Facebook unter Druck: Was der Werbeboykott bewirkt

In den Schuhen von Mark Zuckerberg will man gerade irgendwie auch nicht stecken. Denn wenn die Großen der Branchen medienwirksam mitteilen, dass die mit Facebook erst mal nichts mehr zu tun haben wollen und den Geldhahn zudrehen, dann ist das keine kleine Randnotiz, sondern existenziell. Honda, Coca-Cola, SAP, Volkswagen, Henkel, Unilever, Starbucks – sie alle schalten keine Werbung mehr auf Facebook.

Facebook lebt von der Werbung. Immer mehr große Konzerne sprechen Facebook das Misstrauen aus – das ist mehr als ein Schuss vor dem Bug.

Über 100 wirklich riesige Konzerne, mit Volkswagen und SAP mittlerweile auch deutsche darunter, drohen Facebook nicht nur, sondern haben konkrete Maßnahmen ergriffen: Die Werbegelder sind bis Ende des Jahres auf Null gedreht.

Zu allem Überfluss geht das Geld auch noch an die Konkurrenz, in andere Kanäle. Was für Facebook bedeutet: Sie selbst machen deutlich weniger Umsatz, vermutlich etliche Milliarden, und die anderen mehr. Die Konkurrenz wird also gestärkt. So ein Werbeboykott ist nichts, was man sich wünscht.

Facebook unter Druck: Was der Werbeboykott bewirkt

Facebook unternimmt derzeit einiges

Der Vorwurf lautet , Facebook würde nicht genug unternehmen gegen Hass, Hetze, Rassismus, Rechtsradikalismus und andere unerfreulichen Effekte.

Facebook strengt sich an, den Musterschüler zu geben: So hat das Netzwerk gerade erst 320 Konten, 28 Seiten und 100 Gruppen von in den USA tätigen rechtsextremen, gewaltbereiten Gruppen geschlossen. Auch wurden 95 Instagram-Accounts geschlossen.

Das Ganze soll signalisieren: Seht her, wir unternehmen endlich was. Dazu muss man wissen: Mark Zuckerberg ist ein Hardliner in Sachen Meinungsfreiheit. Er lässt auch Holocaust-Leugner in seinem Netzwerk zu. Und deshalb hat Facebook – anders als Twitter – auch nichts gegen problematische Postings von US-Präsident Donald Trump unternommen.

Konzerne wollen in der aktuellen Situation punkten

Aber warum reagieren diese Konzerne erst jetzt: Sie hätten das doch schon viel früher tun können?

Sie hätten es sogar schon früher tun müssen. Aber es ist ja immer so: Es gibt dann irgendwann den berühmten Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt. Und dann fängt einer an – und alle ziehen nach. Es ist im Netz eine Initiative #StopHateForProfit entstanden, die als Turbo fungiert. Die Stimmung ist ja generell gekippt: Durch #BlackLivesMatter wird genauer hingeschaut auf Rassismus, Diskriminierung und Hetze. Generell.

Nun versprechen sich die werbenden Konzerne sicher einen Imagegewinn dadurch, dass sie in dieser Zeit zumindest den Eindruck erwecken, sie würden sich engagieren. In dem Fall auf Kosten von Facebook und Twitter, die allerdings – das muss man ja auch sagen – nicht unschuldig an dieser Misere sind.

Werbekunden

Die Politik ist gefordert

Es muss zweifellos etwas passieren. Das ist genau der richtige Zeitpunkt, und wer Macht hat, sollte sie auch nutzen – auch wenn das im Fall der großen Konzerne, die jetzt einen Werbeboykott aussprechen, mitunter wohlfeil und als Taktik durchschaubar ist. Ich finde, es ist ein Armutszeugnis, dass es so weit kommen musste. Die Politik hat viel zu lange zugeschaut, nur kleine Mini-Maßnahmen ergriffen, um einzelne Symptome zu behandeln – wie das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz.

Es ist aber schon längst aller höchste Zeit, dass ein Konzept aufgelegt wird: Was sollen Plattformen wie Facebook dürfen, was müssen sie, was sind die Regeln, die Grenzen, die Verpflichtungen? Allumfassend – und nicht ein bisschen hier, ein bisschen da.

Wer ein Restaurant oder eine Bäckerei eröffnet, erst recht wer einen Sender betreiben will, muss das aufwändig beantragen, braucht Genehmigungen und muss Kontrollen über sich ergehen lassen. Eine Plattform darf einfach so eröffnet werden – ohne besonders viele Regeln. Das muss sich dringend ändern. Am besten europaweit.

 

SCHIEB+ Immer bestens informiert

Schieb+ Tarife
Nach oben scrollen