Während Künstliche Intelligenz unseren Alltag revolutioniert, versteckt sich hinter den smarten Chatbots und automatischen Bildgeneratoren ein wahres Energiemonster.
Der gigantische Stromhunger der KI-Systeme hat inzwischen so dramatische Ausmaße angenommen, dass Tech-Giganten wie Google zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen: Der Suchmaschinenkonzern hat jüngst einen brisanten Atom-Pakt geschlossen, um den wachsenden Energiebedarf seiner KI-Rechenzentren zu decken.

Der unbändige Energiehunger der KI-Systeme
Die Zahlen zum Energieverbrauch künstlicher Intelligenz sind alarmierend. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert eine Verdopplung des weltweiten Strombedarfs von Rechenzentren bis 2030 auf rund 945 Terawattstunden. Diese Menge entspricht mehr als dem gesamten aktuellen Jahresverbrauch Japans. Der Haupttreiber dieser Entwicklung? Künstliche Intelligenz.
Besonders beeindruckend wird das Ausmaß, wenn man einzelne KI-Anwendungen betrachtet: Jede Anfrage bei ChatGPT und ähnlichen Systemen verbraucht zwischen drei und neun Wattstunden Strom – bis zu zehnmal mehr als eine herkömmliche Google-Suche. Bei täglich 195 Millionen Anfragen allein bei ChatGPT summiert sich dies zu einem enormen Energiebedarf.
Rechenzentren verschlingen bereits heute etwa 1-2 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs, in Industrieländern wie Deutschland sogar 3,7 Prozent. Doch das ist erst der Anfang: Durch KI könnte dieser Anteil in den kommenden Jahren dramatisch steigen. Eine Studie schätzt sogar, dass KI-Anwendungen bis 2030 für bis zu 8 Prozent des globalen Energieverbrauchs verantwortlich sein könnten.
Die technische Dimension: Warum KI so energiehungrig ist
Was macht KI-Systeme zu solchen Stromfressern? Die Antwort liegt in der immensen Rechenleistung, die für das Training und den Betrieb dieser Systeme erforderlich ist. Moderne Sprachmodelle wie GPT-4 benötigen Tausende leistungsstarker Grafikprozessoren (GPUs), die permanent unter Volllast arbeiten.
„Allein um ChatGPT am Laufen zu halten, benötigt OpenAI nach Daten des Forschungsunternehmens SemiAnalysis 3.617 Server mit insgesamt 28.936 Grafikprozessor-Einheiten“, berichtet der Forscher Alex de Vries. „Daraus ergibt sich ein Energiebedarf von 564 Megawattstunden pro Tag.“
Die Situation verschärft sich weiter, wenn man den Wasserverbrauch einbezieht, der für die Kühlung dieser Hochleistungsrechner notwendig ist. Eine Analyse US-amerikanischer Forscher zeigt, dass schon 20 bis 50 Anfragen bei ChatGPT einen halben Liter Wasser für Kühlzwecke benötigen.

Googles brisanter Atom-Pakt
Vor diesem Hintergrund hat Google nun einen bemerkenswerten Schritt unternommen: Der Konzern hat eine Vereinbarung mit Elementl Power geschlossen, einem noch jungen Unternehmen für Nuklearprojekte. Gemeinsam wollen sie „drei fortschrittliche Kernkraftwerke“ für Standorte in den USA entwickeln, jedes mit einer Leistung von mindestens 600 Megawatt.
Das erste dieser Kraftwerke soll bereits 2030 ans Netz gehen – ein ambitioniertes Ziel, bedenkt man, dass Elementl Power erst 2022 gegründet wurde und bisher keinerlei Erfahrung mit dem Bau von Atomreaktoren hat.
Diese Kooperation ist Teil einer umfassenderen Nuklearstrategie von Google. Bereits im Oktober 2024 kündigte der Konzern eine Partnerschaft mit dem Startup Kairos Power an, um kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors, SMRs) zu entwickeln. Bis 2035 soll hier eine Leistung von bis zu 500 Megawatt erreicht werden.
Nicht nur Google: Die gesamte Tech-Branche sucht nach Energielösungen
Google steht mit seinen Energie-Herausforderungen nicht allein da. Auch andere Technologiegiganten wie Amazon, Meta und Microsoft suchen nach Wegen, ihren steigenden Energiebedarf zu decken – teilweise ebenfalls mit Nukleartechnologie.
Microsoft plant, einen Reaktor im stillgelegten US-Atomkraftwerk Three Mile Island wieder in Betrieb zu nehmen. Amazon Web Services erwarb einen Rechenzentrumscampus direkt am Gelände des Susquehanna-Kernkraftwerks in Pennsylvania und hat ebenfalls Investitionen in SMRs angekündigt.
Die Boston Consulting Group rechnet damit, dass die elektrische Leistungskapazität der weltweiten Rechenzentren zwischen 2023 und 2028 jährlich um 16 Prozent steigt. Das entspräche einer Verdopplung in den nächsten vier Jahren auf 125 Gigawatt – zum Vergleich: Die durchschnittliche Spitzenlast von Frankreich und Deutschland zusammen liegt bei etwa 150 Gigawatt.

Herausforderungen und kritische Stimmen
Trotz der ambitionierten Pläne gibt es erhebliche Zweifel und Kritik. Die Zeitpläne, insbesondere die Inbetriebnahme eines Reaktors durch das unerfahrene Unternehmen Elementl Power bis 2030, werden in Fachkreisen skeptisch gesehen.
Allison Macfarlane, ehemalige Vorsitzende der US-Atomaufsichtsbehörde NRC, bezeichnet es als „unverantwortlich, neue Reaktoren zu bauen, wenn man das Abfallproblem nicht gelöst hat“. Ironischerweise könnten SMRs laut einer Studie sogar mehr radioaktiven Abfall pro Energieeinheit produzieren als traditionelle Großreaktoren.
Zahlreiche Umweltorganisationen lehnen die Nuklearstrategie der Technologiekonzerne vehement ab und bezeichnen sie als teuer, gefährlich und als Ablenkung von echten Klimalösungen.
Alternativen und Ausblick
Es gibt auch Ansätze, den Energieverbrauch von KI-Systemen zu optimieren. Einige Unternehmen arbeiten an energieeffizienteren Algorithmen und Prozessoren. Google selbst setzt laut eigenen Angaben nicht ausschließlich auf Kernkraft, sondern investiert auch in verbesserte Geothermie und den Einsatz von KI zur Optimierung von Stromnetzen.
Ob die Kernkraft für Google und andere Tech-Unternehmen tatsächlich zu einer Schlüsseltechnologie für eine CO₂-neutrale KI-Zukunft wird, bleibt jedenfalls eine der umstrittensten Fragen der kommenden Jahre. Fest steht: Der ungebremste Energiehunger der KI-Systeme stellt eine der größten Herausforderungen für die nachhaltige Digitalisierung dar.
Während KI-Systeme in immer mehr Bereichen unseres Lebens Einzug halten, müssen wir uns dringend mit der Frage auseinandersetzen, wie wir den wachsenden Energiebedarf dieser Technologien ökologisch vertretbar decken können – sei es durch effizientere Algorithmen, neue Kühlmethoden oder tatsächlich durch alternative Energiequellen wie Kernkraft.