Ein deutsches Startup aus Freiburg zeigt, dass Europa in der KI-Welt mitspielen kann – und wie. Mit ihrem Bildgenerator FLUX.1 fordern drei ehemalige Stability.AI-Entwickler die US-Giganten heraus. Die Geschichte von Black Forest Labs ist mehr als eine Erfolgsgeschichte – sie ist ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Tech-Szene.
Von München über London zurück in den Schwarzwald
Die Geschichte beginnt in München. Robin Rombach, Andreas Blattmann und Patrick Esser forschen an der Ludwig-Maximilians-Universität unter Professor Björn Ommer an den Grundlagen der künstlichen Bildgenerierung. Ihre Arbeit mündet 2022 in einer bahnbrechenden Veröffentlichung – daraus entsteht der Code für Stable Diffusion, eines der bekanntesten Open-Source-Bildgenerierungsmodelle überhaupt.
Doch dann folgt der klassische Tech-Move: Die drei gehen zu Stability.AI nach London. Als das britische Unternehmen 2024 wegen Urheberrechtsverletzungen unter Druck gerät und beinahe implodiert, ziehen Rombach und Blattmann die Konsequenzen. Im März 2024 verlassen sie das Unternehmen – nicht um aufzugeben, sondern um etwas Eigenes aufzubauen.
Sie gründen Black Forest Labs. Formell in den USA registriert (wie viele Startups, die auf US-Investoren angewiesen sind), aber mit klarem Hauptsitz: Freiburg im Breisgau. Mitten im Schwarzwald. Fernab von Silicon Valley, London oder Berlin. Und genau das macht diese Geschichte so besonders.

FLUX.1: Wenn ein Underdog die Giganten herausfordert
Am 1. August 2024 veröffentlicht Black Forest Labs FLUX.1 – und die Tech-Welt horcht auf. Innerhalb weniger Wochen wird der Bildgenerator mehrere Millionen Mal genutzt. Das ist kein Zufall. FLUX.1 übertrifft in mehreren Benchmarks etablierte Größen wie Midjourney v6.0, DALL-E 3 von OpenAI und SD3-Ultra von Stable Diffusion.
Was macht FLUX.1 so besonders? Die Modelle basieren auf einer hybriden Architektur aus multimodalen und parallelen Diffusion-Transformer-Blöcken – klingt kompliziert, bedeutet aber: bessere visuelle Qualität, präzisere Umsetzung von Textbeschreibungen (Prompt-Befolgung), überzeugende Typografie und beeindruckende Ausgabevielfalt. Besonders bei menschlicher Anatomie und Fotorealismus setzt FLUX.1 neue Maßstäbe. Dort, wo andere Modelle noch Probleme mit Händen oder Gesichtern haben, liefert FLUX.1 überzeugende Ergebnisse.
Mit 12 Milliarden Parametern gehört FLUX.1 zu den leistungsstärksten Bildgeneratoren weltweit. Und das Beste: In der schnellsten Version braucht es keine zehn Sekunden, um ein Bild zu erstellen.

Drei Modelle für jeden Bedarf
Black Forest Labs hat FLUX.1 clever aufgestellt – mit drei verschiedenen Varianten:
FLUX.1 [pro] ist das Flaggschiff. Das leistungsstärkste Modell mit maximaler Qualität, verfügbar über API und Plattformen wie Replicate, fal.ai oder die eigene API. Wer professionell arbeitet und höchste Ansprüche hat, greift zu dieser Version.
FLUX.1 [dev] richtet sich an Entwickler und Kreative. Es ist frei verfügbar für nicht-kommerzielle Zwecke und liefert nahezu die gleiche Qualität wie die Pro-Version, arbeitet aber effizienter. Ihr findet es auf Plattformen wie Hugging Face, Replicate und fal.ai. Diese Version eignet sich perfekt zum Experimentieren und Lernen.
FLUX.1 [schnell] ist der Sprinter unter den Modellen. Optimiert für Geschwindigkeit und lokalen Einsatz, generiert es Bilder in nur 1 bis 4 Schritten. Es steht unter Apache-2.0-Lizenz und kann sogar kommerziell genutzt werden. Die perfekte Wahl für alle, die schnell Ergebnisse brauchen.
