Panorama-Freiheit in Gefahr

In Deutschland gilt die Panoramafreiheit: Man darf Fotos von Gebäuden und Kunstwerken machen, wenn diese von öffentlichen Straßen oder Plätzen aus sichtbar sind. Doch das ist nicht überall in Europa so. In Frankreich, Italien und einigen anderen Ländern gibt es Einschränkungen – und die wollen manche EU-Politiker nun in ganz Europa haben. Ein bodenloser Schwachsinn, der da angedacht wird.

Kaum zu glauben, aber wahr: In einigen Ländern Europas – darunter Frankreich und Italien – ist es tatsächlich nicht erlaubt, öffentlich zugängliche Gebäude zu fotografieren, ohne den Architekten um Erlaubnis zu fragen. Nun gut, fotografieren darf man sie schon. Für den rein privaten Gebrauch. Aber man darf die Fotos nicht kommerziell verwerten. Sie dürfen nicht in Büchern vorkommen, oder in Fernsehbeiträgen, oder auf Postkarten gedruckt werden.

In Frankreich, Italien und einigen anderen EU-Ländern wird das Urheberrecht auch auf Gebäude und Skulpturen angewendet. Sofern der Architekt oder Künstler noch lebt oder vor weniger als 70 Jahren verstorben ist, muss man hier mächtig aufpassen. Denn dann könnten die Rechteinhaber Lizenzen verlangen. Das folgende Foto dürfte ich in Frankreich nicht machen, da Frank Gehry noch unter uns weilt.

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Alte Gebäude gehen

Den Eiffelturm darf man fotografieren, weil Gustave Eiffel 1923 verstorben ist. Doch die Lichtkunst, die nachts am Eiffelturm blitzt, funkelt und blinkt, die ist in Frankreich urheberrechtlich geschützt und darf deshalb nicht ohne Weiteres fotografiert oder gefilmt werden. Zumindest nicht für kommerzielle Projekte.

Genau hier liegt das zentrale Problem: Wer mit dem Smartphone eine Aufnahme macht und das Foto oder Video bei Facebook postet, der überträgt Facebook reichlich Nutzungsrechte, auch die der kommerziellen Verwertung. Das könnte zur Stolperfalle werden – und mühelos mehrere hundert Euro Lizenz zuzüglich Abmahnkosten verursachen.

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Panoramafreiheit für alle

Was sagt einem da der gesunde Menschenverstand? Richtig: Derartige Gesetze gehören in den Orkus. Hat sich auch Julia Reda gedacht, Mitglied des Europäischen Parlaments. Sie wollte sich dafür einsetzen, dass in ganz Europa das Recht der Panoramafreiheit gilt – wie bei uns in Deutschland.

Die Panoramafreiheit erlaubt ausdrücklich, urheberrechtlich geschützte Werke frei zu fotofrafieren, wenn sie von öffentlichen Wegen aus frei einsehbar und erkennbar sind. Das entspricht dem gesunden Menschenverstand, würde ich sagen. Denn wie sollte man von ganz normalen Menschen erwarten können, dass sie bei Aufnahmen in der Öffentlichkeit aufpassen, ob sie eine Skulptur oder ein junges Gebäude im Bildausschnitt haben?

Merkwürdige Diskussion in der EU

Doch die Politik funktioniert anders. Plötzlich steht nicht der übertrieben wirkende Urheberschutz, sondern die Panoramafreiheit auf dem Prüfstand. Am 9. Juli will das EU-Parlament darüber verhandeln, ob die Panoramafreiheit nicht besser abgeschafft wird – in ganz Europa. Also ziemlich genau das Gegenteil dessen, was vernünftig wäre. Erst Recht im Zeitalter von Smartphones und Social Media, in denen es praktisch unvermeidlich ist, dass Gebäude oder Kunstwerke mit auf einem Bild zu sehen sind – und im Netz landen.

eu-vorhaengeschloss

Mittlerweile wurde eine Online-Petition Save the Freedom of Photography gestartet. Sie soll verhindern, dass die Panoramafreiheit weiter eingeschränkt wird. Anderenfalls müssten wohl schon bald Apps entwickelt werden, die einen warnen, wenn man beim Fotografieren irgendetwas im Hintergrund sieht, was urheberrechtlich geschützt ist. Sowie Apps, die nicht störende Personen im Vordergrund wegretuschieren, sondern – im Gegenteil – Gebäude oder Skulpturen verschwinden lassen. Denn Abmahn-Anwälte gibt es genügend. Leider.

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