Seehofer will: Passfotos künftig nur noch unter staatlicher Aufsicht

von | 08.01.2020 | Digital

Zehn Jahre hält ein Personalausweis – oder Reisepass. Bei Erwachsenen. Dann müssen wir zum Amt, einen neuen Pass beantragen. Und Fotos mitbringen. Seit einigen Jahren müssen die bestimmten Kriterien genügen: Geradeaus schauen, nicht lächeln – damit daraus biometrische Merkmale ausgelesen werden können. Diese Fotos haben wir häufig beim Fotoladen um die Ecke gemacht. Damit könnte bald Schluss sein. Denn Innenminister Seehofer will, dass Passbilder nur noch unter Aufsicht in der Behörde entstehen. Warum das?

Bundesinnenminister Seehofer will Fotobuden in Ämtern aufstellen. Da sollen wir unsere Fotos unter Aufsicht der Beamten machen – und unsere Fingerabdrücke hinterlassen. Warum sind die Fotos, die wir mitbringen, nicht mehr gut genug?

Der Grund liegt auf der Hand: Moderne Methoden der Fotomanipulation ermöglichen heute Veränderungen an Fotos, so sehr im Detail, dass es dem normalen Auge des Beamten nicht auffällt – doch mit enormen Auswirkungen. Beispiel Das so genannte Morphing: Englisch für Verwandlung. Hier werden zwei oder mehr Fotos durch die Morphing-Software gejagt. Die Bilder verschmelzen zu einem ganz neuen.

Mehrer Gesichter in einem Foto durch Morphing

Das Foto sieht dann dem Passinhaber ähnlich, aber auch zum Beispiel einer anderen Person, irgendwie auch logisch, wenn man aus zwei Bildern von Menschen eines macht, ähnelt das entstanden Bild beiden etwas. Der Beamte hat kaum die Möglichkeit den Unterschied zur realen Person zu sehen.

Aber: Der menschliche Beamte kann vielleicht irren. Beim Erstellen eines Passes wird jedoch per Computerprogramm kontrolliert, ob alle biometrischen Daten vorliegen.

Die biometrischen Daten sind aber nicht weg, sie sind nur leicht variiert. Das Foto enthält durch das Morphing unter Umständen auch biometrische Daten von anderen Personen. Bedeutet: Der Beamte denkt, es handelt sich um die Person, die den Pass beantragt. Weil irgendwie ja zwei Gesichter in der gemorphten Aufnahme stecken. Später kann aber eine ganz andere Person zum automatischen Gesichts-Check gehen – das ist mit biometrischen Daten ja möglich – und wird auch authentifiziert, also durchgelassen. Weil die biometrischen Daten der zweiten Person im Foto ebenfalls enthalten sind – und auch die Software das Morphing nicht bemerkt.

Natürlich kann man nicht die Bilder von Schwarzenegger und Greta Thunberg kombinieren. Die Personen müssen schon zumindest eine gewisse Ähnlichkeit haben. Aber wenn das gewährleistet ist, kann es klappen: Die biometrischen Daten mehrerer Personen, die sich nur im Detail unterscheiden, sind dann im Bild drin. Denn die Systeme, die Gesichter prüfen, haben natürlich eine gewisse Fehlertoleranz. In diesem Bereich muss sich die Manipulation bewegen. Das ist nichts, was man mal so eben macht – aber auf jeden Fall denkbar. Es hat auch schon Belege dafür gegeben, dass so etwas tatsächlich funktioniert.

Es hat schon Fälle gegeben: Genorphte Fotos angenommen

Das Künstlerkollektiv Peng hat im Rahmen der Kunstaktion MaskID hat im September 2018 dem Meldeamt in Berlin ein gefälschtes Foto vorgelegt – und es wurde anstandslos ein Pass ausgestellt. Die Künstler haben das Foto einer Aktivistin mit dem der EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini per Morphing verschmolzen. Und: Es hat geklappt. Das zeigt, dass es eindeutig Sicherheitslücken gibt. Sie auszunutzen ist nicht trivial – aber möglich.

Im Foto-Booth direkt im Amt sind Manipulationen natürlich ausgeschlossen. Die Aufnahmen wandern unmittelbar zum Sachbearbeiter. Es gäbe sicher auch andere Möglichkeiten, Passfotos sicherer zu machen. Man könnte zum Beispiel verlangen, dass Fotos eine digitale Signatur aufweisen. Wenn zertifizierte Studios die Aufnahmen machen und signieren. Dann ist nichts mit Morphing, das würde nämlich auffallen… Das Gesicht als sichere Referenz, darum geht es ja im Grund, hat aber immer mehr Probleme. Leider ist es aber heute sehr einfach, zu manipulieren. Nicht nur Fotos, sondern auch Audios und Videos, da gibt es im Netz immer mehr Probleme.

 

Besonders gefährlich: Deepfake Videos

Es gibt noch die ganz andere Seite, so genannte Deepfake-Videos: Da sprechen Politiker, etwa Barack Obama, und sagen etwas, das sie nie gesagt haben. Es sieht echt aus, es hört sich echt an. Mundbewegungen, Gesichtsmimik – alles passt. Doch die Aufnahmen  kommen aus einem Computerprogramm. Sogar komplett künstliche Gesichter möglich, die wirken wie echte Menschen. Es gibt schon beeindruckende Beispiele, die für Furore gesorgt haben. Etwa Barack Obama, der sich über Trump lustig macht. Oder Mark Zuckerberg, der zugibt, die Herrschaft über die Welt an sich reißen zu wollen. Facebook plant deshalb jetzt, solche Deepfake-Videos zu löschen, wenn sie entdeckt werden. Auch hier wird also etwas gegen die zunehmende Manipulation in Fotos und Videos unternommen.

Wir werden immer mehr Betrügereien sehen – etwa, um Sicherheits-Checks zu überlisten oder um die Öffentlichkeit zu täuschen. So etwas wird uns mehr und mehr beschäftigen und es braucht Methoden, das zu verhindern. Im Fall der Passbilder wäre es aber erst dann so richtig wirksam, wenn das alle Staaten so handhaben. So könnten Terroristen sich einfach zB einen französischen Pass ausstellen. Der Schritt, die Fotoaufnahmen sicherer zu machen, halte ich deshalb für keinen übertriebenen Schnickschnack, sondern durchaus für nachvollziehbar – und auch angemessen. Wir haben keinen wirklichen Nachteil dadurch. Die kleinen Fotoläden natürlich schon.