Ist Deutschland die Datenschutzhochburg Europas?

von | 10.11.2023 | Digital

Ich führe immer wieder Diskussionen über die Bedeutung von Datenschutz – und wie weit der gehen sollte. Datenschutz ist wichtig, keine Frage – nur manchmal wird für meinen Geschmack über das Ziel hinaus geschossen.

Datenschutz ist ein hohes Gut – und teilweise sogar ein Standortvorteil in Deutschland. Doch manchmal, das muss man sagen, gibt es Datenschutz des Datenschutzes willen.

Ich will das nicht pauschalieren, doch wenn jemand die Aufgabe hat, Datenschutz durchzusetzen, dann will der ein oder andere Datenschutz total – und stellt dieses Gut über alles. Dabei wäre eigentlich immer die Frage zu stellen: Welche Vorteile liegen vor, wenn Daten benutzt werden dürfen und welcher Schaden entsteht eigentlich tatsächlich?

Viele Datenschützer und auch Netzaktivisten argumentieren oft mit einem möglichen Szenario, dem Worst Case. Wir haben in Deutschland in diesem Punkt eine sehr agile Zivilgesellschaft. Wir haben die Piraten, wir haben Chaos Computer Club, wir haben netzpolitik.org und viele andere – und sie alle kümmern sich darum, dass die Rechte der Menschen geschützt sind. Für meinen Geschmack manchmal mit allen Mitteln.

Beispiele für möglicherweise unnötig strengen Datenschutz

Ich würde mir oft mehr Rechte für die Polizei wünschen, etwa zur Auswertung von IP-Adressen, um Tätern auf die Schliche zu kommen. Dazu müssten IP-Adressen manchmal länger gespeichert werden, also diese Daten, die anfallen, wenn jemand mit einem Gerät ins Internet geht.

In sehr begrenzten Fällen nur, etwa bei der Verbreitung von Material mit sexualisierter Gewalt an Kindern. Da sind wir allzu oft auf Hinweise aus den USA angewiesen, weil wir solche Daten nur kurz oder gar nicht speichern.

Keine Frage: Manchmal haben Politiker allerdings – aus Unkenntnis – auch regelrecht Überwachungsphantasien. Dazu gehört die totale Vorratsdatenspeicherung, also das Speichern zahlreicher Kommunikationsdaten, anlasslos von jedem und immer.

Das ist natürlich gefährlich und wird zu Recht abgelehnt.

Aber eben auch von unseren Gerichten. Wir haben sehr wache Gerichte in Deutschland, wir haben BGH und vor allem Verfassungsgerichte, die Gesetze einkassieren, wenn sie gegen die Grundrechte verstoßen. Es fehlt manchmal auch an Vertrauen in unsere Institutionen. Es braucht Ideen, wie sich – mit ein bisschen gelockertem Datenschutz und Fantasie vielleicht große Dinge erreichen lassen.

Die DSGVO ist ein Regelmonster, das die Großen kaum trifft

Die DSGVO ist ein Regelmonster, das die Großen kaum trifft

Einschränkungen in der Medizin

Ein anderes Beispiel: In Mannheim und Heidelberg werden KI-gestützte Maschinen zur Bestrahlungstherapie aufgebaut. Zwei. KI soll die Bestrahlung optimieren, das Leid der Patienten reduzieren und die Heilungschancen erhöhen.

Doch deutscher Datenschutz verhindert, dass die beiden Maschinen Daten über ihre Erfolge austauschen. Was für ein Unsinn, denn das würde die KI in den Maschinen besser machen. Das weiß jeder. Datenschutz muss feiner justiert werden.

Wie blicken die Menschen auf Datenschutz

Wie sieht es denn bei den Menschen aus: Ist denen Datenschutz auch wichtig?

Prinzipiell schon, aber es kommt auch darauf an. Wir erinnern uns an den ersten Aufschrei, als die „Corona Warn App“ an den Start gegangen ist. Es gab aus unterschiedlichsten Quellen und lautstark Bedenken wegen Datenschutz – obwohl der Einsatzzweck in dieser Lage gegeben war, wurden Missbrauchsszenarien für meinen Geschmack hochgespielt.

Und es gibt viele ähnliche Fälle. Viel zu selten wird gefragt: Wofür sind die Daten nötig? Wenn der Staat oder eine öffentliche Behörde sie möchte, gibt es einen Aufschrei. Gleichzeitig ist das Maß an Bedenkenlosigkeit bei Facebook und Instagram nahezu grenzenlos.

Die meisten Menschen wissen zwar, was die US-Konzerne alles mit den Daten anstellen. Und es entstehen wirklich gläserne Profile. Aber das ist den Menschen egal. Ein Effekt, der „Data Privacy Paradox“ genannt wird – „Datenschutzparadox“.

Es gibt also ein äußerst diffuses Bild, wann und unter welchen Umständen welche Daten heilig sind – und wann es völlig egal zu sein scheint, wenn die Daten in Umlauf kommen. Generell kann man aber sagen, dass Menschen in Deutschland Datenschutz wichtiger ist als den Menschen in den USA.

CyberGhost VPN

Selbst für Datenschutz sorgen

Manche stellen sich die Frage: Wenn ich persönlich für mich beschließe: Datenschutz ist mir wichtig. Was kann ich dann eigentlich machen, um meine Daten zu schützen?

Die Antwort ist: Datensparsamkeit. Das wird einem heute immer schwerer gemacht. Aber so wenige Daten wie möglich von sich preisgeben. Also keine Daten für Preisausschreiben online. Generell Eingabeformulare hinterfragen. Prinzipiell müsste man auf Facebook, Twitter, Tiktok – und sogar Google verzichten.

Und wenn man sie benutzt, sich die Mühe machen und die Datenschutzeinstellungen so präzise und streng wie möglich einstellen. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, besorgt sich ein „Virtual Private Network“ (VPN). Das sind Programme, die beim Surfen nur verschlüsselt kommunizieren und auf Wunsch auch die eigene IP-Adresse maskieren.

Das bedeutet, dass werbetreibende Netzwerke einen nicht so gut erkennen und tracken können. Auch hinterlässt man dann keine so deutlichen Datenspuren bei den Aktivitäten im Netz. Das bedeutet keine 100-prozetinge Anonymität, aber deutlich weniger Daten für Konzerne und Geheimdienste.

 

 

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