Was ist Cloudflare – und warum legt ein einziger Ausfall das halbe Internet lahm?

von | 18.11.2025 | Internet

Ein einziger Dienstleister fällt aus – und plötzlich sind ChatGPT, X, Discord, PayPal und tausende andere Websites nicht mehr erreichbar. Genau das ist am 18. November 2025 passiert. Schuld war Cloudflare. Doch was macht dieser Dienst eigentlich? Und warum kommt es immer wieder zu solchen globalen Ausfällen?

Der große Ausfall: Als das Internet stillstand

Es begann gegen 12:48 Uhr MEZ mit ersten Störungsmeldungen. Plötzlich waren zahlreiche beliebte Websites und Dienste nicht mehr erreichbar. X (ehemals Twitter) zeigte kryptische Fehlermeldungen, ChatGPT verweigerte den Zugang, Online-Games wie League of Legends und Valorant ließen ihre Spieler im Stich. Selbst große Namen wie Uber, PayPal, IKEA und die Anime-Streaming-Plattform Crunchyroll waren betroffen.

Die Meldung auf vielen Websites war dieselbe: „Lassen Sie challenges.cloudflare.com zu, um fortzufahren.“ Für viele Nutzer ein Rätsel – denn sie wollten ja eigentlich nur auf ihre gewohnte Website.

Der Grund: Cloudflare, ein zentraler Knotenpunkt des Internets, hatte eine Störung. Gegen 15:42 Uhr meldete das Unternehmen schließlich, die Probleme seien behoben. Doch der Ausfall zeigt einmal mehr: Das Internet ist fragiler, als wir denken.

Interner Serverfehler mit Statuscode 500

Was ist Cloudflare eigentlich?

Cloudflare ist ein US-amerikanisches Unternehmen aus San Francisco, das als eine Art Schutzschild und Beschleuniger für Millionen von Websites fungiert. Mit über 70 Prozent Marktanteil ist Cloudflare das weltweit meistgenutzte Content Delivery Network (CDN) – ein System, das Websites schneller und sicherer macht.

Stellt euch Cloudflare wie einen gigantischen Puffer vor, der zwischen euch als Nutzer und der eigentlichen Website steht. Das Unternehmen betreibt über 330 Rechenzentren in verschiedenen Städten weltweit. Wenn ihr eine Website aufruft, die Cloudflare nutzt, landen eure Anfragen nicht direkt beim Server der Website, sondern zuerst bei Cloudflare. Dort werden die Inhalte im Cache gespeichert und von dem Rechenzentrum ausgeliefert, das euch am nächsten ist – idealerweise in weniger als 50 Millisekunden.

Das Prinzip ist clever: Statt dass jeder Nutzer von Australien bis Alaska auf einen einzigen Server in den USA zugreifen muss, verteilt Cloudflare die Inhalte global. Das macht Websites nicht nur schneller, sondern entlastet auch die ursprünglichen Server erheblich.

Die drei Hauptaufgaben von Cloudflare

1. Geschwindigkeit steigern: Als CDN speichert Cloudflare Kopien von Website-Inhalten auf Servern weltweit. Bilder, Videos, CSS-Dateien und andere statische Inhalte werden so aus der Nähe des Nutzers ausgeliefert. Das verkürzt Ladezeiten dramatisch – besonders für internationale Besucher.

2. Schutz vor Angriffen: Cloudflare fungiert als Schutzschild gegen DDoS-Attacken (Distributed Denial of Service). Bei solchen Angriffen versuchen Kriminelle, Websites durch Millionen gleichzeitiger Anfragen lahmzulegen. Dank seiner gewaltigen Server-Kapazität kann Cloudflare diese Angriffswellen abfangen, bevor sie die eigentliche Website erreichen.

3. Sicherheit erhöhen: Das Unternehmen bietet eine Web Application Firewall (WAF), die schädliche Anfragen filtert, sowie kostenlose SSL-Zertifikate für verschlüsselte Verbindungen. Cloudflare analysiert verdächtige Zugriffe und blockiert automatisch bekannte Bedrohungen.

Millionen Websites nutzen diese Dienste – von kleinen Blogs bis zu Giganten wie Uber und Fitbit. Laut Statistiken setzen etwa 11,6 Prozent der Top 10 Millionen Websites weltweit auf Cloudflare.

Interner Serverfehler mit Statuscode 500

Das Problem: Zu zentral, zu mächtig

Genau diese zentrale Position macht Cloudflare zum Single Point of Failure – einem einzelnen Punkt, dessen Ausfall enorme Konsequenzen hat. Wenn Cloudflare Probleme hat, sind nicht nur einzelne Websites betroffen, sondern potenziell Millionen auf einen Schlag.

Der Ausfall am 18. November ist dabei kein Einzelfall. Bereits im Juni 2024 gab es schwerwiegende Störungen, bei denen Access, WARP, Gateway und Zero-Trust-Funktionen über Stunden ausfielen. Im November 2023 kam es zu Problemen bei den Analysediensten, im Oktober 2023 gab es DNS-Ausfälle, und im Juni 2022 beeinträchtigte ein Ausfall den Datenverkehr in 19 Rechenzentren.

