KI im Journalismus: Es gibt gute und schlechte Nachrichten

von | 22.09.2023 | Digital

Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch. Vor allem in Journalismus spielen KI-Modelle heute schon eine gewisse Rolle – und bald schon eine große. KI kann Arbeit von Journalisten erleichtern und optimieren, aber erhöht auch den Arbeitsaufwand, etwa bei der Begutachtung von Quellen.

Künstliche Intelligenz – KI: Spätestens, seitdem ChatGPT das Licht der öffentlichen Welt erblickt hat – und das war im November 2022 – sprechen doch irgendwie alle und dauerhaft über die Chancen und Risiken von KI. Denn KI ist plötzlich nicht mehr nur eine Sache von Wissenschaftlern in großen Rechenzentren.

Alle können KI einsetzen. Auch im Journalismus wird damit experimentiert: Was kann KI, was kann KI nicht. Welche Chancen bestehen möglicherweise sogar, sich lästige Routineaufgaben abnehmen zu lassen. Darüber wurde diese Woche auch auf einem zweitägigen Treffen des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger in Mainz gesprochen. Dort wurde deutlich: Erste Versuche gibt es, die zeigen, wie sich der Journalismus durch KI verändern könnte und verändern wird.

Chatbots schreiben gute Texte

Chatbots schreiben gute Texte

Kölner Express und Klara Indernach

Ein Beispiel, das diese Woche kontrovers diskutiert wurde, ist eine Rubrik beim Kölner Express. Eine Rubrik wurde komplett von KI bestückt.

Der Kölner Express hat beschlossen, eine virtuelle Mitarbeiterin zu erschaffen: Klara Indernach. Man beachte die Initialen: KI. Klara Indernach schreibt praktisch rund um die Uhr Texte. Allein am Dienstag waren es 13 Texte. Der erste vor 8 Uhr, der letzte nach 23:52 Uhr. Eine ungewöhnliche Arbeitsmoral. Alle Themen werden behandelt: Sport, Service, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Verbrechen, Lokalgeschichten.

Die Texte sind im typischen Express-Stil geschrieben. Einfache Sätze. Laut schreiende Überschriften. Es gibt ein schickes Foto einer attraktiven jungen Frau über den Artikel.

Und darunter steht, in ganz klein: „Dieser Text wurde mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erstellt.“ Also mit einem Chatbot. Die Redaktion füttert den Chatbot mit Stichworten und lässt einen Text schreiben. Die Texte werden nach Auskunft der Redaktion noch ein wenig nachjustiert – und veröffentlicht.

Express: KI schreibt Texte - aber Zeitung macht es nicht ausreichend deutlich

Express: KI schreibt Texte – aber Zeitung macht es nicht ausreichend deutlich

KI erstellt Texte

Liegt da also die Zukunft: KI schreibt Texte oder fasst Nachrichten zusammen?

Warum nicht: Praktisch alle Redaktionen haben zu kämpfen, müssen sparen. Das könnte also eine Möglichkeit sein. Chatbots erstellen heute durchaus respektable Texte; vor allem ChatGPT kann gute Texte erstellen. Es ist gar kein Problem, Sportergebnisse, die sowieso immer gleich klingen, oder auch Wettervorhersagen oder regionale Nachrichten von einem Chatbot erstellen zu lassen.

Da muss experimentiert werden –  und das wird auch gemacht, in der Verlagsbranche. Es ist wichtig, es klar zu kennzeichnen, wenn Chatbots zum Einsatz kommen. So wie es der Express gemacht hat, ist es eher eine Täuschung – weil sogar ein Bild der angeblichen Redakteurin zu sehen ist. Das ist, zumindest in meinen Augen, keine klare Kennzeichnung.

KI kann Sprache und Texte übersetzen

Längst können KI-Modelle ja nicht nur Texte, sondern auch Bilder oder sogar Videos erstellen. Siehst Du da einen sinnvollen Einsatz im Journalismus?

Absolut. Auch hier gilt: Solange entsprechend und vor allem deutlich gekennzeichnet, ist nichts dagegen zu sagen, wenn KI zum Einsatz kommt. Ein sehr aktuelles Beispiel: Der chinesische Anbieter Heygen erstellt auf Knopfdruck Videos von Menschen, die Texte sprechen. Man wählt den Avatar aus, stellt den Text ein – geschrieben! –, und Heygen erzeugt eine sprechende Figur, die mit natürlicher Stimme spricht.

Man kann sogar selbst ein Video aufnehmen, etwas sagen, in deutsch – und Heygen übersetzt das Video in andere Sprachen.

Dazu muss man nur ein Video von sich selbst hochladen, die Zielsprache auswählen – derzeit stehen Italienisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Hindu und einige mehr zur Auswahl. Und es entsteht ein Video, in dem ich zu sehen bin, in dem ich zu hören bin, mit meiner Stimme, aber ich spreche eine fremde Sprache.

Im Video ist alles lippensynchron. Das sieht nicht perfekt, aber doch sehr gut aus. Es wäre also möglich, dass Artikel, sogar Fernsehsendungen übersetzt und so einem viel größeren, internationalen Publikum zugänglich gemacht werden. In Japan experimentieren Fernsehsender bereits mit Avataren, die Nachrichten präsentieren.

Mit Heygen lassen sich gesprochene Texte im Video übersetzen

Mit Heygen lassen sich gesprochene Texte im Video übersetzen

KI erschwert Recherchen

Man kann also sagen: An dem Einsatz von KI in den Medien führt kein Weg mehr vorbei.

Aber als Leser will ich mich ja auch darauf verlassen, dass ich da nicht mit KI getäuscht werde?

Absolut. Und kommen wir Journalisten wieder ins Spiel. Denn Journalisten haben jetzt schon und werden in Zukunft immer häufiger Dokumente, Fotos oder Videos zu sehen bekommen, bei denen sie sich fragen müssen: Echt – oder mit KI erstellt?

Die Recherche und die Prüfung von Quellen wird nicht einfacher, die wird schwieriger. KI wird zur Täuschung verwendet – und Journalisten müssen das bedenken und einen Weg finden, den Dingen auf den Grund zu gehen. Das macht die Arbeit zweifelsohne schwieriger.