Alle drei Modelle könnt ihr ausprobieren. Die schnellste Methode: Besucht Hugging Face, wo Black Forest Labs einen kostenlosen „Space“ für FLUX.1 [schnell] bereitstellt. Einfach Textprompt eingeben, kurz warten – fertig ist euer KI-generiertes Bild. Für fortgeschrittenere Nutzer bietet sich Replicate an, wo ihr auch Fine-Tuning betreiben und die Modelle mit eigenen Bildern trainieren könnt.
Mehr als nur Bilder: Die nächste Generation
Black Forest Labs ruht sich nicht auf dem Erfolg aus. Mit FLUX.1 Kontext präsentierte das Team eine Weiterentwicklung, die Bildbearbeitung per Textanweisung ermöglicht. Statt nur neue Bilder zu generieren, könnt ihr bestehende Bilder gezielt verändern: „Setze der Katze einen Hut auf“ oder „Verwandle den verschneiten Hintergrund in eine Frühlingslandschaft“. Das Modell analysiert den Bildinhalt und setzt eure Anweisungen präzise um.
Besonders clever: Ihr könnt iterativ arbeiten, also Schritt für Schritt Änderungen vornehmen, ohne dass das Bild seine Konsistenz verliert. FLUX.1 Kontext gibt es ebenfalls in mehreren Varianten ([max], [pro], [dev]) und kann im „Playground“ auf der Black-Forest-Labs-Website getestet werden.
Und das ist noch nicht alles. Das Team arbeitet an einem Videogenerator namens SOTA (State of the Art – ein kleiner Seitenhieb auf OpenAIs „Sora“, der seit Monaten angekündigt, aber kaum verfügbar ist). SOTA soll Videoinhalte in hoher Auflösung und beispielloser Geschwindigkeit erstellen. Ein Release-Datum steht noch nicht fest, aber die Erwartungen sind hoch.
Von null auf Unicorn in Rekordzeit
Die Zahlen sprechen für sich: Im August 2024 gegründet, war Black Forest Labs bereits Ende desselben Jahres ein „Unicorn“ – ein Startup mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar. Jetzt, kaum 14 Monate nach der Gründung, steht das Unternehmen vor einer neuen Finanzierungsrunde, die es auf vier Milliarden Dollar bewerten könnte.
Seit August 2024 soll das Startup seinen wiederkehrenden jährlichen Umsatz von null auf knapp 100 Millionen Dollar gesteigert haben. Damit hält Black Forest Labs nach eigenen Angaben 86 Prozent des kommerziellen Marktes für Bildgenerierung. Zum Vergleich: In Deutschland ist nur die auf KI spezialisierte Rüstungsfirma Helsing mit zwölf Milliarden Euro deutlich mehr wert.
Die Investorenliste liest sich wie das Who-is-Who der Tech-Welt: Andreessen Horowitz, einer der bekanntesten Venture-Capital-Investoren aus dem Silicon Valley, führt die Runden an. Dazu kommen General Catalyst, Y-Combinator-Chef Garry Tan und der schwäbische Investor Mätch VC. Die erste Seed-Finanzierung brachte 31 Millionen Dollar, die Series A über 100 Millionen Dollar.
Namhafte Kunden setzen bereits auf FLUX: Adobe, Canva, Microsoft, Netflix, Samsung, Snap, die Deutsche Telekom und der Burda Verlag. Meta hat eine zweijährige Partnerschaft im Wert von 140 Millionen Dollar abgeschlossen. Und dann war da noch die Zusammenarbeit mit Elon Musks X (ehemals Twitter), wo FLUX.1 zeitweise für Premium-Kunden zum Erstellen von Bildern genutzt werden konnte.
Licht und Schatten: Die Kontroverse
Doch nicht alles ist rosig. Mit großer Macht kommt große Verantwortung – und manchmal auch Kritik. FLUX.1 kann extrem realitätsnahe Bilder erzeugen. So realistisch, dass Nutzer auf X Bilder von Politikern in fragwürdigen Situationen oder mit Markenlogos wie Nike oder Coca-Cola posteten. Die Leitplanken, die andere Modelle eingebaut haben, scheinen bei FLUX.1 lockerer zu sein.
„Man sieht eine deutliche Verbesserung gegenüber anderen Modellen, aber offensichtlich wurden auch einige Leitplanken weggelassen, etwa bei der Verwendung von Markenrechten“, erklärt KI-Professor Björn Ommer. Black Forest Labs hat sich dieser Kritik gestellt und arbeitet mit der Internet Watch Foundation zusammen, um illegale Inhalte zu verhindern. Pre-Training-Filter und Post-Training-Mitigationen sollen Missbrauch verhindern.
