Wo schlagen wir heute nach, wenn wir etwas wissen wollen? Richtig: Bei Wikipedia. Man kann wohl sagen, dass Wikipedia längst zum Synonym für Nachschlagewerke an sich geworden sind. Jüngere Menschen kennen schon gar keinen anderen Weg mehr, um etwas in einem Lexikon nachzuschlagen.
Doch so alt ist Wikipedia noch gar nicht: Heute feiert Wikipedia seinen 15. Geburtstag. Vor genau 15 Jahren ist Wikipedia an den Start gegangen – und hat einen enormen Erfolg hingelegt. Doch mittlerweile kriselt es durchaus.
Wie hat eigentlich alles angefangen?
Am 15. Januar 2001 wurde die Plattform wikipedia.com gegründet, ein kostenloses Nachschlagewerk, bei dem jeder mitmachen kann, das auf die „Schwarmintelligenz“ setzt. Was heute wie selbstverständlich wirkt war damals etwas ganz Neues, regelrecht Revolutionäres.
Schon zwei Monate später, im März 2001, gab es die deutschsprachige Fassung von Wikipedia. Wir Deutschen haben uns also schon sehr früh begeistern können. Mittlerweile gibt es 35 Millionen Artikel auf Wikipedia in 291 Sprachversionen (in der deutschsprachigen Ausgabe finden sich 1,9 Mio. Artikel), möglich gemach durch Tausende von Autoren und Redakteuren, die sich ehrenamtlich um die Inhalte kümmern. Ohne die Freiwilligen gäbe es kein Wikipedia.
Wikipedia ist kostenlos. Wie finanzieren die sich denn?
Über Spenden. Über 200 Millionen User weltweit konsultieren Wikipedia mindestens einmal im Monat. Denen wird immer zum Ende eines Jahres ein Spendenrauf präsentiert. Rund 25 Millionen Dollar sammelt Wikipedia so weltweit jedes Jahr ein, die meisten spenden so um die 20 Dollar pro Jahr. Dabei ist so viel Geld gar nicht nötig, sagen Kritiker. Der Organisation geht es finanziell blendend – und die freiwilligen Helfer bekommen davon nichts ab.
Das Geld ist für die IT-Technik bestimmt und für die Verwaltung. Die Wikimedia Foundation setzt mittlerweile auf 78 Millionen Dollar Vermögen. Es brodelt im Untergrund, denn viele fragen sich, wozu noch so aggressiv um Spenden geworben wird, wenn vieles von dem Geld gar nicht komplett für die Webseiten benötigt wird
Vielen gilt Wikipedia ja als die Wahrheit schlechthin. Was hier steht, ist die Realität – kann man das denn so sagen?
Das kann man natürlich von keinem Nachschlagewerk sagen, auch von keinem Expertenurteil – jedenfalls nie pauschal. Es gibt natürlich eine Wahrheit, die Frage ist nur, ob der Schwarm sie erkennt und richtig aufschreibt. 🙂 Da jeder bei Wikipedia mitmachen kann, kann auch jeder Fehler einschleusen, ob bewusst oder unbewusst. PR-Leute und Lobbyisten versuchen, Beiträge zu schönen – und der Rest der Bearbeiter-Mannschaft muss es wieder ausbügeln.
Die Frage ist halt, ob man immer alles entdeckt. Wir wissen vom falschen Vornamen vom Ex-Minister Guttenberg, der dann so auch ungeprüft in Zeitungen übernommen wurde. Das macht in etwa das Problem deutlich. Natürlich hatten und haben auch „professionell“ gemachte Nachschlagewerke, wie Brockhaus und Co. Fehler. Wikipedia auch. Problem – es könnten künftig mehr werden, weil sich eine gewisse Müdigkeit abzeichnet: Wikipedia laufen die Bearbeiter – also die Autoren und „Redakteure“ / Supernutzer (heißen die, oder?) davon. Die Motivation schwindet.
Warum schwindet denn die Motivation, bei Wikipedia mitzumachen – weil es kein Geld gibt?
Dass die Sache ehrenamtlich ist, weiß jeder. Aber der Umgangston unter den Bearbeitern wird immer rauher. Es bilden sich gewissen Hierarchien aus. Es gibt Besserwisser. Und hier hat nicht unbedingt der mehr zu sagen, der es qua Expertise besser weiß, sondern im Zweifel der, der länger dabei ist oder schon mehr Artikel geschrieben oder bearbeitet hat.
In den Wikipedia-Diskussionsforen ist von einem Geist der Zusammenarbeit nichts zu merken. Es wird gegiftet und geschimpft, so dass vielen Autoren das Mitmachen verleidet wird. Die schlechte Diskussionskultur ist ein Grundschmerz der Wikipedia. Viele Autoren verstehen ihre Arbeit nicht als Kooperation in einer Gruppe, sondern als persönliches Editierprojekt. Über die Laufzeit zeigt sich: Das wird zu einem Problem.
Das bemängeln nicht nur die Bearbeiter und Autoren von Wikipedia, das merken auch die User. Die Nutzungszahlen gehen nämlich langsam zurück. Im Internet ein untrügliches Signal: Hier gibt es ein Problem.
Auffällig und auch nicht unproblematisch ist allerdings die Zusammensetzung der Autoren und Redakteure, die ist überwiegend männlich. Wie sieht es da bei Wikipedia konkret aus?
In der Tat: Eine deutliche Mehrheit von etwa 90% der Autoren und Bearbeiter sind männlich. Es geht sogar noch konkreter: Junge, weiße, gebildete Männer. Das hat durchaus Auswirkungen auf die Auswahl der Themen, die in Wikipedia eine Rolle spielen, denn natürlich ist das männliche Weltbild ein anderes als das weibliche, Männer haben andere Interessenschwerpunkte.
So findet man zum Beispiel eine überaus umfangreiche Übersicht über Pornodarstellerinnen, findet aber wenig über Literatinnen. Der Themenschwerpunkt Technik und Internet ist deutlich stärker vertreten als zum Beispiel das Thema Mode. Auch wenn viele Menschen mitmachen, bekommt man eben nur einen Ausschnitt des Wissens präsentieren, und das auch mit einer gewissen Prägung und Gewichtung. Während man bei einem gekauften Lexikon weiß, wie die Kriterien für die Auswahl und Gewichtung aussehen, weiß man das bei Wikipedia nicht.
Wie sieht die Zukunft von Wikipedia aus?
Wikipedia ist ein wunderbares Projekt, krankt aber an einem Problem, das dem Internet generell innewohnt: Mangelnde Zusammenarbeit und vor allem mangelnder Respekt. Allzu oft wird das Internet als Schlachtfeld genutzt, um seine Meinung und Position durchzudrücken. Das könnte sich für Wikipedia zu einem ernsthaften Problem entwickeln.
Ich denke aber, dass Wikipedia noch die Kurve bekommt, dafür ist das Projekt einfach zu wichtig. Ich glaube aber auch, dass kommerzielle Nachschlagewerke wieder an Bedeutung gewinnen könnten, denn nun werden die Schwächen dieses Systems deutlicher. Eine andere Art von Nachschlagewerk hat eben auch Vorteile.