Proteste in Belarus: So organisieren sich die Gegner

Die Proteste gegen die Präsidentenwahl in Belarus haben sich zu einer Revolution ausgeweitet. Nach Schätzungen sind am Wochenende 200.000 Menschen auf der Straße gewesen. Aber wie organisiert man so etwas in einem Regime? Die Gegner von Lukaschenko haben keine Zentrale, keine etablierten Strukturen. Aber sie haben das Internet. Beim Organisieren der Proteste ist vor allem der Messenger-Dienst Telegram zum Einsatz gekommen.

Die Menschen in Belarus nutzen moderne Kommunikationsmittel wie den Messenger Telegram. Diese Messenger arbeiten sehr diskret. Hier ist nicht nur die Kommunikation verschlüsselt – sofern die richtigen Einstellungen gewählt werden –, sondern Kontakte und Metadaten sind es auch.

Wer bei Facebook oder Twitter etwas postet, lässt die ganze Welt wissen, was gerade geplant ist. Bei Messengern bekommen es nur die Leute mit, die einen Kanal abonnieren.

Der populärste Kanal ist „Nechta live“- „Nechta“ bedeutet „Irgendjemand“. Am 8. Augst, noch vor der Wahl, hatte Nechta live 330.000 Abonnenten. Heute, nach der Wahl. 2,1 Mio. Das ist fast jeder vierte Einwohner: Belarus hat 9,5 Mio. Einwohner. Beachtlich!

Werkzeuge sind ungemein wichtig

Es ist ungemein wichtig, dass diese Werkzeuge zur Verfügung stehen. Über den Messenger werden Aktionen verabredet: Wo und wann sich treffen, was ist geplant. Wo steht gerade die Polizei, wo wird kontrolliert, wo muss man aufpassen.

Die Polizei hat Funkgeräte – die Demonstranten und Gegner haben Telegram. Und nutzen das auch, um zum Beispiel Hilfe für Opfer zu organisieren.

Telegram wird aber auch genutzt, um Fotos und Videos weiterzugeben, etwa über Polizeigewalt. Nach der Wahl, am 12.8., sind viele Fotos oder Videos von festgenommenen Personen, die teilweise sogar gefoltert wurden, über die Telegram-Kanäle verteilt worden. Darunter auch Jugendliche und Kinder. Die Aufnahmen erreichen über Telegram Journalisten in aller Welt.

Die Machthaber gehen gegen die Onlinedienste vor

Das Regime blockiert immer wieder bestimmte Webseiten und Onlinedienste. Das lässt sich mit Spezial-Software wie VPN zumindest teilweise umgehen. Manchmal wird das Internet aber auch stark gedrosselt oder sogar komplett dicht gemacht. Das war kurz vor der Wahl zB der Fall. Da ging teilweise gar nichts mehr.

Was die Messenger betrifft: Abhören mit technischen Mitteln geht nicht. Aber die Behörden abonnieren die populären Kanäle einfach auch – und kriegen so alles mit. Oder sie zahlen dafür, dass ihnen Insider Tipps geben, was in kleineren, geschlossenen Kanälen besprochen wird. Das weiß man, weil die Polizei sich oft sehr schnell da aufhält, wo auch die Demonstranten treffen. Oder Polizisten kennen die Tür-Codes zu Häusern, die über Telegram vertraulich weitergegeben wurden.

 

 

 

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