Warum das BKA eine Task-Force für Telegram einrichtet

von | 27.01.2022 | Digital

Das Bundeskriminalamt (BKA) richtet eine Task-Force zur Strafverfolgung von Straftaten auf Telegram ein. Der Messenger entwickle sich nach Einschätzung der Behörden zu einem „Medium der Radikalisierung“.

Bedrohungen, Beleidigungen, Mordaufrufe: Der Messengerdienst Telegram entwickelt sich nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden zunehmend zu einem Medium der Radikalisierung. Das liegt vor allem an der offenen Architektur des Messengers: Hier kann jeder User „Kanäle“ einrichten, denen beliebig viele Menschen folgen können.

Selbst Morddrohungen gehören auf Telegram zur Tagesordnung

Selbst Morddrohungen gehören auf Telegram zur Tagesordnung

Telegram ist ein Massenkommunikationsmittel

An diesem Punkt ist Telegram kein Messenger mehr, sondern ein Massenkommunikationsmittel. Trotzdem rutscht Telegram durchs Raster – und wird durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Hass und Hetze eindämmen soll und Anbieter von Plattformen diverse Pflichten auferlegt, nicht erfasst. Eine Lücke, die Hassprediger und die einschlägige Szene missbrauchen.

Hinzu kommt, dass die Betreiber des Messengers mit Sitz in Dubai nicht mit den Behörden kooperieren.

Dafür aber den Messenger verantwortlich zu machen, ist falsch. Ebenso falsch ist es, wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser ankündigt, die App aus den App-Stores von Apple und Google werfen zu lassen. Zum einen würde das in der Android-Welt ohnehin wenig bringen (weil sich da – anders als beim iPhone – auch Apps aus anderen Quellen laden und installieren lassen), zum anderen und vor allem aber würde auch die Mehrheit der User bestraft, die Telegram einfach nur als Messenger benutzen. Abgesehen davon würden jene User, die man behindern möchte, schnell ein anderes Vehikel finden. Das Problem wäre also nicht wirklich aus der Welt.

User „Kanäle“ einrichten, denen beliebig viele Menschen folgen können.

Straftaten gezielt verfolgen

Deshalb ist die aktuelle Ankündigung (26.01.2022), nun im Bundeskriminalamt (BKA) eine eigene Task-Force einzurichten, der einzig richtige Weg. Denn Straftaten bleiben auch im Netz Straftaten – und müssen unbedingt zeitnah und konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Anderenfalls werden es nicht nur immer mehr Straftaten im Netz, sondern auch immer aggressivere.

„Insbesondere die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich Menschen auf Telegram radikalisieren, andere bedrohen oder sogar Mordaufrufe veröffentlichen“ sagt BKA-Präsident Holger Münch. „Der Rechtsstaat muss dieser besorgniserregenden Entwicklung entschlossen begegnen. Wir streben die Zusammenarbeit mit Telegram an, treffen unsere Maßnahmen aber auch, wenn Telegram nicht kooperieren sollte.“

Es gibt unzählige Drohungen auf Telegram

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Cyberkriminologe rät: generell mehr Polizeipräsenz im Netz

Natürlich muss streng unterschieden werden zwischen den öffentlich zugänglichen Bereichen und privaten Bereichen. Aber ein öffentlicher Raum bleibt ein öffentlicher Raum, auch wenn er online existiert.

Mehr Polizeipräsenz im Netz: Das fordert schon lange auch der Cyberkriminologe Dr. Thomas Rüdiger aus Brandenburg. „Menschen, die Normen verletzen, wägen nach der Routine-Activity-Theorie ab: Was bringt mir der Regelverstoß und welche Risiken drohen mir?“ Schließlich bekommt auch nicht jeder gleich einen Strafzettel, der bei Rot über die Ampel geht. Aber es gibt eben eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ein Rotlichtverstoß im Auto verfolgt wird.

Diese Wahrscheinlichkeit gibt es im Netz bislang nicht. Im Gegenteil. Das Vakuum, dass Staat und Behörden hier bislang hinterlassen, ist eine regelrechte Einladung. Da das Strafverfolgungsrisiko online bei den meisten Delikten im Netz massiv niedriger ist als bei vergleichbaren analogen Delikten, von Hetze bis zur Androhung sexueller Gewalt.