BGH-Urteil: Google muss nur bei nachweisbar falschen Angaben löschen

von | 23.05.2023 | Internet

Suchmaschinen wie Google finden selbst gut versteckte Artikel und Informationen – auch kritische und unerfreuliche. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Betroffene können nur dann verlangen, Treffer zu unterdrücken, wenn auf der Zielseite nachweisbar falsche Behauptungen gemacht werden.

Das Internet vergisst nichts, heißt es – und da ist nicht nur was dran, sondern es kann auch unangenehm für jeden von uns sein: Peinliche Fotoaufnahmen, im Zorn unüberlegt formulierte Debattenbeiträge, aber vor allem auch Artikel und Texte von Dritten, die Fehltritte, Skandale oder sogar Rechtsverstöße offenbaren.

Wie unangenehm, wenn eine Suchmaschine wie Google solche Fundstellen immer wieder für alle gut sichtbar an die Oberfläche zerrt, obwohl sie möglicherweise vor Jahren erschienen sind.

Der BGH hat eine wichtige Frage geklärt: Unter welchen Umständen ist Google gezwungen, einen Link aus dem Suchindex zu entfernen

Der BGH hat eine wichtige Frage geklärt: Unter welchen Umständen ist Google gezwungen, einen Link aus dem Suchindex zu entfernen

Persönlichkeitsrechts oder freie Informationen

Genau mit diesem Aspekt muss sich – zum wiederholten Male – der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Für morgen (23.05.2023) wird ein Urteil in einem bizarren Fall erwartet, der aber richtungsweisend sein könnte. Denn die obersten Richter entscheiden, unter welchen Umständen Google und andere Suchmaschinen gezwungen sein könnten, für eine Person unangenehme Treffer aus den Fundstellen zu entfernen.

Es geht um Persönlichkeitsrechte auf der einen und dem freien Austausch von Informationen auf der anderen Seite. Was wiegt schwerer: Dass die Allgemeinheit davon erfährt, dass eine Person wegen Rechtsverstößen verurteilt wurde – oder das Recht des einzelnen, dass irgendwann wieder Gras darüber wächst.

Seit 2017 existiert ein Recht auf Vergessenwerden

Es gibt sogar bereits Regeln dafür: Seit 2017 steht das „Recht auf Vergessenwerden“ in der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nun stellt sich die konkrete Frage: Welchen Aufwand muss eine Person betreiben, die bestimmte Informationen aus dem Netz entfernt haben möchte: Ist die Suchmaschine Google verantwortlich oder derjenige, der die betreffenden Informationen im Netz bereitstellt? Konkret: Kann man Google zum Vergessen zwingen – und wenn ja, unter welchen Umständen?

Verhandelt wird ein ungewöhnlicher Fall: Ein Paar aus der Finanzdienstleistungsbranche wollen unbedingt, dass Google einige Fundstellen auf US-Webseiten ausblendet. Dort sind einige Artikel erschienen, die die Geschäftspraktiken des Paars streng kritisieren und vor Anlagen dort warnen. Das Anlagemodell des Paars kommt in dem Artikel nicht gut weg. Garniert sind die Beiträge mit Fotos, die den Kläger am Steuer eines Luxuswagens zeigen, aber auch im Hubschrauber und vor Flugzeugen.

BGH verhandelt bizarren Sonderfall

Die Webseite, auf der die kritischen Artikel erschienen sind, ist allerdings kein seriöses Webangebote. Ein Vorwurf lautet, die Betreiber des Portals hätten die kritischen Artikel zur Erpressung genutzt: Wer zahlt, kann sich über positive Berichte freuen.

Keine Alltagssituation. Google argumentiert, das Unternehmen wolle und könne nicht zwischen wahr und unwahr entscheiden. Google ist nicht verpflichtet, selbst aktiv an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, erklärte der BGH-Senatsvorsitzende Stephan Seiters in einer früheren Sitzung. Das könne auch nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, denn anderenfalls schwinge sich Google zum Richter auf und lösche möglicherweise Beiträge aus dem Suchindex, nur um Frieden zu haben.

Betroffenen obliegt aktiv einen Nachweis zu erbringen, „dass die in einen Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind“, oder jedenfalls ein bedeutender Teil davon.

Das Konzept „Recht auf Vergessenwerden“

Das Recht auf Vergessenwerden ist ein Konzept im Bereich des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts. Es bezieht sich darauf, dass eine Person das Recht hat, bestimmte Informationen über sich selbst aus dem öffentlichen Raum zu entfernen oder löschen zu lassen, insbesondere im Zusammenhang mit Online-Datenbanken, Suchmaschinenergebnissen oder sozialen Medien.

Das Recht auf Vergessenwerden wurde vor allem durch Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geprägt, insbesondere das sogenannte „Google-Spain-Urteil“ von 2014. In diesem Urteil wurde entschieden, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google unter bestimmten Umständen verpflichtet sind, bestimmte personenbezogene Daten aus ihren Suchergebnissen zu entfernen, wenn die Informationen unangemessen, irrelevant oder nicht mehr relevant sind.

Das Recht auf Vergessenwerden ist jedoch kein absolutes Recht. Es muss ein Abwägungsprozess zwischen den Rechten und Interessen des Individuums und den Rechten der Öffentlichkeit sowie dem Informationszugang stattfinden. Es gibt bestimmte Faktoren, die bei der Entscheidung über die Löschung von Informationen berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Art der Informationen, die öffentliche Rolle der betroffenen Person, das öffentliche Interesse an den Informationen und die Zeit, die seit ihrer Veröffentlichung vergangen ist.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Recht auf Vergessenwerden keine automatische Löschung von Informationen aus dem Internet oder anderen Datenbanken bedeutet. Es erfordert einen spezifischen Antrag an den jeweiligen Datenverantwortlichen oder Suchmaschinenbetreiber, der dann die Gültigkeit und Relevanz des Antrags prüft.

Es ist zu beachten, dass die genaue Auslegung und Anwendung des Rechts auf Vergessenwerden je nach Land unterschiedlich sein kann, da die Datenschutzgesetze von Land zu Land variieren.

Google bietet Formular für Löschanträge

Bei ehrabschneidenden oder eindeutig illegalen Inhalten sieht es anders aus: Für solche Fälle hat Google sogar ein Formular, wo Betroffene einen Löschwunsch eintragen können.

Und wenn es sich um eindeutig illegale Inhalte handelt, die die Persönlichkeitsrechte einer Person verletzen, werden die Links von Google meist auch zeitnah entfernt.

Beobachter erwarten, dass die Kläger vor dem BGH scheitern. Mit einer Ausnahme: Die „Thumbnails“, die kleinen Vorschaubilder zum Artikel, die das Paar im Luxusleben schwelgend zeigen, dürften möglicherweise verboten werden, da diese von Google kontrolliert und unterdrückt werden können.

Die Entscheidung des BGH wird mit Spannung erwartet, da sie in diesen und ähnlichen Fällen als richtungsweisend verstanden wird.