BGH stärkt Anonymität im Netz

Bewertungsportale können sehr nützlich sein: Wir schauen nach, welche Erfahrungen andere mit einem Produkt, einem Service, einem Hotel, einem Restaurant oder einem Arzt gemacht haben. Kann aufschlussreich sein – aber auch Betroffene in die Verzweiflung treiben, weil Kommentare als unfair oder sogar falsch betrachtet werden. Ein Arzt aus Schwäbisch-Gmünd hat sich besonders geärgert über die Beurteilungen eines Patienten. Der hat fälschlicherweise behauptet, mehr als drei Stunden im Wartezimmer gesessen zu haben – und die Patientenakten würden im Wäschekorb gelagert.

Der Arzt wollte den anonymen Kommentator auf Schadenersatz verklagen. Verständlich, denn solche Kommentare können tatsächlich finanziellen Schaden bedeuten. Wenn aufgrund von Postings die Patienten ausbleiben, dann bedeutet das konkret Umsatzeinbußen. Der Arzt wollte vom Bewertungsportal Sanego wissen, wer die Beurteilungen geschrieben hat. Doch das Portal hat die Daten nicht rausgegeben. Sanego hat sich auf Paragraf 13 des Telemediengesetz (TMG) berufen. Das Gesetz sieht vor, dass Anbieter von Bewertungsportalen und Diskussionsforen ihre Nutzer wirkungsvoll schützen und eine anonyme Nutzung oder unter Pseudonym ermöglichen müssen. Was soll man sagen: Gesetz ist Gesetz, der BGH hat also vollkommen konsequent entschieden.

Ich muss zugeben, dass ich zwiegespalten bin, was Bewertungsportale anbelangt. Zum einen lassen sie sich kinderleicht manipulieren, zum anderen können sie aufschlussreich sein. Es gibt keine objektiven Kriterien – und manchmal ist gerade die subjektive Beurteilung interessant. Jeder bewertet, wie er will. Subjektiv. Nach eigenen Kriterien. Und oft genug wird einfach nur Dampf abgelassen.

Die möglichen Folgen interessieren viele nicht. Und das alles sogar ohne jemals Verantwortung übernehmen zu müssen, wie das aktuelle Urteil zeigt. Das ist problematisch, da sich jeder hinter dem Privileg der Anonymität verstecken kann. Da gehen mit dem ein oder anderen schon mal die Pferde durch – und das ist eigentlich unzumutbar. Auf der anderen Seite ist Anonymität oft auch sehr wichtig. Bedauerlich, dass manche dieses Privileg schamlos missbrauchen. Man kennt das auch aus Internetforen und Kommentarspalten.

 

BGH bestätigt Urteil zu Abo-Fallen

Versteckte Abzocke im Internet ist eindeutig rechtswidrig, das bestätigte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH urteilt eindeutig: Demnach sind versteckte Kostenfallen im Internet eindeutig Betrug.

Damit bestätigte der Strafsenat des BGH ein Urteil des Landgerichts Frankfurt aus dem Juni 2012. Im August 2012 wurden die Spielregeln für gebührenpflichtige Onlinedienste EU-weit verschärft, besonders für Abodienste. Die Kosten müssen gut erkennbar und eindeutig vor Abschluss des Vertrags mitgeteilt und dürfen nicht versteckt werden. Die Zahl der Abofallen hat sich dadurch enorm reduziert.

Eltern haften nicht grundsätzlich für File-Sharing der Kinder

Es kommt immer wieder vor: Wer Kinder im Haus hat, kann schwer kontrollieren, was die im Internet treiben. Wenn der Nachwuchs Filesharing-Dienste nutzt, um Musik oder Filme zu laden oder zu verteilen, droht eine kostenpflichtige Abmahnung durch Anwälte, teilweise auch erhebliche Schadenersatzforderungen.

Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt: Eltern haften nicht automatisch, wenn ihre Kinder eine Tauschbörse nutzen, selbst wenn diese bereits volljährig sind. Sie müssen ihre Kinder nicht generell darüber aufklären, dass solche Tauschbörsen illegal sind. Erst wenn Eltern Hinweise erkennen, dass ihre Kinder solche Dienste in Anspruch nehmen wollen oder könnten, ist eine solche Aufklärung erforderlich.

BGH schränkt gezielt an Kinder gerichtete Werbung in Spielen ein

BGH schränkt gezielt an Kinder gerichtete Werbung in Spielen ein

Kinder und Jugendliche spielen gerne an Computer und Konsole. Nicht wenige Anbieter nutzen das aus und versuchen den Minderjährigen sogar im Spiel etwas zu verkaufen. Wer zum Beispiel „Runes of Magic“ spielt, ein bei Jugendlichen beliebtes Online-Game, wird häufig zum Kauf von virtuellen Gütern wie Rüstungen oder Waffen animiert. Bezahlt werden kann mit einer kostenpflichtigen SMS.

