Die aktuelle Kriminalitätsstatistik weist eine Besonderheit auf: Nicht nur ist die Zahl der registrierten Straftaten um 11,5% deutlich gestiegen, das gilt auch und besonders für minderjährige Kinder. Und dafür gibt es einen plausiblen Grund: Sexting.
Die Zahl der registrierten Straftaten hat im vergangenen Jahr überraschend stark um 11,5 Prozent zugenommen. So zu entnehmen der neuen, gerade erst von Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgestellten offiziellen Kriminalitätsstatistik. Überraschend und ebenso erschreckend: Die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen ist im vergangenen Jahr dramatisch gestiegen – auch und besonders in einem Segment, wo man das vielleicht nicht unbedingt erwarten würde. Und zwar bei der Verbreitung von Kinderpornografie im Netz. Eine Tatsache, die Polizei, aber auch Eltern alarmiert, vor allem, weil viele Minderjährige in Unkenntnis handeln.
Anteil der Tatverdächtigen unter 18 Jahren liegt bei 41,1%
Der Anteil der Tatverdächtigen unter 18 Jahren bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellung an Kindern liegt bei 41,1 Prozent. Erstaunlich hoch. Wie kommt das?
Einer der Gründe für den erheblichen Anstieg liegt in einer Gesetzesverschärfung durch die vorhergehende Bundesregierung. Unter dem Eindruck mehrerer aufsehenerregender Missbrauchsfälle gab es den Ruf nach härteren Strafen.
Das wurde dann auch gemacht, allerdings ohne die Folgen zu bedenken. Dadurch gab es plötzlich keine minderschweren Fälle mehr, in denen ein entsprechender Sachverhalt als Vergehen eingestuft werden konnte. Seit der Verschärfung gelten alle Anzeigen automatisch als Verbrechen und Polizei und Staatsanwaltschaften sind zu Ermittlungen verpflichtet. Eine Einstellung kann es nicht mehr geben.
Und da sind wir bei den Jugendlichen: Die verbreiten solche Aufnahmen schon mal in Gruppen-Chats oder auf Snapchat, weil sie sie „cool“ finden, oder womöglich auch, weil sie ihren Schrecken teilen wollen, wenn ihnen solche Aufnahmen in die Hände fallen – freilich in Unkenntnis der Strafbarkeit. Strafrechtlich macht das aber eben keinen Unterschied – und hat dann eben Einfluss auf die Statistik.
Vorsicht: Auch Screenshots sind strafbar
Sexting – was soll das eigentlich sein? Der Begriff setzt sich zusammen aus dem englischen Begriff Texting, also der Bezeichnung für das Versenden persönlicher, digitaler Nachrichten und dem Begriff Sex. Und er beschreibt genau das: den digitalen Austausch erotischer Nachrichten, Fotos und Videos. Sexting kommt gar nicht so selten vor – für viele Jugendliche gehört Sexting mittlerweile zur Entdeckung der eigenen Sexualität dazu. Meistens macht das vor allem Spaß.
Aber was heißt in diesem Kontext „die machen sich strafbar“ genau: Wann gibt es denn konkret Strafen?
Wenn sich junge Menschen zum Beispiel selbst nackt fotografieren, ist das noch ihre ganz persönliche Sache. In dem Moment aber, in dem sie das weiterleiten an andere, was „Sexting“ genannt wird, kann es schnell strafrechtlich relevant werden – nicht nur für die Absender, sondern auch für die Empfänger.
Da es sich dabei nun generell um ein Verbrechen handelt und nicht mehr um ein Vergehen, drohen Strafen von mindestens drei Monaten bis zu 15 Jahren Haft. In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn es sich um organisierten Kindesmissbrauch handelt oder wenn es zu schwerwiegenden körperlichen Verletzungen der betroffenen Kinder gekommen ist, können die Strafen noch höher ausfallen.
Aufklärung durch die LfM NRW
Hört sich an, als ob da viel Aufklärungsarbeit nötig ist. Immerhin werden Jugendliche über diese Dinge informiert.
Es gibt eine entsprechende Kampagne der Landesanstalt für Medien NRW, die sich „Was’n Ding: Safer Sexting“ nennt, die klärt genau über dieses Themenfeld auf – und das sehr gut. Es geht eben darum, sehr achtsam mit Nacktbildern jeder Art zu sein. Mit den eigenen, und erst recht mit denen anderer. Es gibt eine extra gestaltete Webseite „Safer Sexting“ für Jugendliche. Es gibt aber auch Plakate und Informationsmaterial für Schulen.
Das ist sehr wichtig, damit die Jugendlichen wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Auch die Eltern müssen Bescheid wissen. Denn wenn sie problematische Inhalte sehen, dürfen sie strafrechtlich gesehen weder Screenshots anfertigen, noch Kopien, noch den Lehrern das Material weitersenden – alles strafbar. Viele handeln aus guter Absicht falsch. Das erklärt zumindest zum Teil den enormen Anstieg in der Kriminalitätsstatistik.
Vorbildfunktion: Recht am eigenen Bild achten
Also: Informiert sollten Eltern. Was können denn Eltern noch tun, damit ihre Kinder gar nicht erst auf die Idee kommen, solche Fotos zu verbreiten?
Ein sehr guter und wichtiger Punkt, den auch Medienpädagogen ansprechen, ist folgender: Kinder lernen heute von klein auf: Die Eltern machen ständig Fotos, auch von ihnen – und diese Bilder werden ungefragt gepostet und verteilt, an Verwandte und Freunde. Das ist aber ein falsches Verhalten – was sollen die Kinder daraus anderes lernen, als dass jeder alle Bilder verbreiten darf.
Eltern oder Erwachsene generell sollten lernen, generell zu fragen: Darf ich ein Foto machen? Darf ich die Aufnahme mit der Oma teilen? Nur so lernen Kinder und Jugendliche verantwortungsvollen Umgang mit dem Recht am Bild anderer. Wenn die Erwachsenen das ignorieren, darf man sich nicht wundern, wenn es die Kinder auch tun. In diesem Punkt haben auch Erwachsene enormen Nachholbedarf. Denn das Recht am eigenen Bild missachten Erwachsene Dutzende Male am Tag. Sogar und ganz besonders bei den eigenen Kindern. Unverzeihlich.