Der blaue Haken kehrt zurück: Blueskys neuer Ansatz zur Account-Verifizierung

von | 23.05.2025 | KI

Die Social-Media-Landschaft erlebt gerade ihre nächste Evolution: Bluesky, die aufstrebende Alternative zu X (ehemals Twitter), führt ein eigenes Verifizierungssystem ein. Wie das Unternehmen über seinen offiziellen Safety-Account mitteilt, können ab sofort „notable and authentic“ Nutzer über ein Online-Formular einen Verifizierungsantrag stellen.

Doch was macht Blueskys Ansatz besonders – und warum ist das Thema Verifizierung überhaupt so brisant?

Die Geschichte des blauen Hakens: Von Prestige zum Chaos

Der blaue Haken hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich von Twitter 2009 eingeführt, sollte er eine einfache Lösung für ein komplexes Problem bieten: Wie erkennt man echte Accounts von Prominenten, Politikern oder Unternehmen? Der kleine blaue Haken wurde schnell zum begehrten Statussymbol und schuf eine Art digitale Elite.

Jahrelang funktionierte das System nach klaren, wenn auch oft undurchsichtigen Regeln. Twitter entschied, wer wichtig genug für eine Verifizierung war. Das führte zu Diskussionen über Fairness und Transparenz, aber das System blieb weitgehend stabil.

Dann kam Elon Musk. Nach seiner Twitter-Übernahme 2022 revolutionierte er das Verifizierungssystem – allerdings nicht unbedingt zum Besseren. Musk funktionierte den blauen Haken zur käuflichen Trophäe um – und Trolle begannen, unter seinem (verifizierten) Namen zu posten. Plötzlich konnte jeder für acht Dollar monatlich einen blauen Haken kaufen, was das System ad absurdum führte und für Chaos sorgte.

Andere Plattformen folgten teilweise ähnlichen Wegen: Meta führte kostenpflichtige Verifizierungen bei Instagram und Facebook ein, während LinkedIn und TikTok bei ihren ursprünglichen Systemen blieben.

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Blueskys hybrides Modell: Dezentralisierung als Lösung?

Bluesky versucht nun, aus den Fehlern der Konkurrenz zu lernen. Die Plattform verfolgt in Sachen Verifizierung einen hybriden Ansatz: Neben der klassischen Überprüfung durch das Unternehmen oder seine Partner können Nutzer:innen ihre Identität auch durch Domain-Verknüpfungen bestätigen.

Das bedeutet konkret: Das US-Rundfunk-Syndikat NPR tritt auf Bluesky mit dem Handle @npr.org auf. Laut TechCrunch nutzen bereits über 270.000 Accounts dieses Modell. Diese Domain-basierte Verifizierung ist elegant und transparent – wer eine offizielle Website besitzt, kann seine Identität direkt darüber bestätigen.

Zusätzlich können sich Organisationen als sogenannte „Trusted Verifier“ registrieren lassen, um selbst Accounts zu bestätigen. Erste Tests fanden mit renommierten Partnern wie der New York Times, Wired und The Athletic statt. Das schafft ein dezentrales Netzwerk der Vertrauensbildung.

Das Problem der Bewertung: Wer ist „notable“ genug?

Trotz des innovativen Ansatzes bleibt die zentrale Herausforderung bestehen: Ab wann ist eine Person wichtig genug, um einen blauen Haken zu erhalten? Das kann schnell zu einem Gefühl der Ungleichbehandlung führen und für Missmut unter den User:innen sorgen.

Bluesky gibt an, die „Berühmtheit“ im Kontext des jeweiligen Fachgebiets und der geografischen Region zu bewerten. Dabei spielen Faktoren wie professionelle Auszeichnungen, mediale Berichterstattung, Einträge in glaubwürdigen Referenzportalen und öffentliches Interesse eine Rolle. Dennoch bleiben die Kriterien relativ vage.

Die Plattform versucht Transparenz zu schaffen, indem sie fordert, dass Accounts aktiv, vollständig ausgefüllt und gesichert sein müssen. Sie müssen eine reale Person, Organisation oder ein legitimes Unternehmen repräsentieren und idealerweise mit einer offiziellen Website verlinkt sein. Doch subjektive Bewertungen lassen sich nicht vollständig vermeiden.

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Die Nutzerreaktion: Zwischen Notwendigkeit und Nostalgie

Viele Bluesky-User:innen befürchten eine Rückkehr zu alten Twitter-Zeiten, in denen der Haken ein Statussymbol war – bis er unter Musk zur Abo-Funktion mutierte. Diese Sorge ist verständlich, denn viele Nutzer wechselten gerade deshalb zu Bluesky, um den Problemen etablierter Plattformen zu entkommen.

Gleichzeitig ist Verifizierung in der heutigen Zeit der Desinformation unerlässlich. Fake-Accounts können enormen Schaden anrichten, von gefälschten Nachrichten bis hin zu Betrug. Ein funktionierendes Verifizierungssystem ist daher nicht nur praktisch, sondern gesellschaftlich notwendig.

Ein Experiment mit offenem Ausgang

Kritisch sehen manche, dass der Launch der Verifizierung noch vor dem Aufbau eines größeren Netzwerks unabhängiger Prüfinstanzen erfolgt ist. Das könnte dem eigentlichen Ziel – Dezentralisierung – entgegenlaufen.

Bluesky betritt mit seinem hybriden Ansatz Neuland. Die Kombination aus zentraler Prüfung, Domain-basierter Verifizierung und vertrauenswürdigen Drittparteien könnte tatsächlich eine Lösung für die Probleme bisheriger Systeme bieten. Oder sie schafft neue Herausforderungen, die wir heute noch nicht absehen können.

Die Plattform will glaubwürdige Identitäten fördern, ohne in alte Hierarchien zurückzufallen. Der Versuch, Vertrauen dezentral zu organisieren, wird ein spannendes Experiment, das es weiter zu beobachten gilt.

Eines ist sicher: Die Geschichte des blauen Hakens ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. Bluesky hat die Chance, zu beweisen, dass Verifizierung sowohl demokratisch als auch funktional sein kann. Ob das gelingt, wird nicht nur über den Erfolg der Plattform entscheiden, sondern könnte die gesamte Social-Media-Branche beeinflussen.