Was bringt Handy-Tracking bei #Corona?

von | 24.03.2020 | Digital

Derzeit werden verschiedene Lösungen diskutiert, wie sich mit Hilfe digitaler Daten – etwa Bewegungsdaten im Handy – die Ausbreitung von Corona ausbremsen lässt. In einigen asiatischen Ländern wurden damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Hierzulande stoßen solche Ansätze aber auf Gegenwehr.

In Zeiten von Corona müssen wir uns von vielen lieb gewonnenen Gewohnheiten trennen. Umarmen. Küsschen. Beim Bier zusammensitzen. Und wer infiziert ist oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte, muss sogar in Quarantäne. 14 Tage lang. Das ist wohl eine der gröbsten Einschränkungen, die man sich in einer freien Welt vorstellen kann: Keine Bewegungsfreiheit mehr. Unter anderen Umständen würden wir das woh eher „Hausarrest“ nennen – denn genau das ist ja mit „Quarantäne“ gemeint. Mehr als das: Infizierte dürfen auch keinen Kontakt zu anderen Menschen pflegen.

Extrem unangenehm, keine Frage – aber bei genauer Betrachtung wird einem der Sinn doch deutlich. Keiner befürchtet, dass demnächst Hauarrest für Schwarzfahrer kommt. Oder für Pöbeleien im Netz (das wäre bestimmt sogar kontraproduktiv). Die Quarantäne wird als Ultima Ratio akzeptiert, um die Ausbreitung eines äußerst gefährlichen Virus einzudämmen.

Bitte keine Denkverbote: Was bringt etwas?

Wieso dann nur dieser enorme, reflexhafte Widerstand bei dem Gedanken, mit Hilfe der Digitalisierung die Infektionsrate zu reduzieren? Es kommt doch einem Denkverbot gleich, wenn solche Möglichkeiten nicht wenigstens sorgfältig geprüft werden, wenn man sich nicht das Für und Wider solcher hoffentlich mit Augenmaß vorgenommenen Maßnahmen anschaut. Die Frage muss doch lauten: Was lässt sich tatsächlich durch ein wie auch immer geartetes Tracking eines Smartphones – auch wückwirkend – erreichen, welchen Gewinn zieht die Gesellschaft daraus? Lassen sich wirklich Leben retten? Und welchen Preis zahlen wir damit?

Spart es Zeit und Energie beim ohnehin üblichen Interview-Verfahren des Gesundheitsbehörden? Ich habe den Eindruck: Auf alle Fälle. Warum nicht also einen Beitrag leisten, die Infektionsketten besser sichtbar zu machen? Mir gefällt die in Hannover und Hamburg entwickelte GeoHealth-App, da die sogar auf Freiwilligkeit beruht – und niemanden trackt, der das nicht möchte. Das ist doch ein guter Vorschlag, der nicht gleich in die Ecke der datenschutzrechtlichen Unanständigkeit gepfeffert gehört. Mit der App ließen sich auch zufällige Kontakte ermitteln – und möglicherweise Menschenleben retten!

Daten von Google und Facebook wären viel aussagekräftiger

Was ich allerdings auch nicht verstehe, wieso sich Bundesgesundheitsminister auf die Mobilfunkdaten stürzt. Vielleicht, weil es einfacher ist. Aber die Ortungsdaten von Google und Facebook sind viel detaillierter und lückenloser, da sie auch im WLAN funktionieren und so viel präziser sind. Warum nicht diese Daten heranziehen? Die User haben den Konzernen die Daten doch längst überlassen. Warum nicht für etwas Sinnvolles nutzen? Und wenn nicht von jeder und jedem, dann eben auf freiwilliger Basis: Wer sein OK gibt, hilft der Wissenschaft, indem die Bewegungsdaten der letzten 14 Tage ausgewertet werden.

In Südkorea, Hongkong, Singapur und nicht zuletzt China werden solche Apps und Funktionen genutzt – und es hat was gebracht: Die Ausbreitung wurde enorm verlangsamt. Ein effektes Werkzeug, scheint mir.

Bitte nicht missverstehen: Ich bin jederzeit für Datenschutz. Das wissen alle Leserinnen und Leser von Digitalistan. Aber nicht als Dogma. In diesem Fall wäre ich daher großzügiger – weil es um so viel geht. Und ganz sicher lassen sich Lösungen finden, die vertretbar sind: Indem die Userinnen und User zustimmen, Daten freiwillig hergeben – und überhaupt das alles zeitlich befristet ist. Denn natürlich soll so etwas nicht zum Alltag und zum beliebig einsetzbaren Werkzeug für Behörden werden.

So wie auch ein Hausarrest ansonsten eher schwer durchsetzbar ist.

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