Warum man sich vom Begriff KI nicht blenden lassen sollte

von | 04.04.2023 | Digital

Nicht überall, wo KI drauf steht, steckt auch KI drin: Der Hypebegriff wird häufig zum Marketing missbraucht.

KI. Diese beiden Buchstaben hört man aktuell gefühlt irgendwie ständig. Künstliche Intelligenz scheint in alle Bereiche unseres Lebens einzudringen. Spätestens seit dem Hype um ChatGPT wird das deutlich. Aber wie das mit Hypes so ist: Die einen sind begeistert, die anderen sind genervt – und wieder andere versuchen, daraus Profit zu schlagen. Plötzlich steckt angeblich überall „KI“ drin, nur weil ein paar Entscheidungen gefällt oder Prozesse optimiert werden.

KI als Schlagwort, das verkauft sich gut. Und plötzlich sind auch die Beauty-Filter in der Smartphone-App KI. Aber stimmt das überhaupt? Steckt wirklich überall KI drin, wo KI draufsteht?

Unterschied von KI und Algorithmen

Klären wir aber erst mal, was KI eigentlich ist – und wo die Unterschiede zu „normalen“ Computerprogrammen liegen.

Es ist im Grunde ganz einfach: Als Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnen wir die (angestrebte) Fähigkeit von Maschinen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. KI simuliert menschliches Verhalten und menschliche Fähigkeiten, wie z.B. Spracherkennung, Bilderkennung (das ist eine Katze, das ist ein Hund, und das ist eine Katze auf dem Dach, die auf den Hund schaut) oder Entscheidungsfindung. Algorithmen hingegen, also die klassischen Computerprogramme. sind eine Abfolge von mathematischen und logischen Anweisungen, die ein Computer strikt der Reihe nach ausführt, um eine bestimmte Aufgabe auszuführen oder ein Problem zu lösen. Berechne erst dies, dann nimm das Ergebnis und tue das.

Algorithmen werden programmiert, KI wird trainiert. Sie lernt – und wendet das gelernte Wissen an. KI-Systeme basieren zwar auch auf Programmen, aber nur, um das Lernen zu ermöglichen, nicht um die Handlungen vorwegzunehmen. Der Unterschied besteht also darin, dass KI ein übergeordnetes Konzept ist, um menschenähnliche Intelligenz nachzubilden.

Algorithmen geben dem Computer genau vor, was er zu tun hat

Algorithmen geben dem Computer genau vor, was er zu tun hat

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“

Wir müssen aber auch über den Begriff KI selbst sprechen. Weckt der nicht unerfüllbare Erwartungen, weil der Begriff „Intelligenz“ enthalten ist – das verbinden wir doch automatisch mit uns Menschen…

Stimmt. Manche Experten sagen, es wäre besser, wir würden von „Entscheidungssystemen“ oder von „autonomen Systemen“ sprechen statt von KI. Dann wäre der Aspekt „Intelligenz“ raus. Denn darüber lässt sich streiten, wo Intelligenz anfängt und wo sie aufhört.

In der Wissenschaft wird aber dennoch durchaus von einer „Superintelligenz“ gesprochen: So wird es bezeichnet, sollte es tatsächlich gelingen, ein KI-System zu schaffen, dass eigenständig denkt und die Denkfähigkeiten des Menschen zu übertreffen. Ein Zustand, der zu Recht viele Menschen ängstigt. Denn, so die Sorge, ab dem Moment könnte der Mensch die Superintelligenz nicht mehr verstehen und eingreifen.

KI kann schon sinnvoll genutzt werden

Aber in welchen Bereichen kann KI heute schon sinnvoll eingesetzt werden – und wird auch eingesetzt?

Ein wichtiger Bereich ist die Medizin. Mithilfe von KI lassen sich schneller und zuverlässiger Krankheiten erkennen und diagnostizieren. Beispiele sind die Analyse von bildgebender Diagnostik, das berühmte Röntgenbilder, das CT, das MRT. In solchen Bildern können KI-Systeme und zuverlässig Auffälligkeiten erkennen und auf mögliche krankhafte Veränderungen hinweisen. Selbst Diagnosen sind möglich.

Eine große Stärke liegt auch bei individuellen Therapien: Besonders bei Patienten mit multiplen Erkrankungen und Medikation kann eine KI schnell Therapiepläne entwickeln, die auf die Bedürfnisse und Besonderheiten eines Patienten zugeschnitten sind. Auch bei der Entwicklung neuer Medikamente kommt KI zum Einsatz. Aber auch bei der Verarbeitung großer Datenmengen, Stichwort: Big Data.

