Wenn Onlinedienste den Stecker ziehen

von | 10.10.2019 | Digital

Ein Abschalten mit Ankündigung: Bis zum 29. Oktober haben Nutzer in Venezuela Zeit, ihre Daten aus der Cloud zu holen und lokal auf Festplatte zu speichern. Fotos. Videos. Skizzen. Grafiken. Danach ist Schluss. Der Softwareriese Adobe – bekannt zum Beispiel für seine Foto-Software Photoshop – sperrt ab dem 29. Oktober für Bürger aus Venezuela den Zugang zu ihren in der Cloud gespeicherten Daten – und sogar den zu den Apps. Weil die US-Regierung das anordnet. Aus politischen Gründen. Und das ist kein Einzelfall.

Fangen wir mit dem Fall Adobe an. Adobe sperrt User aus Venezuela aus der Cloud aus.

Es gibt schon lange einen erbitterten politischen Streit zwischen den USA und Venezuela. Jetzt hat die US-Regierunter unter Präsident Donald Trump durch die Exekutivanweisung 1883 alle Geschäfte mit Venezuela strikt untersagt. Personen, Unternehmen, Organisationen aus den USA dürfen keine Transaktionen mehr durchführen.

Deshalb hat Adobe allen Kunden in Venezuela die Zusammenarbeit aufgekündigt: Ab dem 29. Oktober gibt es keinen Zugriff mehr auf die „Creative Cloud“, wo Künstler, Redakteure, Fotografen ihre Arbeiten, Skizzen, Foos etc. ablegen, wenn sie mit Programmen wie Photoshop, Illustrator, Lightroom, InDesign oder Adobe arbeiten. Bestehende Abos dürfen nicht verlängert werden, bereits gezahlte Gebühren nicht erstattet. Früher oder später werden dann auch die Apps nicht mehr funktionieren, weil die Abos nicht mehr verlängert werden können. Einfach ausgeknipst – von heute auf morgen.

Kein Einzelfall: Es weitere Beispiele

Die US-Regierung hat auch untersagt, mit dem chinesischen Hersteller Huawei zu kooperieren. 5G baut Mobilfunktechnik, etwa für 5G, ist aber auch ein riesiger Smartphone-Hersteller. Deshalb hat Google die Partnerschaft mit Huawei aufgekündigt. Es gibt kein Android und keine Google-Apps mehr für Huawei-Smartphones. Das hat sogar Folgen für bestehende Kunden, die ihre Apps nicht mehr aktualsieren können. Einfach, weil es der US-Präsident anordnet. Von heute auf morgen.

Eine ganz schöne Abhängigkeit. Wenn man das weiterdenkt, könnten wir doch praktisch überall betroffen sein – wir speichern doch immer mehr in der Cloud.

Allerdings: Microsoft Office zum Beispiel läuft heute auch als Abo-Modell, in der Cloud. Also Word, Excel, Powerpoint. Viele speichern ihre Dokumente in der Microsoft-Cloud, OneDrive. Sollte Trump auf die Idee kommen, auf Europa böse zu sein, hätte das katastrophale Folgen: Die Büroprogramme ließen sich vom einen auf den anderen Moment nicht mehr benutzen. Der Zugriff auf die Daten wäre blockiert, zumindest bei Daten, die auf US-Servern gespeichert sind. Ein Desaster. Oder wenn Google seine Dienste verweigert, die Apps sperrt, die Kalender blockiert – auch das hätte schlimme Folgen. Ja: Wir sind abhängig.

Umdenken – und weniger abhängig machen

Wenn man sieht, wie einfach die US-Regierung mal eben Apps ausknipst oder Zugänge sperrt, sollten wir unbedingt umdenken.

Es wäre sehr wichtig, dass wir uns unabhängig – oder wenigstens weniger abhängig – machen von US-Unternehmen. Gar nicht so einfach, da diese überall präsent sind. Wir merken es nicht mal: Behörden speichern Daten auf Servern von Google, Amazon oder Microsoft. Fatal!

Es müssten europäische Cloud-Lösungen her. Diese müssten in bestimmten Bereichen bevorzugt oder ausschließlich genutzt werden. Es müsste auch transparent sein für alle User, wo genau Daten und Apps gespeichert sind. Das Ausfallrisiko müsste deutlich gemacht werden. Die kritische Infrastruktur – Banken, Verkehr, Geld, Sicherheit – müsste frei sein von solchen Abhängigkeiten.

Ein schönes Beispiel ist Linux. Das Server-Betriebssystem ist auf den aller meisten Servern weltweit im Einsatz – in der ein oder anderen Form. Das gehört keinem Konzern. Es werden keine Lizenzen gezahlt. Da kann niemand einen Stecker ziehen. Das funktioniert sehr gut.

Auch der Erfinder des Web, Tim Berners-Lee, hat einige Ideen, wie man das Netz wieder dezentraler organisieren könnte – und damit unabhängiger machen könnte. Jeder einzelne User hätte dann auch mehr Kontrolle über seine eigenen Daten, ein angenehmer Nebeneffekt. Aber es bräuchte den politischen Willen, derartige Strukturen zu bevorzugen oder sogar vorzuschreiben – davon sind wir derzeit meilenweit entfernt. Leider. Die Politik sieht das Problem nicht und handelt auch nicht. Obwohl Trump jederzeit den Stecker ziehen könnte – im wahrsten Sinne des Wortes.

 

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