Die umstrittene Internet-Sperre kommt

Im Web gibt es nichts, was es nicht gibt – auch Kinderpornografie. Leider. Deshalb hat die Bundesregierung auf Antrieb von Bundesministerin Ursula von der Leyen vor kurzem die heftig umstrittene Gesetzesinitiative zur so genannten „Zugangserschwernis“ für Webseiten mit Kinderpornografie verabschiedet. Offizielles Ziel: die „Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“. Damit soll der Konsum von Kinderpornografie im Web eingedämmt werden.

Das Prinzip der Sperre ist einfach: Steuert ein Datensurfer eine einschlägig bekannte Webseite mit kinderpornografischen Inhalten an, soll ein Stopp-Schild auf dem Bildschirm erscheinen. Gleichzeitig ist geplant, die IP-Adressen derjenigen zu sammeln, die auf der Sperrliste befindliche Webangebote ansteuern. Was mit den Daten konkret angestellt wird, bleibt allerdings unbeantwortet.

BKA legt die Sperrliste fest

Welche Webseiten zu sperren sind, legt das Bundeskriminalamt (BKA) fest. Die Liste mit den zu sperrenden Domains wird dann an alle größeren Internetprovider verteilt. Die wiederum müssen per Gesetz dafür sorgen, dass der Benutzer ein rotes Stopp-Schild sieht und keinen Zugang zur Webseite erhält. (Kleinere Anbieter sowie Betreiber von geschlossenen Netzwerken sind von der Pflicht zur Sperre zunächst entbunden.)

Die Vorgehensweise klingt für Laien nahe liegend, da sie einem sinnvollen Ziel zu dienen scheint. Dennoch regt sich im Netz enormer Widerstand dagegen. Am Tag, an dem die Gesetzesinitiative unterschrieben wurde, haben populäre Blogseiten wie spreeblick.de einen kompletten Tag lang eine Protestnote präsentiert und die üblichen Inhalte aus dem Netz genommen. Viele in der Blogszene sind mit der geplanten Sperrung unglücklich . Nicht etwa, weil dadurch kinderpornografische Inhalte gesperrt werden, sondern weil sich viele fragen, ob die Sperrung von Webseiten, die viele als „Zensur“ empfinden, überhaupt das passende Mittel ist, um Kinderpornografie aus dem Web zu verbannen. Nicht wenige bezweifeln das.

Sperren lassen sich leicht umgehen

Viele Experten kritisieren außerdem, dass sich die Sperren leicht umgehen lassen und deshalb weitgehend nutzlos sein dürften. So reicht es zum Beispiel schon aus, anstelle der Domain (www.domain.de) die jeweilige IP-Adresse des Servers zu benutzen (123.123.123.123), um die Sperre zu umgehen. Auch ist es möglich, einen Umweg über ausländische Server zu gehen, schon ist die geplante Sperre wirkungslos. Im Internet kursieren Videos, die in 27 Sekunden erklären, wie jeder ohne großen Aufwand und Geschick die Sperre aushebelt.

Darüber hinaus ist auch die Methodik selbst umstritten. Ungewöhnlich zum Beispiel, dass nicht etwa ein Gericht festlegt, welche Webseiten von der Sperrung betroffen sein sollen, sondern eine Behörde, in diesem Fall das BKA. Selbst eine nachträgliche Kontrolle oder Genehmigung der Sperren ist nicht vorgesehen. Zudem kann niemand kontrollieren, welche Webseiten auf der Sperrliste stehen, denn die Sperrliste selbst soll geheim bleiben. Selbst die Betroffenen bekommen nicht mitgeteilt, dass sie auf einer Sperrliste stehen.

Kritiker beklagen Intransparenz

„Ein derart undurchsichtiger, unkontrollierbarer Mechanismus ist bedenklich, weil die Sperrmaßnahmen Grundrechte wie Informationsfreiheit und allgemeine Persönlichkeitsrechte berühren“, schreiben die Redakteure der Fachzeitung „c’t“. Die Kritik bezieht sich vor allem auf die Art und Weise, wie die Sperrliste zustande kommt. Ungewöhnlich viel Macht für eine Behörde.

Außerdem stellen viele die Frage, was passiert, wenn Webangebote versehentlich oder fälschlicherweise gesperrt werden? Wer kommt dann für den entstandenen Schaden auf? So etwas kann heute schnell passieren, denn kriminelle Inhalte werden nur noch selten auf regulären Webseiten verteilt, sondern immer öfter in Peer-to-Peer-Netzwerken oder über gehackte Server. Im Grunde müsste in jedem Einzelfall ausführlich geprüft werden, wie die Angebote eigentlich „gehostet“ werden, also ins Netz gelangen. Das erfordert, neben der inhaltlichen Prüfung, damit auch eine technische Beurteilung.

Mögliche Ausweitung der Sperre befürchtet

Viele reden deshalb von „Zensur“. Der Chaos Computer Club und einige Bürgerrechtler befürchten sogar, die Methode der Sperrliste könnte künftig, einmal installiert und bewährt, auch zur Sperrung anderer Webangebote eingesetzt werden. Warum nicht auch politisch unerwünschte Webangebote sperren? Dann Webseiten, die potenzielle Amokläufer ansteuern? Später Webseiten, auf denen Tabak oder Alkohol zu sehen sind? Es würde schwer, dann eine Grenze zu ziehen, wenn die technischen Voraussetzungen erst einmal geschaffen sind. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries teilt diese Sorge kürzlich.

Nichts zu unternehmen gegen Kinderpornografie ist natürlich auch keine Lösung. Allerdings sollten die Verantwortlichen die Kritik ernst nehmen, denn die ist alles andere als unberechtigt. Vorschläge für andere Maßnahmen gegen Kinderpornografie im Web gibt es zahlreiche, viele davon vielversprechend. Auch diese sollten erwogen und geprüft werden.

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