In selbstfahrenden Autos. Zu Betrugsprävention in Banken. Zur Produktionsoptimierung in Fabriken. Im Militär. Oder auch in der Ausbildung: KI-Systeme können viel besser auf individuelle Stärken und Schwächen eingehen als ein Buch oder ein „normales“ Lernprogramm. Es gibt schon eine lange und beeindruckende Liste.

Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch KI drin

Ich habe es scho angedeutet: Nicht überall, wo „KI“ drauf steht, ist auch KI drin. Gibt es ein paar Beispiele, wo mit KI geworben wird, obwohl gar keine KI im Einsatz ist?

Vor allem im „Smart Home“ ist das der Fall: Da werden Staubsauger-Roboter auf den Boden gestellt, der sich durch die Wohnung schieb, irgendwann den Grundriss kennt und nicht mehr die Treppe runterfällt, die Couch geschickt umfährt und vieles mehr. Wird gerne als Wunder der KI verkauft – sind aber ganz normale Algorithmen. Sie legen einen Plan der Wohnung an und beachten und optimieren die Fahrtwege.

Das können normale Programme, dafür braucht es keine KI. Dasselbe gilt für „smarte“ Thermostate oder Heizungen, die angeblich lernfähig sind: In Wahrheit optimieren ganz normale Algorithmen die Wärmezufuhr. Keine Hexerei nötig, nicht mal KI. Auch ist oft zu hören, dass KI über die Vergabe von Krediten entscheidet – in der Regel sind es aber keine KI-Systeme, sondern ganz normale algorithmische Programme, die nach strengen Regeln und Datenauswertung die Entscheidungen treffen.

Allerdings wird in diesem Segment auch mit KI experimentiert, das muss man der Ehrlichkeit halber erwähnen. Auch so mancher Filter, der in Social Media unser Gesicht verfremdet, ist keine KI im strengen Sinne, sondern ein Algorithmus. Man muss wirklich genau hinschauen, ob wirklich KI nötig und sinnvoll ist.

Offener Brief fordert sofortigen Stopp

Vor einigen Tagen wurde ein offener Brief veröffentlicht, der ausdrücklich zu einem sofortigen Stillstand bei der Weiterentwicklung von KI aufruft. Wer und was steckt dahinter?

Es haben wirklich viele Prominente aus dem Silicon Valley mitformuliert und unterschrieben, darunter der Apple-Mitbegründer Steve Wozniak, aber auch Elon Musk. Hunderte Namen dieser Größenordnung haben unterschrieben und unterstützen die Forderung, die Entwicklung fortschrittlicher KI-Systeme einzustellen. Das betrifft auch ChatGPT5, der geplante Nachfolger vom aktuellen ChatGPT4.

Der Grund, einen Entwicklungsstopp bei KI zu fordern: KI berge tiefgreifende Risiken für die Gesellschaft und Menschheit. Was zweifelsohne zutrifft, ohne Wenn und Aber. Die Unterzeichner des offenen Briefs verlangen ein Moratorium, sollten die Unternehmen der Aufforderung nicht nachkommen.

Das allerdings würde ja voraussetzen, dass sich so schnell viele Regierungen darauf verständigen könnten, was eher unrealistisch erscheint. Die Kritiker sehen viele Probleme: Durch KI erzeugte Propaganda, automatisierte Jobs und Job-Verlust allerorten, eine Intelligenz, die uns alle früher oder später überflüssig machen und sogar übertreffen könnte. Eine „Superintelligenz“, wie das auch genannt wird.

Realistisch oder nicht?

Zunächst einmal: Die Bedenken und Argumente sind ausnahmslos begründet und nachvollziehbar – und auch zutreffend. Und in der Tat wäre es wünschenswert, würden sich Regierungen in aller Welt dieser Sache sofort und ernsthaft annehmen. Denn in der Tat kann und wird KI einen tiefgreifenden Wandel bedeuten. Das Problem ist aber: Regierungen sind träge. Es gibt viele andere Themen. Ohne Druck wird da nicht viel passieren.

Der offene Brief ist da nicht Druck genug. Gleichzeitig haben wir aktuell einen brutalen Wettbewerb: Alle großen Digitalkonzerne wollen vorne mitspielen, jetzt keine Marktanteile einbüßen. Die Karten werden völlig neu gemischt. Es geht darum, möglichst der größte Player im Bereich der KI zu werden, denn hier liegt die Zukunft. Das sagen alle Experten voraus. Im Vergleich zur KI ist das Internet eine kleine Erfindung gewesen. Ich bin skeptisch, dass es zu einem Einhalten oder Abwarten bei den verantwortlichen Unternehmen kommt – in China würde man das sicher nutzen, um sich einen Vorteil zu erarbeiten.