Präsident Macron hat Videospiele und Social Media Dienste verantwortlich gemacht für die Gewaltexzesse in Frankreich. Was steckt dahinter?
Paris, Marseille, Lyon: In Frankreich herrschen schreckliche Unruhen, seitdem ein Polizist einen 17-Jährigen niedergeschossen hat. Die Gewalt entlädt sich in vielen Kommunen, nicht nur am Ort des Geschehens – und wie man den Eindruck hat, immer öfter auch unabhängig vom eigentlichen Ereignis.
Die Gewalt, die gegen öffentliche Gebäude, aber auch gegen Beamte oder Bürgermeister und ihre Familien praktiziert wird ist derart groß, dass Präsident Macron jetzt sogar ein Abschalten der Social Media Dienste ins Gespräch gebracht hat. Welche Rolle spielen Social Media Dienste bei den Unruhen in Frankreich tatsächlich?
Computerspiele: Sie stacheln angeblich zur Gewalt an
Präsident Macron hat in seinen Reden nach den mehrtägigen Krawallen explizit auch Computer- und Videospiele für die Gewaltexzesse verantwortlich.
Der französische Präsident meint, Videospiele verrohen die jungen Menschen. Sie könnten Realität und Spiel nicht mehr unterscheiden und würden auf der Straße ausleben, was sie in Games gelernt hätten. Gemeint sind damit Gewaltexzesse, wie sie in Computer- und Videospielen zweifellos vorkommen – und von vielen gerne auch gespielt werden.
Solche und ähnliche Vorwürfe werden auch immer wieder nach Gewaltexzessen oder Amokläufen an Schulen erhoben. Oft spielen solche Täter in der Tat Videospiele, manchmal sogar exzessiv. Und unbestreitbar spielt Gewalt und ein besonderes hohes Maß an Rücksichtslosigkeit statt.
Doch es gibt keine eindeutige Studienlage, die belegen würde, das Computer- und Videospiele Verursacher solcher Gewalttaten sind. Sie dämmen das Risiko sicherlich nicht ein – aber sie allein verantwortlich zu machen für Gewaltexzesse ist schon etwas absurd. Es entlädt sich nun mal enorm viel Frust, der irgendwo herkommt. Das kann keinesfalls eine Rechtfertigung sein. Aber es auf Games allein zu schieben ist zu einfach.
Welche Rolle spielen Social Media Dienste
Auch Social Media Dienste bekommen von Macron einen großen Teil der Verantwortung zugeschrieben. Aber welche Rolle können Soziale Netzwerke in solchen Situationen spielen?
Da gibt es verschiedene Aspekte. Es ist wohl unzweifelhaft so, dass Soziale Netzwerke dabei „helfen“, dass Proteste, Krawalle und auch gesetzwidrige Aktionen geplant und besprochen werden. Auf Facebook, Instagram, TikTok und Co. werden Fotos und Videos gezeigt, etwa vom ursprünglichen Geschehen oder angeblicher Polizeigewalt.
Es entspinnt sich eine Diskussion, es entsteht Aufregung – und dann wird zur Tat aufgerufen und nicht selten zur Tat geschritten. Soziale Netzwerke eignen sich dafür besonders gut: Aufregerthemen werden von den Algorithmen bevorzugt. Jeder hat Zugriff auf die Dienste.
Es ist kostenlos. Der ideale Nährboden für Aufregung, auch Hass und Hetze – gegen Polizei, gegen Politik, gegen vermeintlich Verantwortliche. Was tatsächlich passiert ist in Nanterre weiß niemand – und es interessiert auch nicht. Im Zweifel gießen auch vermeintlich rechte Gruppen oder Trollfabriken aus Russland noch Öl ins Feuer und heizen den Streit an.
Abschalten der Sozialen Netzwerke
Präsident Macron erwägt sogar öffentlich ein Abschalten der Sozialen Netzwerke, wenn die nicht kooperieren.
Macron stört sich daran, dass die Netzwerke nicht effektiv genug gegen Fotos und Videos und Gewaltaufrufe vorgehen. Das alte Problem: Es ist unmöglich, so schnell zu reagieren und alles zu blocken, was möglicherweise problematisch sein könnte. Hinzu kommt: In Diensten wie WhatsApp oder Telegram lässt sich nichts blocken.
WhatsApp ist im übrigen kein soziales Netzwerk. WhatsApp ist ein Messenger-Dienst, mit dem man direkt untereinander Nachrichten austauscht. Man kann zwar auch Gruppen anlegen, aber alles, was man kommuniziert, ist nicht öffentlich. Bei Telegram ist das anders, da gibt es auch Kanäle, die jeder abonnieren kann – ohne dass man sich untereinander kennen müsste.
Ultima Ratio wäre ein Abschalten der Dienste. Dann wären zumindest direkte Absprachen, wo Randale gemacht werden soll, erschwert. Aber das wird auch in Ländern wie Iran oder Türkei so gemacht – und funktioniert nicht besonders gut.
Mangelnder Jugendschutz in Social Media Diensten
Macron macht aber zweifellos einen Punkt: Die jungen Menschen „informieren“ sich vor allem in den sozialen Medien, also auf Instagram, Tiktok und Co. Besonders ausgewogen ist die Berichterstattung da nicht gerade.
Natürlich: TikTok ist nicht die Tagesschau. Am Ende bekommen die User das zu sehen, was sie sehen wollen – und am meisten aufregt. Das alte Problem der Erregungsökonomie. Hinzu kommt: Jugendliche sind besonders gefährdet.
Laut einer aktuellen Studie von jugendschutz.net, über die diese Woche berichtet wurde, verschlimmert sich die Situation im Netz. Die Experten registrieren täglich, dass sich im Internet demokratiefeindliche Verschwörungserzählungen verbreiten. Die „Gefährdung von Kindern im Netz nimmt zu„.
Es wurden 7400 Verstöße gegen den Jugendschutz festgestellt. Viele der Inhalte tragen auch nicht gerade zur Befriedung bei, da sie hetzerisch sind, unzulässig zuspitzen und nicht einordnen. Keine Frage: Es muss mehr für den Jugendschutz in den Sozialen Netzwerken getan werden.