Tausende Kameras vor Ort: Die Aktivisten haben so ziemlich alles medial festgehalten

Lützerath: Klimaproteste und Social Media

Polizisten gehen gegen Demonstranten vor, räumen Baumhäuser und bleiben im Schlamm stecken: Klimaaktivisten nutzen die Macht der Social Media, um Stimmung zu machen und öffentliche Meinung zu manipulieren. Welche Rolle spielen Twitter und Co. dabei?

Lützerath ist geräumt – aber damit ist das Thema noch nicht aus den Medien. Auch wenn einige Tage kaum über etwas anderes berichtet wurde. Und die sogenannten Sozialen Medien sind auch voll davon: Die einen zeigen angebliche Polizeigewalt, die anderen posieren wie nach dem Erklimmen eines Gipfels vor Dörfern, Baggern oder Abbruchkanten. Auch Grata Thunbergs Auftritt in Lützerath wurde maximal medial ausgeschlachtet. Welche Rolle spielen die Sozialen Medien bei den aktuellen Klimaprotesten im rheinischen Braunkohlerevier?

Greta Thunbergs Verhaftung wurde regelrecht "inszeniert", sagen Kritiker
Greta Thunbergs Verhaftung wurde regelrecht „inszeniert“, sagen Kritiker

Live aus Lützerath in jede Hosentasche

Lützerath war ein Medienereignis, keine Frage. Radio und Fernsehen haben ausführlich darüber berichtet. Doch quasi fast live gab es auch Bilder und Berichte auf den Social Media Kanälen, vor allem auf Twitter. Aber ist man deswegen gut informiert?

Polizei und vor allem Aktivisten haben gleichermaßen gepostet. Vor allem auf Twitter. Die Welt war quasi live dabei. Denn jeder hat heute ein Handy in der Tasche, macht damit Fotos oder Videos – und die gehen dann alle online. Allein die schiere Menge ist schon eine Aussage: Seht her, wie viele wir sind. Es passiert nichts, ohne dass es dokumentiert wird.

Und jeder wählt die Aufnahmen aus, die am besten zu seiner Erzählung passen – garniert mit den entsprechenden Kommentaren. Man kann wohl nicht davon ausgehen, dass Aktivisten Polizeitruppen zeigen, die friedlich dastehen und freundlich schauen. Sondern es wird dann auf den Auslöser gedrückt, wenn es Randale gibt. Man sieht aber nicht, was vorher vorgefallen ist. Wer sich auf Social Media informiert, ist also auf die Interpretation desjenigen angewiesen, der alles online stellt.

Bei einem Konflikt wie in Lützerath darf man nicht davon ausgehen, dass diese Auswahl besonders objektiv ist, denn jeder vor Ort ist auch Beteiligter. Vor allem die Aktivisten nutzen diese „Macht“, um Medien und Politik zu beeinflussen. Sie tragen ihre Botschaft in die Welt und beeinflussen so die öffentliche Meinung. Unabhängiger Journalismus ist das natürlich nicht. Aber das kommt in Social Media bekanntlich besonders gut an.

Schnell sind Bilder fehlinterpretiert

Und so entsteht ein ständiger Strom von „Alarm“: Bilder in den Sozialen Medien, ob still oder bewegt, lassen sich ja nicht überprüfen. Jeder kann Bilder ins Netz stellen. Niemand weiß, wer die Bilder gemacht hat und ob Behauptungen stimmen.

Ein aus meiner Sicht besonders krasses Beispiel, wie sehr die Sozialen Medien prägen, waren die Aussagen von Luisa Neubauer bei Anne Will vergangenen Sonntag. Da behauptet die Klimaaktivistin einfach in der Talksendung, die Polizei wäre unangemessen brutal gegen Demonstranten vorgegangen und hätte denen vor Ort vor allem gezielt auf den Kopf geschlagen.

Obwohl Anne Will nachfragt, ob sie es selbst gesehen hat, bezieht sie sich auf die Bilder in den sozialen Medien, die das angeblich eindeutig belegten. Sie hinterfragt nicht, sie schaut auch nicht auf den eigenen Anteil bei einer Auseinandersetzung – und vor allem aber meint sie, Videoschnipsel auf Social Media Kanälen seien ein veritabler Beleg.

Dann zitierte sie auch noch eine Sanitäterin, die von mehreren Schwerstverletzten berichtet hätte. Und ließ sich von ihren Behauptungen auch nicht abbringen, obwohl Nachfragen in umliegenden Krankenhäusern diesen Vorwurf nicht bestätigen konnten. Einen Tag später ruderte die Sanitäterin zurück und sagte: „Lebensgefahr war Ersteinschätzung“. Ein Musterbeispiel dafür, wie unverantwortlich es ist, unseriöse Quellen völlig ohne Faktencheck live im Fernsehprogramm als Wahrheit zu verkaufen.

Riskantes Handeln, um auf Social Media präsent zu sein

Eine weitere Frage, die man sich stellen muss: Inwieweit führt diese Omnipräsenz auf Social Media denn auch zu riskantem Handeln?

Die Sache ist klar: Ohne Social Media hätten sich die beiden Aktivisten wohl eher nicht in einen Tunnel begeben. Das ist schließlich gefährlich. Aber der Effekt wäre deutlich geringer, wenn niemand davon erfahren hätte, außer der Polizei. Also hat man sich offensichtlich gedacht: Was können wir Spektakuläres anbieten? Also graben wir einen Tunnel, begeben uns in Lebensgefahr und schauen, wie die Polizei das Problem löst.

Auf Social Media natürlich ein Kracher, weil die Bilder stark sind. Aber es darf bezweifelt werden, dass so etwas ohne Social Media als Ausspielweg gemacht worden wäre. Dasselbe gilt für den Versuch, an die Abbruchkante zu gelangen. Streng verboten, wurde trotzdem gemacht. Zweifellos, um dann Fotos und Videos zu posten, wo man sich befindet. So wie ein Gipfel-Foto.

Auch die Polizei setzt auf Twitter

Auch die Polizei setzt auf Twitter, um zu kommunizieren. Zum Beispiel wurden Durchsagen gemacht: „Entfernen Sie bitte die Kleinkinder von der Demonstration“. Ein kluges Vorgehen?

Durchaus. Zwar postet die Polizei nicht so viele inszenierte Bilder wie die Demonstranten. Aber sie kommunizieren mit dem Demonstranten vor Ort. Sie will auch Gewalt stoppen, indem sie die Demonstranten auffordert, keine Molotow-Cocktails mehr zu werfen. Auf der einen Seite gibt es eine Flut von Bildern, die angebliche Polizeigewalt zeigt.

Oder auch Videos, die spöttisch im Matsch einsinkende Polizeitruppen zeigt – inklusive eines als „Mönch“ verkleideten Aktivisten, der die Polizisten brutal schubst. Auf der anderen Seite kommuniziert die Polizei mit mehr oder weniger behördlichen Anordnungen. Da gewinnen natürlich die Bilder, denn Social Media funktioniert nur emotional.

 

SCHIEB+ Immer bestens informiert

Schieb+ Tarife
Nach oben scrollen