Neue Regeln in der EU: Digital Services Act und Digital Markets Act

von | 08.07.2022 | Digital

Die EU bringt zwei Getzespakete auf den Weg: Digital Markets Act (DSA) und „Digital Services Act“ (DSA). Nicht unumstritten. aber zweifellos ein erster durchaus respektabler Versuch, den großen Digitalkonzernen etwas entgegenzusetzen.

Das Netz bietet viele Chancen. Aber auch viele Risiken: Hassrede, Diskriminierung, Manipulation – und vor allem Machtkonzentration. Es sind einige wenige Digitalkonzerne, die alles zu dominieren scheinen: Google, Microsoft, Facebook, Amazon, Apple – sie teilen den Kuchen unter sich auf und scheinen allzu oft nationale und europäische Gesetzgebung zu ignorieren.

Die EU hat nun zwei Gesetzespakete auf den Weg gebracht, die der Politik und der Gesellschaft wieder die Kontrolle zurückgeben und für mehr Fairness, Verbraucherschutz und Wettbewerb sorgen sollen. Der Digital Services Act und die Digital Markts Act.

EU-Kommission hat DSA und DMA auf den Weg gebracht

„Digital Services Act“ (DSA) und „Digital Markets Act“ (DMA) – zwei sehr formale Bezeichnungen, die aber für viel Wirbel sorgen – weil sie offensichtlich die großen Unternehmen adressieren.

Die EU-Kommission sitzt schon lange an diesen Gesetzespaketen. Es ist in der Tat der Versuch, die riesigen und übermächtigen Digitalkonzernen einzuhegen – einen rechtlichen Rahmen vorzugeben, innerhalb dessen sich die Digitalkonzerne in Zukunft bewegen dürfen und sollen. Es geht um Google, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple – vor allem. Die stehen nicht im Gesetzestext, das wäre gar nicht erlaubt.

Aber es sind klare Vorgaben gemacht, wen es betreffen soll. Internationale Konzerne mit Milliardenumsätze. Der „Digital Services Act“ (DSA) betrifft uns Verbraucher am ehesten: Hier geht es darum zu klären, wie Facebook oder Twitter mit Hass und Hetze im Netz umgehen sollen, wie die Algorithmen funktionieren und vieles andere mehr.

Während der „Digital Markets Act“ (DMA) sich um fairen Wettbewerb kümmern soll: Allzu oft verdrängen die großen Konzerne kleinere Unternehmen durch ihre schiere Marktmacht. Das soll ein Ende haben. So soll zum Beispiel Amazon auf seinem Amazon Market Place, dem größten Marktplatz in Europa, nicht mehr seine eigenen Produkte bevorzugen dürfen. Dasselbe gilt für Google mit seinen eigenen Produkten in Android oder bei Google-Anzeigen.

Margerete Vestager ist EU-Kommissarin und hat die Gesetzespakete vorangebracht

Messenger: Die Interoperabilität kommt

Ein Teil der Gesetzesinitiative betrifft auch Messenger wie WhatsApp. Was soll sich da ändern?

Der Digital Marktes Act sieht vor, dass Messenger die sogenannte „Interoperabilität“ einführen müssen. Das richtet sich vor allem an Facebook. Der Konzern hat mit WhatsApp, Facebook Messenger und Instagram fast ein Monopol, was Messenger betrifft. Die meisten Menschen nutzen WhatsApp, weil sie es müssen: Weil alle anderen auch dort sind und wie selbstverständlich in Vereinen, im Kindergarten, in der Schule oder unter Freunden auf WhatsApp Gruppen eingerichtet werden.

So etwa wird „Netzwerkeffekt“ genannt: Was einmal groß im Markt ist, verdrängt alle Alternativen. Das will der DMA mit der Verpflichtung zur Interoperabiliät ändern: Jeder Messenger soll künftig mit jedem anderen Messenger wesentliche Nachrichten austauschen können. Vor allem WhatsApp als größter am Markt soll verpflichtet werden, auch Nachrichten von kleineren Messengern wie Threema oder Signal zu empfangen – und dort hin senden zu können. Das hätte einen enormen Vorteil, denn dann müssten wir nicht mehr WhatsApp benutzen, nur um Menschen dort zu erreichen. Mehr Wettbewerb, mehr Datenschutz – gut für uns Verbraucher.

