ChatGPT wird zum Shopping-Portal: Wenn die KI zum Verkäufer wird

von | 12.10.2025 | KI

OpenAI mischt gerade das E-Commerce-Game ordentlich auf. ChatGPT shoppt jetzt für euch – und das könnte Amazon und Google richtig wehtun.

Stellt euch vor: Ihr sitzt gemütlich auf dem Sofa, tippt in ChatGPT „Zeig mir die besten Laufschuhe unter 100 Euro“ und zack – keine fünf Sekunden später habt ihr konkrete Produktvorschläge mit Bildern, Preisen und Bewertungen vor euch. In den USA geht’s sogar noch einen Schritt weiter: Dort kauft ihr direkt im Chat ein, ohne ChatGPT jemals zu verlassen. Willkommen in der Ära des „Agentic Commerce“ – und die verändert gerade alles, was wir über Online-Shopping zu wissen glaubten.

Was ChatGPT Shopping genau kann

Seit Ende September 2025 rollt OpenAI in den USA die Funktion „Instant Checkout“ aus. Die funktioniert verdammt einfach: Ihr fragt ChatGPT nach einem Produkt, der Chatbot zeigt euch passende Artikel – und wenn ihr einen davon kaufen wollt, klickt ihr einfach auf „Buy“. Ein paar Taps später habt ihr eure Bestellung abgeschickt, ohne den Chat zu verlassen.

Das Ganze startet mit Etsy-Verkäufern und wird bald auf über eine Million Shopify-Händler ausgeweitet. Namen wie Glossier, SKIMS, Spanx und Vuori sind bereits mit an Bord. Die Bezahlung läuft über Apple Pay, Google Pay, Stripe oder klassisch per Kreditkarte. Vorerst funktioniert das nur für einzelne Artikel – Warenkörbe mit mehreren Produkten sollen aber folgen.

Technisch basiert das auf dem „Agentic Commerce Protocol“ (ACP), das OpenAI zusammen mit Stripe entwickelt hat. Der Clou: Es handelt sich um einen offenen Standard. Jeder Händler kann ihn nutzen und sich anbinden. Die Händler behalten dabei die volle Kontrolle über Zahlungen, Auftragsabwicklung und Kundenbeziehungen. ChatGPT agiert nur als Vermittler – wie ein digitaler Personal Shopper.

ChatGPT verbindet sich mit immer mehr Online-Shops und wird zum Gatekeeper
ChatGPT verbindet sich mit immer mehr Online-Shops und wird zum Gatekeeper

Auch in Deutschland verfügbar – mit Einschränkungen

Die gute Nachricht: Seit Juli 2025 funktioniert ChatGPT Shopping auch bei uns in Deutschland. Die schlechte: Noch nicht mit der vollen Power. Bei uns läuft es vorerst nur als erweiterte Produktsuche. Ihr bekommt Produktempfehlungen mit Bildern, Preisen und Bewertungen angezeigt – werdet dann aber zu Shops wie Amazon oder MediaMarkt weitergeleitet. Der direkte Checkout im Chat fehlt noch.

OpenAI konzentriert sich zunächst auf vier Kategorien: Elektronik, Haushaltswaren, Mode und Beauty. Je nachdem, wie die Nutzer das Feature annehmen, sollen weitere Bereiche folgen.

Ein wichtiger Unterschied zur US-Version: In der EU läuft alles ohne Personalisierung. ChatGPT merkt sich also nicht eure Vorlieben aus früheren Chats – Stichwort DSGVO. Trotzdem liefert der Chatbot durchaus brauchbare Empfehlungen, weil er auf strukturierte Daten von Schema.org, Google Shopping, Amazon und eigene Web-Crawler-Daten zurückgreift.

Frau am Computer mit ChatGPT und Einkaufwagen.

Der entscheidende Unterschied: Keine Werbung

Was ChatGPT Shopping von Google Shopping unterscheidet: OpenAI verspricht, keine gesponserten Anzeigen zu schalten. Alle Produktempfehlungen basieren ausschließlich auf Relevanz zur Suchanfrage. Keine bezahlten Platzierungen, keine versteckten Werbedeals.

Natürlich zahlen Händler eine kleine Gebühr für abgeschlossene Käufe über das System – die genaue Höhe hat OpenAI bisher nicht verraten. Diese Gebühr beeinflusst aber nicht das Ranking der Produkte. Stattdessen berücksichtigt ChatGPT Faktoren wie Verfügbarkeit, Preis, Qualität, ob ein Händler der Hauptverkäufer ist und ob Instant Checkout aktiviert ist.