Auch die Trainingsdaten sind ein Thema. Wie bei vielen KI-Modellen gibt es Vermutungen, dass FLUX.1 auf einer großen, möglicherweise nicht autorisierten Sammlung von Internetbildern trainiert wurde – eine Praxis mit potenziellen rechtlichen Konsequenzen. Black Forest Labs hat dazu keine genauen Angaben gemacht.

Warum diese Geschichte Hoffnung macht
Trotz dieser Herausforderungen ist Black Forest Labs ein Leuchtturm für die europäische und insbesondere deutsche KI-Szene. Das Startup zeigt: Es ist möglich, aus Deutschland heraus weltklasse KI-Technologie zu entwickeln und sich gegen die US-Giganten zu behaupten.
Mit nur 15 Mitarbeitern (Stand: aktuell) stemmt dieses Team, was anderswo hunderte Entwickler beschäftigt. Sie setzen auf Open Source und Transparenz – FLUX.1 [schnell] und [dev] sind frei verfügbar, damit jeder davon profitieren kann. „Wir glauben, dass generative KI ein grundlegender Baustein aller zukünftigen Technologien sein wird. Indem wir unsere Modelle einem breiten Publikum zugänglich machen, wollen wir ihre Vorteile allen zugänglich machen“, schreibt das Team auf seiner Website.
Diese Philosophie unterscheidet Black Forest Labs von vielen Konkurrenten. Während OpenAI zunehmend geschlossen agiert und Midjourney als Closed-Source-System läuft, setzt Black Forest Labs auf eine Balance: Kommerzielle Modelle für Unternehmen, offene Modelle für die Community.
So nutzt ihr FLUX.1 selbst
Neugierig geworden? Hier sind eure Möglichkeiten:
Für Schnelltests: Besucht den Hugging Face Space von Black Forest Labs. Dort könnt ihr FLUX.1 [schnell] kostenlos ausprobieren. Einfach Prompt eingeben und loslegen.
Für Entwickler: Ladet FLUX.1 [dev] oder [schnell] von Hugging Face herunter und nutzt die Python-Bibliothek „diffusers“. Der Code ist gut dokumentiert und lässt sich leicht in eigene Projekte integrieren.
Für Profis: Nutzt die API über bfl.ml, Replicate oder fal.ai. Hier habt ihr Zugriff auf alle drei Modelle, könnt Fine-Tuning betreiben und kommerzielle Projekte umsetzen.
Für Bildbearbeitung: Testet FLUX.1 Kontext im Playground auf der Black-Forest-Labs-Website. Ihr erhaltet 200 Credits zum Ausprobieren – das reicht für etwa 12 Bildgenerierungen.
Fazit: Ein deutsches Tech-Märchen?
Black Forest Labs ist mehr als nur ein erfolgreiches Startup. Es ist der Beweis, dass Deutschland im globalen KI-Wettrennen mithalten kann. Dass es nicht immer Silicon Valley oder Shenzhen sein muss. Dass Innovation auch aus Freiburg kommen kann.
Die drei Gründer haben aus ihren Erfahrungen bei Stability.AI gelernt, das Beste mitgenommen und Fehler vermieden. Sie haben ein Team von Spezialisten aufgebaut, das mit Leidenschaft und Expertise an der Spitze der Bildgenerierung arbeitet. Und sie haben eine Technologie geschaffen, die nicht nur technisch überzeugt, sondern auch für viele zugänglich ist.
Sicher, es gibt Herausforderungen. Die Fragen zu Trainingsdaten und Content-Moderation werden bleiben. Der Wettbewerb schläft nicht. Aber Black Forest Labs hat bewiesen, dass es den langen Atem und die technische Exzellenz hat, um zu bestehen.
In einer Zeit, in der oft über die digitale Rückständigkeit Deutschlands geklagt wird, ist Black Forest Labs ein ermutigendes Gegenbeispiel. Made in Germany funktioniert auch bei KI. Und vielleicht ist dies erst der Anfang einer neuen Generation deutscher Tech-Erfolgsgeschichten.
Weitere Informationen und Zugang zu den FLUX-Modellen findet ihr unter: blackforestlabs.ai, huggingface.co/black-forest-labs und replicate.com