Klemmbrett-Tracing – Datenschutz wie im Mittelalter

Die Frage nach der Datensicherheit wird sehr unterschiedlich diskutiert. Bei der Corona Warn App wurde ganz genau hingeschaut, um jedes Risiko für Datenmissbrauch auszuschließen. In Restaurants werden nun Daten auf antiquierte Art und Weise erfasst – ohne jede Rücksicht auf den Datenschutz.

Aktuell fällt es wieder, dieses Wort: Vorratsdatenspeicherung. Denn wer zum Friseur geht oder im Restaurant zu Mittag isst, muss ein Formular ausfüllen. Mit Kuli! Auf Papier! Die Behörden wollen, dass wir persönliche Daten notieren: Name, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, von wann bis wann und mit wem am Tisch gesessen.

Völlige Ablehnung der digitalen Lösung auf der einen Seite; Besucher-Tracing mit Klemmbrett auf der anderen Seite. Das ist Datenerfassung und Datenschutz wie im Mittelalter. Einem angeblich modernen Land völlig unwürdig.

Klemmbrett-Tracing – auch eine Form von Vorratsdatenspeicherung

Das Klemmbrett-Tracing fragt Daten „auf Vorrat“ ab. Denn die Daten im Formular dienen nur einem Zweck: Kommt es zu einer Infektion mit Corona, kann das Gesundheitsamt in den Unterlagen auf Papier nachschauen, wer gleichzeitig in einem Restaurant oder beim Friseur war wie der/die Infizierte.

Na ja, sofern sich die infizierte Person daran erinnern kann, wann sie wo gewesen ist. Mir erscheint das als eine völlig ungeeignete Form, mit dieser Herausforderung umzugehen.

Schon seit 2008 in Kraft

Mit einer anderen, sehr viel umfassenderen Version der Vorratsdatenspeicherung beschäftigen wir uns schon sehr lange. Bereits 2008 ist die eigentliche Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten.

Sie verpflichtet Provider, zahlreiche Kommunikationsdaten zu speichern: Telefon, Handy, Internet, SMS – wann hat wer mit wem wie lange telefoniert, gesimst, E-Mails ausgetauscht etc. Die Provider müssen die Daten wochenlang vorhalten. Für Polizei und Ermittlungsbehörden.

Polizei ist auf Daten angewiesen

Doch das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz wenige Monate später nahezu komplett einkassiert. Ein zu starker Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, so die Richter. Seit ziemlich genau fünf Jahren ist in Deutschland die zweite Generation der Vorratsdatenspeicherung (VDS) in Kraft. Eine deutlich abgemilderte Form.

Wir hören aktuell so wenig darüber, weil auch die derzeit auf Eis liegt: Das Oberverwaltungsgericht hält das Gesetz für unvereinbar mit EU-Recht. Deswegen speichern Provider in Deutschland aktuell keine Verbindungsdaten.

Die Polizei kann eindrucksvolle Beispiele nennen, wie wichtig solche Daten sein können, etwa bei der Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen im Netz (oft verharmlosend „Kinderpornografie“ genannt). Es braucht also eine Lösung. Aber die Politik ist bis heute nicht in der Lage, mit Augenmaß ein Gesetz zu formulieren, dass Polizei und Ermittlungsbehörden sinnvoll bei der Arbeit unterstützt, ohne ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte aller zu sein.

Wie wär’s mit einem kompletten Reboot?

Darüber haben Dennis Horn und ich auch in der aktuellen Ausgabe von Cosmo Tech gesprochen. Unser Vorschlag: Das Gesetz, das so viel Unruhe gestiftet hat und selbst von Gerichten immer wieder gekippt wird, ohne Wenn und Aber einmotten.

Wir brauchen einen Reboot: Es sollten sich alle zusammensetzen. Polizei, Juristen, Netzaktivisten, Techniker – und überlegen, wie es sich hinbekommen lässt, der Polizei bei Bedarf die nötigen Daten zur Verfügung zu stellen, ohne eine Massenüberwachung zu sein.

Kuli und Klemmbrett scheiden als Lösungsansatz definitiv aus.

 

 

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