Es gibt Webseiten, die sind kriminell: Kinderpornografie, rassistische Hetze, Urheberrechtsverletzungen. Oft gelingt es nicht, die Server abzuschalten oder die Inhalte zu entfernen – weil die Server im Ausland stehen.
Diese Woche hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein wegweisendes Urteil gefällt: Auch Access Provider können unter bestimmten Umständen verpflichtet werden, bestimmte Inhalte im Netz zu blockieren. Das war bislang undenkbar, könnte aber in Zukunft passieren. Allerdings hat der BGH strenge Regeln aufgestellt, wann das in Frage kommt.
Worum ging es eigentlich in dem Fall, den der Bundesgerichtshof diese Woche verhandelt hat?
Die Verwertungsgesellschaft GEMA und mehrere Musik-Labels haben sich gegen Webseiten wie 3dl.am und goldesel.to gewehrt. Auf den Webseiten wurden Links zu illegalen Download-Quellen veröffentlicht. Da konnte man kostenlos Musik herunterladen, illegal. Da die Webseiten im Ausland betrieben wurden und die Betreiber der Webseiten nicht auskundschaftet werden konnten, wollten GEMA und Musik-Labels Access Provider, also Internet-Provider, die Kunden Zugang zum Netz anbieten, dazu verpflichten, diese Webseiten zu sperren.
Dagegen hat sich der Internet-Zugangsanbieter gewehrt, deshalb hatten GEMA und Musik-Label geklagt. Verschiedene gerichtliche Instanzen haben dem Access Provider Recht gegeben. Der BGH wurde wegen einer Revision angerufen – und hat im konkreten Fall ebenfalls dem Access Provider Recht gegeben. Aber auch gesagt: Grundsätzlich ist es denkbar, Access Provider zu verpflichten, Internetangebote zu sperren, wenn es dafür rechtliche Gründe gibt. Allerdings sind die Hürden dafür hoch.
Du sagst: Die Hürden sind hoch. Was muss passieren, damit Access Provider dazu gezwungen werden, Inhalte zu sperren?
Bislang war es undenkbar, dass Internet-Provider gezwungen werden, Inhalte zu blocken. Das ändert sich ab sofort in Deutschland. Der BGH hat genau festgelegt, wann es aus seiner Sicht erforderlich ist, dass Access Provider aktiv werden müssen. Dann nämlich, wenn derjenige, der die Sperrung veranlassen möchte, jeden zumutbaren Aufwand betrieben hat, um die Verursacher zu finden und die Inhalte löschen oder die Server abschalten zu lassen.
Es reicht aber nicht aus, einfach nur einen Brief an den eingetragenen Betreiber einer Webseite zu richten und wenn dieser nicht antwortet, die Access Provider in die Pflicht zu nehmen. Für einen zumutbaren Aufwand hält der BGH es zum Beispiel, die Betreiber der Inhalte auch durch die Arbeit von Detekteien und Ermittlungsbehörden zu ermitteln. Das war im vorliegenden Fall nicht so, deshalb haben GEMA und Musik-Labels in diesem Fall nicht Recht bekommen. Aber in Zukunft kann es passieren, dass Access Provider Inhalte sperren müssen.
Was sagen denn die Access Provider dazu: Ist es überhaupt möglich, Inhalte zu sperren?
Technisch ist es natürlich möglich, Inhalte zu sperren, zumindest im direkten Zugriff durch den Kunden. Dafür müssen Sperrlisten angelegt werden, etwa mit Internet-IP-Adressen oder Domains. Der Kunde bekommt dann keinen Zugriff mehr. Doch die Access Provider sehen sich nicht in der Verantwortung und beklagen den Aufwand, den sie betreiben müssten, obwohl sie eigentlich nichts dafür können. Aber hier hat der BGH klar gesagt: Diesen Aufwand müssen sie halt betreiben.
Aber bringen solche Sperren überhaupt etwas?
Für alle, die „normal“ online gehen, also über DSL, Kabel oder Mobilfunk, die haben dann keinen Zugriff mehr auf die gesperrten Inhalte. Technisch versierte User verwenden aber Hilfsmittel wie ein VPN, ein Virtual Private Network. Damit bekommt man sehr wohl Zugriff auf die geblockten Inhalte. Das ist legal – und wird ja auch von vielen genutzt, etwa um auf in YouTube geblockte Inhalte zuzugreifen. Für all jene, die solche illegalen Inhalte im großen Stil verbreiten oder nutzen, ändert sich also auch in Zukunft eigentlich nicht viel.
Was sagen Kritiker, was sagst Du zu dem Urteil?
Netz-Aktivisten begrüßen das Urteil nicht gerade, denn sie setzen sich immer für ein freies Internet ein, möglichst ohne jede Kontrolle. Außerdem wird befürchtet, dass Sperrlisten – einmal eingerichtet – auch missbraucht werden könnten, etwa im politisch unliebsame Inhalte zu blockieren. Im Ausland wie in China, Türkei, Ägypten geschieht das ja auch in der Tat immer wieder. Einen Missbrauch und jede Willkür aus man natürlich vermeiden.
Ich bin allerdings auch der Meinung, dass in der Tat jede vertretbare Anstrengung unternommen werden sollte, um Inhalte, die wir als Gesellschaft nicht wollen, auch nicht angeboten werden können. Deshalb kann es in seltenen Ausnahmefällen durchaus sinnvoll sein, Inhalte und Angebote zu blockieren. Da fallen mir zwar nicht unbedingt als erstes urheberrechtliche Problemfälle ein, sondern Kinderpornografie, Hetze, IS-Propaganda, aber da wäre es mir lieber, wenn solche Inhalte sofort und konsequent aus dem Internet verschwinden. Das wäre keine ungebührliche Einschränkung der Meinungsfreiheit.