Kennt ihr das? Ihr scrollt durch Instagram, seht ein stylisches Shirt für 9,99 Euro und denkt: „Was für ein Schnäppchen!“ Drei Klicks später habt ihr bestellt. Acht Wochen später kommt ein Lumpen an, der beim ersten Waschen zerfällt.
Willkommen in der Welt des chinesischen Online-Betrugs – einem Milliardengeschäft auf Kosten ahnungsloser Verbraucher.
Das große Täuschungsmanöver
Was gerade abläuft, ist keine Kleinigkeit. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat den Finger in die Wunde gelegt: Bei einer Stichprobe von 30 Online-Marktplätzen – von Amazon bis Zalando – fehlten überall wichtige Produktinformationen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter steckt ein System, das unsere Verbraucherrechte systematisch aushebelt.
Besonders dreist agieren chinesische Anbieter wie Temu und Shein. Während europäische Händler wenigstens versuchen, rechtliche Mindeststandards einzuhalten, pfeifen die China-Shops komplett auf EU-Recht. Das ist kein Versehen – das ist Geschäftsmodell.

Wie das Widerrufsspiel funktioniert
Hier wird’s richtig perfide: Ihr bestellt ein Produkt, es ist Schrott, ihr wollt es zurückgeben. Kein Problem, denkt ihr – schließlich habt ihr 14 Tage Widerrufsrecht. Pustekuchen! Der chinesische Händler sagt freundlich: „Gerne, schicken Sie das Produkt einfach nach Shanghai zurück. Porto zahlen Sie selbst.“
Kostenpunkt? Locker 30-40 Euro für ein 15-Euro-Produkt. Plus Zollgebühren. Plus das Risiko, dass das Paket auf dem Weg verschwindet und der Händler behauptet, es sei nie angekommen. Clever, oder? So wird aus dem gesetzlichen Widerrufsrecht eine teure Farce.
Ein Düsseldorfer wollte ein defektes Smartphone-Ladegerät für 15 Euro zurückgeben. Rücksendung nach China: 28 Euro. Der Anbieter bot gnädigerweise 30 Prozent Erstattung an. Das nennt sich dann „Kompromiss“.
Instagram als Betrüger-Paradies
Instagram ist zum Eldorado für China-Betrüger geworden. Dort laufen emotionale Mini-Dramen ab: „Nach 25 Jahren müssen wir schweren Herzens schließen!“ Tränenreiche Familiengeschichten, kombiniert mit „letzten Restposten“ zu Traumpreisen. Pure Manipulation – aber sie funktioniert.
Eine Kölnerin fiel auf so eine Instagram-Werbung rein. 45 Euro für ein „Designer-Kleid“. Geliefert wurde billiger Kunstfaser-Müll. Der beworbene „deutsche Kundenservice“ entpuppte sich als automatische E-Mail-Antworten in gebrochenem Deutsch.
Die Masche ist simpel: Professionelle Werbefotos klauen, emotionale Story erfinden, günstigen Preis anbieten. Bezahlt wird per Vorkasse – und weg ist das Geld.

Amazon: Das trojanische Pferd
Auch Amazon ist nicht sicher. Chinesische Betrüger haben zwei Lieblings-Tricks:
Trick 1: Account-Hijacking
Sie hacken bestehende Händler-Konten und verkaufen dort ihre Ramschware. Plötzlich bietet der Bastel-Shop, der sonst Perlen verkauft, 500 iPhones zum Spottpreis an. Die bisherigen positiven Bewertungen suggerieren Seriosität – dabei stimmt nichts mehr.
Trick 2: Fake-Bewertungen en masse
Über WhatsApp-Gruppen rekrutieren sie „Tester“, die gegen Bezahlung 5-Sterne-Bewertungen schreiben. Das Produkt dürfen sie behalten, dazu gibt’s noch Geld obendrauf. So katapultieren sich miese Produkte an die Spitze der Suchergebnisse.
Ein Essener kaufte Spielzeug für seine Tochter – angeblich von der „Müller GmbH“ aus Deutschland. Das Produkt enthielt Schadstoffe und die Firma existierte gar nicht. Willkommen in der Matrix.
Warum das System versagt
Die Dimension ist erschreckend: Schätzungsweise 80 Prozent der Waren auf deutschen Online-Marktplätzen stammen mittlerweile aus China. Viele davon entsprechen nicht unseren Sicherheitsstandards. Bei Elektronik drohen Brandgefahr, bei Spielzeug Vergiftungen, bei Kleidung Hautreizungen.
„Online-Marktplätze boomen – aber mit dem Wachstum steigt auch die Zahl unsicherer Produkte“, warnt Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Politik reagiert – aber viel zu langsam. Die EU-Kommission hat Verfahren gegen Temu und Shein eingeleitet, aber bis zu Ergebnissen vergehen Jahre.
So schützt ihr euch vor der Abzocke
Instagram & Facebook checken:
- Misstraut Werbung für Markenprodukte zu Traumpreisen
- Emotionale Stories („Geschäftsaufgabe“) sind meist erfunden
- Prüft das Profil: Wann erstellt? Wirken die Bilder professionell oder geklaut?
- Niemals Vorkasse an unbekannte Anbieter!
Amazon Marketplace durchleuchten:
- Achtet auf „Verkauf und Versand durch Amazon“ – das ist sicher
- Bewertungen kritisch lesen: Alle ähnlich? Alle aus kurzer Zeit?
- Bei gehackten Shops passen Bewertungen nicht zu aktuellen Produkten
- Deutsche Impressumspflicht: Seriöse Händler haben vollständige Kontaktdaten
Generelle Vorsichtsmaßnahmen:
- Rücksendeadresse vor Kauf prüfen: China = Alarmglocken
- Unbekannte Shops googeln plus „Betrug“ oder „Erfahrungen“
- PayPal oder Rechnung statt Vorkasse
- Faustregel: iPhone für 300 Euro? Das ist Betrug!
Im Ernstfall:
- Sofort bei Bank/PayPal Rückbuchung veranlassen
- Keine teure Rücksendung nach China
- Polizei informieren, Screenshots sammeln
- Fake-Shops bei Amazon melden
Das böse Erwachen kommt später
Das Perfide an der ganzen Sache: Viele merken den Betrug erst, wenn’s zu spät ist. Das Produkt ist da, das Geld weg, die Rücksendung unbezahlbar. Dann bleibt nur die bittere Erkenntnis: Ich bin reingefallen.
Die Betrüger kalkulieren genau damit. Sie wissen, dass die meisten Kunden bei kleinen Beträgen nicht den Aufwand für eine Anzeige betreiben. 20 Euro hier, 50 Euro da – bei Millionen Kunden summiert sich das zu Milliardenumsätzen.
Fazit: Online-Shopping wird immer mehr zum Minenfeld. Wer blind dem günstigsten Preis folgt, zahlt oft doppelt – erst mit Geld, dann mit Ärger. Wachsamkeit ist das beste Virenschutzprogramm gegen Online-Betrug.