Cyberbunker: Die Sache mit dem Provider-Privileg

von | 21.10.2020 | Digital

Illegale Geschäfte im Netz abzuwickeln – ist ein riesiges Geschäft. In Deutschland wird aktuell ein besonders großer Fall verhandelt: Ein komplettes Rechenzentrum – unterirdisch in einem Bunker platziert – wurde für kriminelle Machenschaften und illegale Deals verwendet. Der Cyberbunker war ausschlielich für illegale Geschäfte im Darknet im Einsatz.

So etwas geht in Zeiten von Corona leider unter, aber Deutschland hat gerade ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren: Gegen die Betreiber von zahllosen kriminellen Darknet-Angeboten.

Der Prozess am Landgericht Trier ist äußerst kompliziert und komplex – und soll womöglich bis Ende 2021 dauern. Denn es wird gegen die Betreiber eines Rechenzentrums verhandelt, über das massenhaft kriminelle Geschäfte abgewickelt wurde. Bekannt als der „Cyberbunker“.

Mindestens 249.000 Straftaten nachgewiesen

Angeklagt ist ein Niederländer sowie sieben weitere Personen (einige davon Familienmitglieder, also eine Art Family Business), die gemeinsam in einer Bunkeranlage in Traben-Trarbach ein Rechenzentrum betrieben haben. Die Mannschaft hat über Jahre hinweg die Infrastruktur für Angebote im Darknet bereitgestellt. Meint: Im Cyberbunker wurden vor allem Server betrieben, über die kriminelle Geschäfte abgewickelt wurden. Die Anklage spricht von mindestens 249 000 Straftaten.

Der Prozess dauert so lange, weil es grundsätzlich schwierig ist, Aktivitäten im Darknetz nachzuweisen. In diesem Fall ist es den Behörden gelungen. Sie haben keine Klitsche ausgehoben, sondern einen regelrechten Platzhirschen. Besonders schwierig, beklagt Oberstaatsanwalt Jörg Angerer in der Süddeutschen Zeitung, sei das sogennante „Providerprivileg“.

„Der Provider muss nicht prüfen, was auf seiner Plattform passiert, das kann er oft gar nicht. Nur wenn er Kenntnis von kriminellen Geschäften hat, muss er aktiv werden.“

Provider-Privileg: Wichtig – aber reformbedürftig

Ob es wirklich gelingt, dem Unternehmen (Provider) Beihilfe zu Cyber-Straftaten nachzuweisen – zumal in diesem Umfang! -, ist derzeit leider noch völlig offen. Das Rechtswesen ist manchmal sehr kompliziert. Dabei ist es augenscheinlich, dass das komplette Rechenzentrum für allein diesen Zweck gebaut und betrieben wurde. Kein „Cyberbunker“ – dieser Begriff ist viel zu harmlos und verniedlichend! -, sondern eher ein virtuelles „Sodom und Gomorra“.

Das Provider-Privileg ist wichtig. Denn natürlich kann ein gewöhnlicher Provider nicht wissen, ob jemand zum Beispiel über einen gemieteten Server Canabis verhökert – oder IT-Infrastruktur angreift. Nur: Die seriösen Provider versuchen, Missbrauch zu erkennen – und reagieren entsprechend, wenn etwas Auffälliges passiert.

Mehr Sorgfaltspflichten wünschenswert

Ein Rechenzentrum, das praktisch ausschließlich Darknet-Angebote betreibt und in dieser „Branche“ ganz offensichtlich einen guten Ruf genießt, kann wohl kaum behaupten, nichts davon gewusst zu haben.

Das Privileg ist meiner Ansicht nach reformbedürftig. Es ist an der Zeit, das Provider-Privileg präziser zu formulieren: Keine unangemessene Einmischung – aber angemessene Sorgfaltspflichten. Denn einen weiteren „Cyberbunker“ brauchen wir garantiert nicht.

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