Interoperabilität kommt: Die Großen müssen sich für die Kleinen öffnen

Zustimmung und Kritik

Es gibt also Zustimmung und auch Kritik und Ablehnung. Der Verlagsverband sagt sogar: „Die EU hat sich bewusst gegen die Pressefreiheit gestellt“.

Das halte ich für übertrieben und unzutreffend. Die großen Zeitungsverlage versuchen schon lange, mit allen Mitteln gegen Google und Co. zu arbeiten. Verständlich, denn sie verlieren Macht und Umsatz – und müssen versuchen, mit der neuen Situation klarzukommen. Aber davon zu reden, die EU hätte sich gegen Pressefreiheit gestellt, ist Unsinn. Die Pressefreiheit ist ja nicht im Geringsten beschnitten. In der Tat wäre es aber wirklich sinnvoll, einen größeren Unterschied zu machen zwischen Inhalten von Verlagsprodukten und Inhalten von Privatpersonen.

Denn die einen Inhalte haben in der Regel schon einen Qualitäts-Check hinter sich, die anderen nicht. Nur selten sind es Inhalte aus Verlagen, die Probleme beim Thema Hass und Hetze machen. Aber das ist ja ein generelles Problem im Internet: Prinzipiell steht das Geschwurbel einer Verschwörungstheoretikerin gleichbedeutend neben einem Artikel aus einem Verlag oder der Äußerung eines Nobelpreisträgers. Das nennt sich Netzneutralität – und ist so gewollt. Doch es bringt im Alltag eine Menge Probleme mit sich. Die neuen Gesetzpakete der EU versuchen, das Problem kleiner zu machen – beseitigen können sie es nicht.

 

Dr. Tobias Schmid von der LfM NRW hat die KI entwickeln lassen

Dr. Tobias Schmid von der LfM NRW sieht Stärken und Schwächen in den neuen EU-Gesetzen

Nationales Recht

Tobias Schmid, der Direktor der LfM NRW spricht ein anderes Problem an: Was in Schweden erlaubt ist, das ist in Deutschland möglicherweise verboten – etwa ein Hakenkreuz. Ein Problem in der EU, das sich auch mit den neuen Gesetzespaketen nicht in den Griff kriegen lässt?

Zweifellos haben wir in Europa national unterschiedliche Regeln, die auch berücksichtigt werden müssen. Das ändert aber nichts daran, dass es auch sehr viele Werte und Regeln gibt, die europaweit einheitlich gelten. Es ist sehr gut, wenn die EU das nun vereinheitlicht und europaweit bei den großen Konzernen durchsetzen will – übrigens bei empfindlichen Strafen, wenn sie die Regeln nicht einhalten.

Das ist deswegen wichtig, weil sich die großen Konzerne immer gerne leicht machen und mit ihrem Firmensitz in Irland argumentieren, wo die Regeln denkbar lax sind, etwa beim Datenschutz. Jetzt spricht Europa mit einer Stimme, und die Konzerne haben gar keine andere Wahl als sich darauf einzustellen, wenn sie auf dem europäischen Markt mitmischen wollen.

Dann auch noch nationales Recht zu berücksichtigen, ist dann nur noch ein kleiner Schritt. Machen DMA und DSA alles perfekt und lösen sie alle Probleme? Natürlich nicht. Aber sie sind ein erster großer Schritt in die richtige Richtung: Endlich stehen Werkzeuge bereit, mit denen Kartellbehörden oder Kontrollbehörden – auch die LfM – verstärkt arbeiten können. Das beschleunigt die Prozesse und gibt dem Staat wieder mehr Kontrolle zurück. Längst nicht genug, wie ich finde. Aber es ist ein Anfang gemacht. Jetzt wird es aber erst mal noch Monate dauern, mindestens, bis alles in geltendes nationales Recht in allen Ländern gegossen ist.