Gegen diese Praxis hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen geklagt – und nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht bekommen. Klare Ansage der Richter: Die Hersteller müssten bei jugendlichen Spielern Zurückhaltung üben. Kaufanreize innerhalb des Spiels seien nicht zulässig, sofern sich die Werbung gezielt an Minderjährige richte.

Nun rätselt die Branche, ob Free-2-Play-Spiele generell von Jugendlichen nicht mehr gespielt werden dürfen. Denn Free-2-Play-Games sind kostenlos. Der Spieler zahlt für Extras im Spiel, darüber finanzieren sich die kostenlosen Angebote. Wenn keine Werbung gemacht werden darf, müssten jugendliche Spieler wohl generell ausgeschlossen werden. Die Bedenken lassen sich genauso auf Spiele-Apps für Smartphone und Tablet übertragen. Allerdings hat das Gericht Werbung nicht generell verboten.

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Google verliert vor dem BGH und muss Auto-Complete überarbeiten

Wer bei Google einen Suchbegriff eintippt, bekommt schon während der Eingabe Vorschläge gemacht, wonach man suchen möchte. Google versucht zu erraten, was der User eingeben will und präsentiert eine kurze Liste der am häufigsten gestellten Suchanfragen, die zur bisherigen Eingabe passen. Eine Funktion, die sich Autocomplete oder Autovervollständigen nennt – und mitunter für Ärger sorgt, denn regelmäßig erscheinen bei der Eingabe eines Namens ehrverletzende Begriffe. Ein Unternehmer hatte sich an den automatischen Vorschlägen der Suchmaschine gestört und geklagt. Wurde sein Name eingegeben, erschienen Begriffe wie „Scientology“ und „Betrug“ in der Autocomplete-Vorschlagsliste.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Google trägt die Verantwortung für die vom Algorithmus ermittelten Vorschläge. Der Konzern kann nicht einfach alles ungefiltert präsentieren, was der Algorithmus basierend auf den Suchanfragen der User für passend hält. Die Vorschläge hätten einen „fassbaren Aussagegehalt“, finden die Richter. Google muss deshalb prüfen, insbesondere wenn konkrete Beschwerden vorliegen, ob der inhaltliche Zusammenhang zwischen Namen und vorgeschlagenem Suchbegriff tatsächlich besteht. Bedeutet: Google muss Autocomplete entweder abschalten oder eine Möglichkeit zur Beschwerden vorsehen. Ob Google sich die Mühe machen will und eine Beschwerdestelle einrichtet oder ob Autocomplete in Deutschland abgeschaltet wird, steht noch nicht fest.

BGH-Urteil: Internet-Zugang gehört zur Lebens-Grundlage

Der Internetzugang geht nicht? Da haben Provider bislang gerne einfach mit den Schultern gezuckt oder bestenfalls ein „Tut uns leid“ gemurmelt. Doch das reicht in Zukunft nicht mehr. Laut Bundesgerichtshof gehört der Internetzugang heute zur Lebensgrundlage. Der Zugang zum Internet sei auch im privaten Bereich von zentraler Bedeutung für die Lebensführung, heißt es in einem Urteil.

Darum müssen Provider Schadenersatz zahlen, wenn der Zugang nicht zur Verfügung steht. Ein tatsächlicher Schaden muss der Kunde dazu nicht nachweisen. Allerdings dürfen sich Betroffene nicht auf große Summen freuen: Der Schadenersatz wird prozentual von den monatlichen Kosten berechnet.

Eltern haften nur bedingt für die Online-Aktivitäten ihrer Kinder

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Eltern haften nur sehr bedingt dafür, was ihre Kinder im Internet machen. Im vorliegenden Fall hat der Nachwuchs eine Tauschbörse genutzt. Dabei wurde Musik heruntergeladen und auch im Netz angeboten – beides ist illegal, daran gibt es nichts zu rütteln. Die Eltern wurden darum auf 3000 Euro Schadenersatz verklagt. Alle gerichtlichen Instanzen hatten den Forderungen der Musikindustrie zugestimmt und die Eltern zur Zahlung verdonnert.

Doch der Bundesgerichtshof sieht den Fall anders: Man kann von Eltern nicht verlangen, dass sie ihren Kindern die ganze Zeit über die Schultern schauen, argumentieren die Richter. Es reicht, wenn sie ihre Kinder ausreichend darüber aufklären, was verboten ist und was nicht. Auch Schutz-Software müsse nicht zwingend installiert sein.

Ein weises, ein kluges Urteil wie ich finde. Anderenfalls hätte es in deutschen Haushalten millionenfach chinesische Verhältnisse gegeben, mit Komplettüberwachung der Kinder, mit Misstrauen und Streit. Das bleibt jetzt aus – und das ist gut so.