YouTube dreht Adblocker-Nutzern den Hahn zu – und alle denken, die Plattform ist down

von | 08.11.2025 | Social Networks

Tausende Störungsmeldungen, Videos laden nicht, schwarze Bildschirme – gestern Abend dachten viele: YouTube ist tot. Die Störungsportale explodierten förmlich mit Meldungen. Doch Überraschung: YouTube funktioniert einwandfrei. Nur halt nicht für alle. Genauer gesagt: Nicht für die mit aktiviertem Adblocker.

Der neueste Schlag im ewigen Krieg

YouTube hat eine neue Eskalationsstufe im Kampf gegen Werbeblocker gezündet. Und die ist ziemlich rabiat. Seit gestern Mittag (US-Ostküstenzeit) rollt ein Update aus, das selbst die beliebtesten Adblocker wie uBlock Origin oder Adblock Plus außer Gefecht setzt. Die Folge: Videos laden extrem langsam, bleiben schwarz oder starten gar nicht erst. Bei manchen lädt nicht mal mehr die Startseite.

Das Perfide daran: Viele merkten zunächst gar nicht, dass ihr Adblocker das Problem ist. Sie dachten einfach, YouTube hätte einen großen Ausfall. Auf X (ehemals Twitter) und Reddit häuften sich Berichte: „Ist YouTube bei euch auch down?“ Die Antwort: Nein, ist es nicht. Es sei denn, ihr blockt Werbung.

Seit 20 Jahren gibt es Youtube: Was als kleine Plattform für Videos begann ist heute ein Medienimperium
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Selbst Premium-Nutzer sind betroffen

Besonders absurd: Auch zahlende Premium-Abonnenten hatten Probleme – wenn sie zusätzlich einen Adblocker aktiviert hatten. Das ist insofern kurios, als Premium-Nutzer ohnehin keine Werbung sehen. Offenbar interessiert YouTube das nicht. Die Botschaft ist klar: Wir erkennen einen Adblocker? Dann gibt’s Probleme. Punkt.

Ein Reddit-User schrieb: „Ich habe Premium, aber auch einen Adblocker. Das Abschalten des Adblockers hat das Problem für mich gelöst.“ Willkommen in der absurden Welt von YouTube, wo man fürs werbefreie Schauen zahlt und trotzdem bestraft wird.

Wie YouTube die Blocker erkennt

Wie genau YouTube das anstellt, verrät Google natürlich nicht. Die Plattform nutzt verschiedene Techniken: Sie analysiert HTTP-Anfragen, um typische Muster von Adblocker-Software zu erkennen. Sie setzt JavaScript ein, um Blocker zu detektieren. Und sie beobachtet das Nutzerverhalten, um verdächtige Aktivitäten zu identifizieren.

Das alles findet angeblich serverseitig statt, sagt YouTube. Datenschützer zweifeln daran und vermuten, dass die Erkennung doch auf den Geräten der Nutzer läuft – was potenziell gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen könnte. Ein öffentlicher Beweis für YouTubes serverseitige Methode steht bislang aus.

Das Katz-und-Maus-Spiel geht weiter

YouTube und Adblocker liefern sich seit Jahren einen erbitterten Kampf. Mal gewinnt die eine Seite, mal die andere. YouTube hat schon mehrfach seine Strategien verschärft: Erst kamen Pop-up-Warnungen, dann wurde die Videowiedergabe komplett blockiert, später die Ladegeschwindigkeit der Website gedrosselt. Jetzt springen Videos bei aktiviertem Blocker teilweise direkt ans Ende oder laden erst nach quälend langen Wartezeiten.

Die Community hofft natürlich darauf, dass die Entwickler von uBlock Origin und Co. bald ein Update liefern, das die neuen Blockaden umgeht. Das dürfte auch geschehen – bis YouTube die nächste Runde einläutet. Und so weiter, und so fort.

Welche Optionen bleiben?

Für Nutzer, die keine Werbung sehen wollen, gibt es im Grunde drei Wege:

  1. YouTube Premium buchen: Das kostet rund 13 Euro pro Monat und bietet werbefreies Schauen plus einige Extras wie Offline-Downloads. Seit kurzem gibt es auch YouTube Premium Lite für etwa 6 Euro, allerdings mit Einschränkungen bei Musik und Shorts.
  2. Adblocker wechseln: Manche Blocker funktionieren (noch). uBlock Origin Lite wird zum Beispiel genannt. Aber das ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese erwischt werden.
  3. Einen anderen Browser nutzen: Firefox-Nutzer mit uBlock Origin scheinen derzeit noch bessere Karten zu haben als Chrome-User. Das liegt daran, dass Chrome – auch ein Google-Produkt – Adblocker ohnehin schon beschneidet.
  4. Den Embed-Trick nutzen: Wer Videos über die „Einbetten“-Funktion öffnet, kann sie oft ganz ohne Werbung anschauen. Allerdings ist das umständlich und keine dauerhafte Lösung.

Warum macht YouTube das überhaupt?

Ganz einfach: Geld. Werbung ist eine Haupteinnahmequelle für YouTube. Je mehr Leute Werbung blockieren, desto weniger verdient die Plattform. Und je mehr Leute auf Premium umsteigen, desto mehr verdient YouTube direkt an seinen Nutzern. Die Rechnung ist simpel.

YouTubes Standpunkt ist klar: Wer Videos schauen will, muss entweder Werbung akzeptieren oder zahlen. Kostenlos und werbefrei? Das gibt’s nicht mehr. Die Nutzungsbedingungen verbieten Adblocker explizit – auch wenn das kaum jemand liest.

Die rechtliche Grauzone

Interessant wird’s juristisch. Patrick Breyer, Anwalt für digitale Rechte und Mitglied des Europäischen Parlaments, kritisierte YouTubes Vorgehen bereits 2023 scharf: „YouTube will uns mit einer Anti-Adblock-Wand zu Überwachungswerbung und Tracking zwingen.“ Er forderte die EU-Kommission auf, die Rechtmäßigkeit zu prüfen. Ein Ergebnis steht noch aus.

Sollte sich herausstellen, dass YouTube tatsächlich auf Nutzergeräten scannt, könnte das ein Verstoß gegen die DSGVO sein. Dann würde es richtig interessant. Aber bislang passiert: nichts.

Was bedeutet das für uns?

Die Botschaft ist unmissverständlich: YouTube duldet keine Adblocker mehr. Punkt. Das Unternehmen geht mittlerweile so hart vor, dass selbst die besten Blocker kapitulieren müssen. Parallel dazu weitet YouTube die Werbung aus: 30-Sekunden-Spots, die nicht übersprungen werden können, sind in der Testphase. Selbst Premium-Lite-Nutzer werden künftig bei Shorts Werbung sehen.

Für viele Nutzer fühlt sich das an wie Erpressung: Zahle oder ertrage die Werbung. Eine dritte Option gibt es nicht mehr – zumindest nicht offiziell. Das erinnert stark an das alte Fernsehen: Werbung alle paar Minuten, keine Möglichkeit zum Vorspulen, keine Kontrolle.

Ob das funktioniert? Kurzfristig sicher. Langfristig? Schwer zu sagen. Vielleicht gewöhnen sich die Leute daran. Vielleicht wandern sie zu alternativen Plattformen ab. Oder vielleicht kommt irgendwann der Punkt, an dem YouTube merkt, dass man es übertrieben hat.

Bis dahin heißt es: Willkommen im neuen YouTube. Werbung inklusive. Ob ihr wollt oder nicht.