Diese wiederkehrenden Störungen werfen die Frage auf: Ist es klug, dass so viele Websites von einem einzigen Anbieter abhängig sind? Benjamin Schilz, CEO der Kommunikationsplattform Wire, bringt es auf den Punkt: „Wenn ein zentraler Netzdienst wie Cloudflare – der vor Millionen von Websites und Apps geschaltet ist – eine Störung hat, sind Kommunikation, Transaktionen und ganze digitale Dienste innerhalb von Minuten betroffen.“

Warum nutzen so viele Cloudflare?

Trotz der Risiken gibt es gute Gründe für die Popularität von Cloudflare. Das Unternehmen bietet einen kostenlosen Basis-Tarif, der für viele Privatpersonen und kleine Projekte völlig ausreicht. Selbst die kostenpflichtigen Tarife sind mit 20 US-Dollar pro Monat (Pro) oder 200 US-Dollar (Business) vergleichsweise günstig.

Die Einrichtung ist zudem kinderleicht: Man muss lediglich die DNS-Einstellungen seiner Domain ändern und auf die Cloudflare-Nameserver umstellen. Danach läuft alles automatisch – ohne Installation auf dem eigenen Server. Innerhalb von Minuten profitiert man von höherer Geschwindigkeit, besserem Schutz und weltweiter Verfügbarkeit.

Für Website-Betreiber bedeutet Cloudflare auch Kosteneinsparungen. Da das CDN die meisten Inhalte selbst ausliefert, werden weniger Daten vom ursprünglichen Hosting-Server übertragen. Das senkt die Bandbreitenkosten – oft ein bedeutender Posten bei stark frequentierten Websites.

Die Schattenseite: Abhängigkeit und Datenschutz

Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite. Wer Cloudflare nutzt, gibt einem US-Unternehmen Kontrolle über seinen Datenverkehr. Alle Aufrufe laufen über die Cloudflare-Server, was datenschutzrechtlich problematisch sein kann – insbesondere seit dem Ende des Privacy Shield-Abkommens zwischen EU und USA. Viele Datenschutz-Experten stufen Cloudflare als einwilligungspflichtig ein, sprich: Website-Betreiber sollten ihre Besucher um Zustimmung bitten.

Zudem unterliegt Cloudflare dem US Cloud Act, der amerikanischen Behörden unter bestimmten Umständen Zugriff auf gespeicherte Daten ermöglicht – auch wenn diese in Europa liegen. Für Unternehmen mit sensiblen Daten oder hohen Datenschutzanforderungen ist das ein ernstes Problem.

Ein weiterer Kritikpunkt: Durch die zentrale Position wird Cloudflare selbst zum attraktiven Angriffsziel. Gelingt es Angreifern, die Infrastruktur von Cloudflare zu kompromittieren, könnten Millionen von Websites auf einen Schlag betroffen sein.

Was können wir aus dem Ausfall lernen?

Der aktuelle Vorfall macht deutlich: Für kritische Unternehmens-Infrastrukturen ist es keine tragfähige Strategie mehr, sich allein auf einen einzelnen Anbieter zu verlassen. Die Frage lautet nicht, ob der nächste große Ausfall kommt, sondern wie gut Unternehmen darauf vorbereitet sind.

Experten raten zu einer Diversifikationsstrategie: Statt alle Eier in einen Korb zu legen, sollten Unternehmen auf mehrere Anbieter setzen oder zumindest Backup-Lösungen bereithalten. Auch eine Rückkehr zu dezentraleren Strukturen könnte das Internet robuster machen – allerdings oft zu Lasten von Geschwindigkeit und Komfort.

Für Privatnutzer und kleinere Website-Betreiber bleibt Cloudflare trotz gelegentlicher Ausfälle eine attraktive Lösung. Die Vorteile überwiegen meist die Risiken. Wichtig ist jedoch, sich der Abhängigkeit bewusst zu sein und gegebenenfalls einen Plan B in der Schublade zu haben.

Fazit: Fluch und Segen zugleich

Cloudflare ist eine Art Internet-Infrastruktur gewordene Dichotomie: einerseits ein brillanter Dienst, der das Web schneller, sicherer und zugänglicher macht. Andererseits ein zentraler Knotenpunkt, dessen Ausfall enorme Auswirkungen hat.

Mit über 330 Rechenzentren, Millionen geschützten Websites und einer Marktdominanz von über 70 Prozent ist Cloudflare aus dem modernen Internet kaum wegzudenken. Die wiederkehrenden Ausfälle zeigen aber auch: Zu viel Zentralisierung macht verwundbar. Die Internetgemeinde muss langfristig darüber nachdenken, wie sie Resilienz und Dezentralität mit den Vorteilen hocheffizienter, zentraler Dienste in Einklang bringen kann.

Bis dahin gilt: Cloudflare bleibt ein mächtiges Werkzeug – man sollte sich nur nicht blind darauf verlassen, dass es immer funktioniert. Denn wie der 18. November 2025 gezeigt hat: Wenn das Schutzschild des Internets selbst ins Wanken gerät, spüren das Millionen von Nutzern weltweit.