Das Ganze fühlt sich an wie eine persönliche Beratung statt wie eine klassische Ergebnisliste. Und genau das macht den Unterschied.

Was sich dadurch für Shopper ändert

Für euch als Käufer heißt das: Schluss mit dem Tab-Wahnsinn. Kein stundenlanger Preisvergleich über zwölf verschiedene Seiten mehr. ChatGPT übernimmt die mühsame Recherche und liefert euch kuratierte Empfehlungen in einem einzigen Gespräch. Ihr könnt nachfragen, Details klären, Alternativen durchspielen – alles im Dialog.

Das Shopping-Erlebnis wird dialogbasiert statt suchmaschinenbasiert. Ihr formuliert eure Wünsche in natürlicher Sprache, und die KI versteht den Kontext. „Ich brauche Einmachgläser für Milkshakes, mindestens 500 ml“ – ChatGPT weiß, was ihr meint, und liefert passende Produkte.

Was sich für Händler ändert

Für Online-Händler beginnt jetzt eine neue Ära. Wer in ChatGPT nicht auftaucht, existiert für einen wachsenden Teil der Käufer schlichtweg nicht. Das bedeutet: Strukturierte Produktdaten werden zur Pflicht. Wer seine Artikel nicht sauber mit Schema.org-Markup auszeichnet, hat ein Problem.

Aktuelle Verfügbarkeitsangaben, starke Kundenbewertungen und wettbewerbsfähige Preise sind entscheidend. ChatGPT bevorzugt Produkte, die lieferbar sind und zur Anfrage passen. Vertrauenssignale wie Gütesiegel spielen eine wichtige Rolle.

Das klassische SEO wird um ChatGPT-Optimierung ergänzt – manche sprechen schon von „CGO“ (ChatGPT Optimization). Dabei geht es weniger um Keyword-Stuffing, sondern um inhaltliche Vollständigkeit, klare Produktbeschreibungen und User Experience.

Für viele Händler ist das eine Chance: OpenAI bietet ein Merchant-Portal an, über das sich Händler registrieren und ihre Produktkataloge einreichen können. Wer früh dabei ist, sichert sich einen Vorteil.

Die großen Verlierer: Google, Amazon – und alle dazwischen

OpenAI greift mit diesem Schritt frontal die Geschäftsmodelle von Google und Amazon an. Mit 700 Millionen wöchentlichen Nutzern ist ChatGPT längst kein Nischenprodukt mehr. Wenn aus „ich google das mal“ ein „ich frag ChatGPT“ wird, verschieben sich Werbebudgets in Milliardenhöhe.

Aber auch Preisvergleichsportale wie Idealo, Affiliate-Websites und Testportale bekommen ein massives Problem. Ihr Geschäftsmodell basiert darauf, dass Nutzer ihre Seiten besuchen. Wenn ChatGPT die Informationen direkt liefert und zum Kauf führt, bricht der Traffic weg – und damit die Einnahmen.

Das erinnert an den Fall Google Shopping: Der EU-Gerichtshof hat Google 2017 zu einer Milliardenstrafe verdonnert, weil der Konzern seinen eigenen Preisvergleichsdienst bevorzugt hat. Jetzt wiederholt sich das Spiel auf einer neuen Ebene – nur dass diesmal OpenAI die Rolle des Gatekeepers übernimmt.

Agentic Commerce: Die Zukunft des Online-Shoppings

„Agentic Commerce“ beschreibt eine Zukunft, in der KI-Agenten nicht nur Produktempfehlungen aussprechen, sondern auch aktiv für uns einkaufen. ChatGPT ist dabei nur der Anfang. Auch Google integriert Gemini in Google Shopping, Perplexity hat „Buy With Pro“ gestartet, und Microsoft arbeitet am Copilot Merchant Program.

Die Frage ist nicht mehr, ob diese Entwicklung kommt – sondern wie schnell. Für Händler bedeutet das: Wer jetzt nicht anfängt, seine Systeme für KI-gesteuerten Commerce vorzubereiten, verliert den Anschluss. Für Käufer bedeutet es: Shopping wird einfacher, schneller und personalisierter.

OpenAI hat mit ChatGPT Shopping einen weiteren Meilenstein gesetzt. Die Grenzen zwischen Chatbot, Suchmaschine und E-Commerce-Plattform verschwimmen. Und das ist erst der Anfang.

Wer sich jetzt nicht bewegt, wird bewegt.