BeReal: App mit ungewöhnlichen Rahmenbedingungen

BeReal: Das echte Leben – oder zumindest so ein bisschen

Seit einigen Wochen macht die Foto-App BeReal von sich Reden. Sie gilt als eine Art Anti-Instagram. Denn hier gibt es keine Filter – und die User können nicht entscheiden, wann sie fotografieren. Hat ein solches Konzept Aussicht auf Erfolg?

Auf Instagram geht es den Menschen immer so gut: Leckeres Essen, tolle Urlaube und Locations, Spaß mit Freunden und Familie – oder mit dem Haustier. Die Frisur sitzt, die schicken Klamotten auch. Die Pose wirkt perfekt. Eine glattgebügelte Traumwelt. Vielen Menschen geht dieser inszenierte Kram auf die Nerven: Sie wollen etwas mehr Authentizität. Und da kommt BeReal ins Spiel. Eine neue App, eine Community, die aktuell von sich Reden macht. Denn hier soll sich das wahre, das echte Leben abspielen. Fotos ohne Filter und Inszenierung – das zumindest ist die Idee der Macher. Manche sprechen schon von einem Anti-Instagram.

Zwei Minuten Zeit, ein Foto einzustellen
Zwei Minuten Zeit, ein Foto einzustellen

Zwei Minuten Zeit fürs Foto

Bei BeReal ist alles anders als bei Instagram, Facebook, TikTok und Co. Die App beraubt die User der Kontrolle. Sie haben nicht die Wahl, ob sie Fotos oder Videos einstellen. Es gehen nur Fotos. Es gibt keine Filter oder Effekte für die Fotos. Und die App gibt sogar vor, wann die Fotos gemacht und hochgeladen werden sollen.

Einmal am Tag, zu einem völlig überraschenden Zeitpunkt – und das ist jeden Tag ein anderer -, fordert die App alle User gleichzeitig(!) auf, ein „Real“ zu machen: Die Nutzer haben dafür nur zwei Minuten Zeit. Und sie müssen das Foto mit der App anfertigen. Das verhindert, dass Filter zum Einsatz kommen. Das verhindert aber auch Inszenierung, denn die Aufnahmen müssen ja in genau dem Moment gemacht werden, in dem man sich gerade befindet.

Die App nimmt Front- und Rückkamera auf. Also egal, ob man gerade im Kino sitzt, sich Nudeln kocht, sich im Bad befindet oder im Hörsaal oder Bus: Innerhalb von 120 Sekunden ein Foto machen und hochladen, das ist die Aufgabe. Auf diese Weise sieht man ungeschminkte Bilder von seinen Freunden. Schnappschüsse des Lebens.

User können Fotos nachreichen: #late

Klingt nicht so einfach: Was, wenn ich gerade auf der Toilette sitze und kein Foto machen will – oder mich in einer anderen Situation befinde, in der es nicht geht, ein Foto zu machen?

Ganz einfach: Dann kann man das Foto auch später nachreichen. Das wird dann aber markiert als #later. Die Freunde sehen also: Aha, dieses Bild ist also nicht spontan entstanden, sondern doch kontrolliert. Und sollte ein Foto mal misslingen, kann man eine weitere Aufnahme machen. Aber auch das ist dann markiert: Die Freunde sehen: Aha, es ist also nicht die erste Aufnahme, die wir sehen, sondern die zweite oder dritte…

Es herrscht diesbezüglich völlige Transparenz. Wer aber gar keine Fotos hochlädt, kann auch nicht sehen, was die Freunde hochgeladen haben. Es gibt also einen konkreten Anreiz, immer etwas zu posten. Außerdem verschwinden die Aufnahmen auch noch automatisch nach 24h. Es gibt also keine nicht enden wollende Timeline, durch die man durch scrollt… Alle Aufnahmen und Fotos sind weniger als 24h alt. Es gibt auch keine Likes. Die Macher wollen nicht, dass die User Fotos nur hochladen, damit sie anderen gefallen. Diese Art von Belohnungssystem gibt es hier nicht. Das ist in so ziemlich jeder denkbaren Hinsicht etwas anderes als Instagram.

Nur wer mitmacht, darf die Bilder anderer ansehen
Nur wer mitmacht, darf die Bilder anderer ansehen

Back to banality

Back to Banality, sozusagen. Die Macher versprechen “Deine Freunde ich echt”.

Inhaltlich funktioniert das – denn das, was man auf BeReal zu sehen bekommt, ist wahrlich etwas völlig anderes als auf Instagram. Erstaunlich viele Fotos von Menschen, die gerade fernsehen oder am Computer sitzen. Chillen auf dem Sofa, Nudeln essen, vielleicht auch mal ein Spaziergang – das sind sehr häufige Aufnahmen auf BeReal. Man könnte also sagen, das Konzept geht auf.

Da die Leute kaum schummeln können, gibt es eben vor allem banale Alltagssituationen zu sehen. Keine Frage. Und weil jeder gezwungen ist, ein Bild hochzuladen, weil sonst auch keine Bilder angeschaut werden können, landen noch mehr banale Aufnahmen im Netzwerk. Ob das auf Dauer reizvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Wer will schon jeden Tag sehen, wie die Freunde fernsehen oder in der Straßenbahn sitzen.

Monetarisierung noch unklar

Aber wie wollen die Betreiber denn Geld verdienen?

Das ist noch nicht abzusehen. Noch ist BeReal kein Massenphänomen. Doch die App macht aktuell zumindest in Insiderkreisen von sich Reden und findet immer mehr Interessenten. Noch im Januar hatte BeReal weltweit zwei Millionen täglich aktive Nutzer, im Juli waren es bereits 7,9 Millionen. Ich sehe allerdings kein Potenzial für eine Milliarde Nutzer weltweit…

Es gibt keine Werbung in der App, laut Anbieter werden auch keine Daten erhoben oder ausgewertet. Noch fehlt es also an einem Monetarisierungsmodell. Das muss aber nicht so bleiben. Wenn so eine App sich rasant entwickelt und deutlich mehr User anzieht als bislang, wäre sie ein Kaufkandidat für Facebook, Google oder Apple. Dann würde Geld fließen. Vorher wohl eher nicht.

Allerdings testet Instagran in einem kleinen Kreis bereits das Konzept von BeReal aus: Instagram fordert einige Benutzer auf, an einer „IG Candid Challenges teilzunehmen“ und „jeden Tag eine Benachrichtigung zu erhalten, um ein Foto in zwei Minuten aufzunehmen und zu teilen“. Genau das Grundkonzept von BeReal. Mark Zuckerberg ist auf das Konzept also bereits aufmerksam geworden.

 

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