EU Data Act: Wenn smarte Geräte endlich ehrlich werden müssen

von | 11.09.2025 | Digital

Ab 12. September 2025 herrschen neue Spielregeln für Millionen smarte Geräte in Europa. Der EU Data Act zwingt Hersteller erstmals dazu, transparent zu machen, welche Daten ihre Geräte sammeln und was damit passiert. Ihr habt endlich das Recht zu erfahren, was euer Saugroboter, Fitness-Tracker oder Smart-TV wirklich über euch weiß.

Die große Datensammelei war bisher ein Geheimnis

Jahrelang haben wir uns Gedanken über App-Berechtigungen auf dem Smartphone gemacht, während unsere Haushaltsgeräte unbemerkt Datenautobahnen ins Netz gebaut haben. Euer Smart-TV speichert, welche Sendungen ihr schaut und wann. Der Fitness-Tracker zeichnet nicht nur Schritte auf, sondern auch Herzrhythmus, Schlafphasen und jeden einzelnen Standort. Saugroboter erstellen detaillierte Grundrisse eures Zuhauses – inklusive Möbelstellung und Raumnamen.

Ein aktueller Fall aus den Niederlanden zeigt das Ausmaß: Ein Saugroboter übertrug ohne Wissen der Nutzer komplette Wohnungsgrundrisse an chinesische Server. Fitness-Apps verkauften Bewegungsdaten an Versicherungen. Sprachassistenten landeten in Werbenetzwerken. Selbst Apples neue AirPods messen mittlerweile euren Puls und speichern diese intimen Gesundheitsdaten.

Das ändert sich konkret für euch

Der EU Data Act verpflichtet Hersteller zu radikaler Transparenz. Statt schwammiger Datenschutzerklärungen müssen sie in verständlicher Sprache erklären:

  • Welche Sensoren aktiv sind und was sie erfassen
  • Wohin die Daten fließen – an Hersteller, Partner oder Drittanbieter
  • Wofür die Informationen genutzt werden – Produktverbesserung, Werbung oder Weiterverkauf
  • Wie lange Daten gespeichert bleiben und wo sie liegen

Noch wichtiger: Ihr bekommt verbindliche Verbraucherrechte. Jeder kann ab sofort verlangen, alle gespeicherten Daten einzusehen und löschen zu lassen. Hersteller dürfen grundlegende Gerätefunktionen nicht einschränken, wenn ihr der Datenverarbeitung widersprecht.

Welche Geräte sind betroffen?

Praktisch alles, was internetfähig ist und in eurem Haushalt steht:

  • Smart-TVs (zeigen bereits Cookie-Banner an)
  • Fitness-Tracker und Smartwatches (Herzrhythmus, GPS, Schlafanalyse)
  • Saugroboter (Raumkarten, Reinigungszeiten, Hindernisse)
  • Vernetzte Küchenhelfg (Kaffeemaschinen, Kühlschränke)
  • Smart-Home-Geräte (Heizung, Beleuchtung, Sicherheitskameras)
  • Vernetzte Autos (Fahrverhalten, Routen, technische Daten)

Die EU schätzt, dass über 500 Millionen vernetzte Geräte in europäischen Haushalten stehen. Jedes einzelne sammelt kontinuierlich Daten – oft ohne dass ihr es merkt.

Einstellungen zur Datennutzung und Privatsphäre

Die Krux: Transparenz allein stoppt nicht den Datenfluss

Hier wird es kompliziert. Theoretisch könnt ihr jetzt der Datenverarbeitung widersprechen. Praktisch funktionieren viele smarte Geräte nur mit aktiver Internetverbindung. Hersteller unterscheiden geschickt zwischen „erforderlichen“ und „optionalen“ Datensammlungen.

Beispiel Fitness-Tracker: Die Herzfrequenzmessung funktioniert offline, aber für die Schlafanalyse braucht das Gerät angeblich Cloud-Zugriff. GPS-Tracking ist „optional“, aber ohne geht die Routenaufzeichnung nicht. Wer die Datenübertragung komplett unterbindet, verliert oft wichtige Funktionen oder das Gerät wird zum teuren Briefbeschwerer.

Die Rechtslage ist eindeutig: Grundfunktionen dürfen nicht eingeschränkt werden. Was „grundlegend“ bedeutet, werden Verbraucherschützer und Juristen noch klären müssen.

Nicht alles ist schlecht: Die Chancen smarter Datensammlung

Bevor ihr alle Geräte vom Netz nehmt: Gezielte Datensammlung kann Leben retten. Smartwatches erkennen Vorhofflimmern zuverlässiger als gelegentliche Arztbesuche, weil sie rund um die Uhr überwachen. Diabetiker profitieren von kontinuierlicher Blutzuckermessung. Vernetzte Autos warnen vor Staus, Geisterfahrern oder Glatteis.

Sogar der umstrittene Standortverlauf hilft bei der Suche nach vermissten Personen. Das Problem war nie die Datensammlung an sich, sondern die fehlende Kontrolle darüber.

Datenschutzeinstellungen auf einem Bildschirm

So schützt ihr euch ab sofort

Grundabsicherung:

  • Aktiviert für alle Cloud-Dienste die Zwei-Faktor-Authentifizierung
  • Prüft regelmäßig, welche Geräte Zugriff auf eure Accounts haben
  • Ändert nach Trennungen alle Passwörter und entzieht Ex-Partnern den Zugang

Bei neuen Geräten:

  • Lest die Datenschutzeinstellungen bewusst durch statt alles zu bestätigen
  • Wählt minimale Datenfreigaben und aktiviert nur benötigte Funktionen
  • Nutzt lokale Speicherung wo möglich

Eure neuen Rechte nutzen:

  • Fordert Auskunft über gespeicherte Daten (kostenlos und innerhalb eines Monats)
  • Lasst nicht benötigte Daten löschen
  • Meldet Hersteller, die nicht transparent sind – sie handeln rechtswidrig

Kontrolle behalten:

  • Checkt mit der Google Bilderrückwärtssuche, ob private Fotos im Netz kursieren
  • Nutzt die Löschformulare der großen Plattformen (Löschquote über 90%)
  • Dokumentiert Verstöße per Screenshot für mögliche Beschwerden

Der Anfang einer neuen Ära

Der EU Data Act ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Schritt. Erstmals müssen Hersteller ehrlich sagen, was ihre Geräte wirklich tun. Die Zeiten blinder Datensammelei sind vorbei – zumindest in Europa.

Trotzdem bleibt die Grundfrage: Welche Bequemlichkeit ist euch eure Privatsphäre wert? Die EU hat euch die Werkzeuge gegeben, diese Entscheidung bewusst zu treffen. Nutzt sie.

Denn eines ist sicher: Je mehr wir unsere neuen Rechte einfordern, desto mehr werden Hersteller umdenken müssen. Transparenz ist der erste Schritt zu echtem Datenschutz.