Streit um Klarnamenpflicht: Facebook verliert vor dem BGH

von | 27.01.2022 | Digital

Der Bundesgerichtshof stellt klar: Facebook kann bestimmt User nicht dazu zwingen, Klarnamen zu verwenden. Alle User, die sich vor Mai 2018 beim Netzwerk angemeldet haben, dürfen auch Pseudonyme verwenden. Was das im Alltag bedeutet – nicht nur für Facebook-User.

Facebook schreibt seinen Nutzern in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen vor, im Netzwerk einen Klarnamen zu verwenden, den sie „auch im alltäglichen Leben gebrauchen“. Das soll laut Betreiber die „Hemmschwelle für Hassrede und Mobbing erhöhen“ (was durchaus umstritten ist).

Immer wieder halten sich User nicht daran und verwenden Pseudonyme wie „Snoopy123“. Tatsächlich verpflichtet das deutsche Telemediengesetz Anbieter, die Nutzung ihrer Dienste „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist“.

Trotzdem fordert Facebook Nutzer regelmäßig auf, einen Klarnamen zu verwenden, sollten sie ein Pseudonym im Einsatz haben. Weigern sich die Nutzer, sperrt Facebook die Konten.

„Alte“ Facebook-Konten dürfen Pseudonyme verwenden

Dagegen hatten ein Mann und eine Frau geklagt, deren Konten von Facebook gesperrt wurden. Bis zum Oberlandesgericht hat Facebook Recht bekommen. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute (27.01.2022) entschieden: Dieses Recht auf die Verwendung eines Pseudonyms wirkt schwerer als die Formulierungen in den Nutzungsbedingungen. Facebook muss die gesperrten Konten freigeben und dort Pseudonyme zulassen. Die Kläger haben Recht bekommen.

Allerdings – und das macht die Sache für Konsumenten ein wenig kompliziert – gilt das nur für „Altfälle“ –, für Menschen, die ihre Konten schon vor Mai 2018 bei Facebook eröffnet haben. Denn seit Mai 2018 gilt die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die kein solches Recht auf Pseudonyme mehr vorsieht. Deshalb kann Facebook Nutzer, deren Konten nach Mai 2018 eröffnet haben, dann zum Verwenden eines Klarnamens verpflichten.

Prinzipiell gilt die Entscheidung auch für andere Netzwerke. Sollte ein Netzwerk die Nutzerinnen und Nutzer in den Geschäftsbedingungen zur Verwendung eines Klarnamens verpflichten – so wie Facebook –, so steht dem rechtlich aktuell nichts entgegen.

Debatte: Klarnamenpflicht oder Recht auf Pseudonyme?

Schon lange gibt es eine Debatte darüber, was besser ist: Pseudonyme ermöglichen es Menschen öffentlich ihre Meinung zu sagen, ohne Belästigungen oder Repressalien befürchten zu müssen. Wenn unter Pseudonym Hass oder Hetze verbreitet werden, erschwere das eine Rechtsverfolgung und/oder senke die Hemmschwelle, sagen andere.

Allerdings gibt es auch eine Studie von der Universität Zürich, die belegt: Anonyme Nutzer kommentieren weniger aggressiv als User, die mit Klarnamen unterwegs sind.

In der Tat scheint Klarnamenpflicht kein Allheilmittel zu sein. In Südkorea wurde die Klarnamenpflicht eingeführt – und nach einigen Jahren auch wieder aufgehoben, da sie nicht den gewünschten und erwarteten Effekt gebracht hat.

Wirkung und Zusammenhang einer Klarnamenpflicht und der Bereitschaft zu aggressivem Verhalten im Netz sind also nicht so offensichtlich, wie es auf den ersten Blick erscheint.