiert, dass das „Interview“ von KI kommt. Ob es juristisch anfechtbar ist, wird sich zeigen. Allerdings wird beim ersten Anschein der Eindruck erweckt, es handle sich um ein echtes Interview. „Mein Leben hat sich total verändert“, steht in riesigen Lettern neben Schumis Gesicht. Es ist perfide, eiskalt kalkulierend und geschmacklos.

Schlimmer als die Fake-Papstfotos, über die wir hier auch schon gesprochen haben. Das Beispiel ist aber ein Lehrstück, denn es ist ein wunderbarer Beleg dafür, wie sich nicht nur mit KI erstelle Fotos, Videos oder Audios missbrauchen lassen, sondern sogar Texte. Wer sie nur entsprechend verpackt, kann sich der Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein.

Regenbogenpresse schert sich häufig nicht um die Befindlichkeiten von Menschen. Dieses Beispiel ist aber eine neue Dimension, da KI-Inhalte zum Gegenstand der angeblichen „Berichterstattung“ gemacht werden.

Mögliche Formen der Regulierung

Und genau darüber haben wir schon öfter gesprochen: Durch KI erzeugte Inhalte, ob Fotos, Videos, Audios oder eben auch Texte sind im Zweifel nicht sofort als künstlich erzeugt zu erkennen.

Häufig zu hören ist die Forderung: Durch KI erzeugte Inhalte sollen gekennzeichnet sein. Das klingt auf den ersten Blick erst mal plausibel und richtig. Wenn das Foto des Papst in Luxusklamotten ein Wasserzeichen hat, das die Herkunft KI eindeutig belegt, dann ist man wenigstens gewarnt. Aber das muss man zu Ende denken. Erstens kann so eine Kennzeichnung abgeschnitten werden – oder möglicherweise mit Gegen-KI auch entfernt.

Und machen wir uns nichts vor: Kein Betrüger der Welt wird freiwillig eine Kennzeichnung in seinen künstlich erzeugten Medien einarbeiten lassen. Und da viele KI-Systeme frei zugänglich sind, kann sie auch jeder benutzen – und bestimmen, wie. Es ist unmöglich, alle KI-Systeme so abzuschotten, dass man sie entweder nur mit Kennzeichnung verwendet oder gar nicht – selbst wenn man sich weltweit darauf verständigen sollte, was nicht passieren wird.

Aber irgendwas müssen wir doch machen!?

Das stimmt: Viel sinnvoller wird es aus meiner Sicht auf Dauer wohl sein, echte Inhalte zu kennzeichnen: Fotos von Agenturen, Fernsehbilder von seriösen Sendern, Texte, die von Menschen erstellt wurden. Dann haben die Menschen eine Orientierung. Glauben müssten sie es erst mal. Es gibt jetzt schon einen Badge „Created by human“, den man an seine Inhalte pappen kann, um zu zeigen: Seht her: Ich mache meine Inhalte noch selbst, ob Texte, Audios, Videos oder Fotos.

Ein nächster Schritt wird sein, technische Mittel als Echtheitszertifikat einzuführen –wie das gute alte Siegel. Dann werden Texte, Audios, Fotos und Videos aus offiziellen, seriösen Quellen gekennzeichnet. Wenn man das mit der Blockchain macht, ist das auch fälschungssicher. Dann wären wenigstens die wichtigen Dinge, etwa eine offizielle Rede, als „echt“ zu identifizieren – und bei allen anderen Inhalten bestünden zumindest schon mal berechtigte Zweifel. Wir werden nach Lösungen suchen müssen. Und wir alle müssen medienkompetenter werden und alles kritisch hinterfragen. Selbst angebliche Interviews.

 

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