Jameda hat vor BGH verloren – was bedeutet das für andere Bewertungsportale?

Egal, wofür wir uns entscheiden wollen oder müssen, ob wir einen neuen Fernseher kaufen, ein Buch lesen, ein Hotel buchen, lecker essen gehen oder einen Flug buchen wollen: Es gibt Bewertungsportale für so ziemlich alles, die bei der Entscheidung helfen wollen. Sogar über Ärzte. Jameda heißt das Online-Bewertungsportal für Ärzte in Deutschland. Doch nicht alle Ärzte finden es klasse, von Patienten bewertet zu werden. Jetzt musste Jameda eine Schlappe vor dem BGH einstecken – und sein Geschäftsmodell ändern.

BGH hat sich Jameda genauer angeschaut

Aber warum wurde eigentlich vor dem BGH verhandelt?

Wir haben 275.000 Ärzte und Heilberufler (etwa Physiotherapeuten) in Deutschland. Ausnahmslos alle sind bei Jameda gelistet. Man kann zum Beispiel nach einem Hautarzt in Paderborn suchen. Patienten können die Ärzte bewerten, mit Schulnoten, etwa Kompetenz, Wartezeit, Freundlichkeit, genommene Zeit, Parkmöglichkeiten etc. und auch Berichte schreiben. So sollen sich andere ein Bild vom jeweiligen Arzt machen können.

Gelistet ist jeder Arzt. Doch Ärzte, die ein kostenpflichtiges Paket buchen – Premium-Paket – können sich auf Jameda umfangreicher selbst darstellen und sind besser sichtbar. Eine Hautärztin aus Köln hatte geklagt, weil sie nicht bei Jameda auftauchen wollte – weil sie nicht bezahlt hat, erschienen unter ihrer Praxisadresse als Werbung die Adressen von Alternativen. Jameda hat ihr die Löschung verweigert.

Der BGH hat nun geklärt: Weil nicht die gebotene Neutralität vorliegt, hat die Ärztin ein Recht darauf, sich NICHT listen zu lassen.

Was bedeutet das für Jameda?

Wo ist aber der Nachteil, gelistet zu werden? Zum einen setzt man sich dem Risiko aus, auch schlecht bewertet zu werden. Nicht jeder will das. Nicht jeder will unqualifizierte Kommentare öffentlich lesen. Zudem hat Jameda unter dem Profil der Ärztin Anzeigen von anderen Ärzten gezeigt, man könnte auch sagen: Von der Konkurrenz. Das wollte die Dermatologin nicht.

geralt / Pixabay

 

Das Online-Bewertungsportal hat sofort seine Geschäftspraktik umgestellt. Ab sofort werden keine Anzeigen mehr gezeigt – also nicht zahlende Jameda-Profile haben nicht mehr den Nachteil, dass bei ihnen – und nur bei ihnen! – die Namen und Adressen von Mitbewerbern gezeigt werden.

Das war schon eine perfide Methode von Jameda: Sanfter Druck, um Praxen zu überzeugen, zu einem Bezahlmodell zu wechseln, weil doch jeder weiß, dass sich Konsumenten – und eben auch Patienten – heute vorab im Internet informieren. Ein neuer Patient kann mehrere Hundert Euro wert sein. Jetzt können Premium-Praxen nur noch ihre Profile aufhübschen, mit Videos und Zusatz-Infos oder mit der Möglichkeit, online Termine zu vereinbaren.

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Konsequenzen für andere Bewertungsportale

Knackpunkt des BGH-Urteils ist ja, dass es das Portal an der nötigen Neutralität mangeln lassen. Praktisch kein Vergleichsportal wird seiner selbst willen betrieben. Es ist immer ein Geschäftszweck damit verbunden. Tripadvisor zum Beispie verdient an über das Portal entdeckte und gebuchte Reisen.

Andere Portale bieten ähnlich wie Jameda eine herausragende Präsentation an. Wenn nicht alle Player gleichwertig und neutral präsentiert werden, könnte das für Vergleichsportale künftig häufiger zum Nachteil werden. Das ist aber ein wichtiges und richtiges Urteil, nicht nur, um Ärzte zu schützen, sondern auch, um Konsumenten zu schützen, die ansonsten gerne schon mal getäuscht werden.

AJEL / Pixabay

Kann man Bewertungen trauen?

Natürlich versuchen Ärzte immer wieder, sich schön bewerten zu lassen, von Freunden, von Verwandten, von vertrauten Patienten. Soll zumindest vorkommen. Oder Restaurantbesitzer motivieren Gäste zu guten Kritiken, Hotels ebenso. Oder die Konkurrenz schreibt man herunter. Das kommt überall vor.

Die großen Portale versuchen, auffällige Bewertungen zu entdecken und zu streichen, etwa wenn mehrere Bewertungen pro Tag von einer IP-Adresse kommen. Verdacht: Manipulation durch Agentur. Dass die meisten Bewertungen entweder besonders gut oder besonders schlecht sind, liegt daran, dass Menschen vor allem dann ihre Meinung aufschreiben, wenn sie „emotionalisiert“ sind, also beeindruckt oder verärgert.

Das macht die Sache aber auch nicht besser und zeigt schon: Einen tatsächlichen Querschnitt bekommt man nicht geboten. Und schon gar nicht weiß man, wer da bewertet. Am Ende ist es doch alles Glaskugel.

Mehr echte Kritiker bitte

Echte Kritiker wissen, worauf sie achten müssen, um fair zu bleiben – bei aller Kritik. Sie kennen die Regeln. Und sie haben Expertise. Hobby-Kritiker haben all das in der Regel nicht. Sie nutzen das Machtmittel Bewertungsportal – und das hat zwar seinen Charme, birgt aber auch ein immenses Risiko. Ein Verrückter kann einen Laden runterschreiben, vielleicht sogar völlig unberechtigt. Mit einer fairen Beurteilung hat das nicht sonderlich viel zu tun. Man sollte Bewertungsportale also auch nicht zu ernst nehmen.

 

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