Hass im Netz: Künftig könnten Kontosperren drohen

von | 13.04.2023 | Digital, Internet

Bundesjustizminister Buschmann hat ein Papier vorgelegt, das deutliche Verschärfungen für Sünder im Netz vorsieht: Wer andere beleidigt oder bedroht, dem drohen sogar Account-Sperren.

Facebook, Instagram, Twitter, TikTok, Youtube, Telegram: Wir kennen die Namen der großen Netzwerke und Plattformen. Und wir wissen auch alle längst, dass es auf den Plattformen immer wieder nicht nur zu Hetze, sondern auch zu Bedrohungen, Pöbeleien und Beleidigungen kommt. Bislang ist es schwer, als Betroffener etwas gegen solche Übeltäter zu unternehmen.

Nur gegen Hass im Netz gibt es ein Gesetz, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Doch jetzt will das Justizministerium nachziehen – und plant in einem Eckpunktepapier neue Regeln, die es Opfern erlaubt, sich schneller und effektiver gegen Hass, Verleumdungen und Beleidigungen im Netz durchzusetzen. Das Eckpunktepapier wird eifrig diskutiert.

Wer beleidigt oder bedroht wird, hat künftig womöglich mehr Rechte

Wer beleidigt oder bedroht wird, hat künftig womöglich mehr Rechte

Eckpunktepapier: 10 Seiten mit vielen Plänen

Das Justizministerium möchte die Rechte von Menschen stärken, die im Netz Anfeindungen, Gewalt und Gewaltandrohungen ertragen müssen, sei es in Sozialen Netzwerken und damit öffentlich oder auf Messenger-Diensten. Das Eckpunktepapier umfasst zehn Seiten und soll ggf. in ein Gesetz gegossen werden.

Auf den Punkt gebracht: Opfer sollen es künftig deutlich leichter haben, sich zu wehren. Allerdings immer über Gerichte. Netzbetreiber, Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste wären dann verpflichtet, auf Anordnung eines Gerichts die IP-Adressen eines Kontos herauszugeben, und das zeitnah, über das gedroht oder belästigt wurde.

So etwas dauert heutzutage ewig – oder klappt meist nicht mal, weil keine IP-Adressen vorliegen. Wichtigste Verschärfung ist aber, dass der Gesetzgeber sogar eine Kontosperrung anordnen können soll – bei Wiederholungstätern. Um ihnen die Chance zu nehmen, weiter zu agieren. Das sollen aber nicht etwa Facebook, Twitter und Co. entscheiden – wie bislang –, sondern eben auf richterliche Anordnung geschehen. Das haben einige Verbände schon lange gefordert.

Quick Freeze: Alternative zur Vorratsdatenspeicherung?

Miniversion von Quick-Freeze

Oft liegen gar keine persönlichen Daten und IP-Adressen vor, die eine Identifizierung ermöglichen würden. Was würde sich also ändern?

Das ist ein interessanter Punkt: Das Papier sieht Regelungen vor, die sich als Quick-Freeze-Verfahren deuten lassen. Das bedeutet: Online-Anbieter sollen bei konkreten Verdachtsfällen vorsorglich personenbezogene Daten speichern – falls diese Daten später zur Verfolgung von Delikten benötigt werden.

Anordnen könnten das dem Papier zufolge Landgerichte. Da wir keine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und Europa haben, wäre das quasi eine datenschutzkonforme Lösung: Nur im konkreten Verdachtsfall werden einige Verkehrsdaten dauerhaft gespeichert, damit sie nicht wieder verloren gehen. Das wird in der Branche „Quick Freeze“ genannt, schnelles Einfrieren.

Betroffene haben mehr Möglichkeiten

Betroffene von mutmaßlichen Straftaten wie Beleidigung, Verleumdung oder Bedrohung sollen von den jeweiligen Landgerichten Unterstützung bekommen.

Betroffene müssten sich hierfür zuerst einen Anwalt nehmen und könnten sich dann mit dessen Hilfe direkt an das Landgericht wenden. Die ordnen dann ggf. an, dass Provider und/oder Betreiber die nötigen Daten speichern (also nicht wie sonst löschen) und herausgeben.

Die Reaktionen fallen naturgemäß sehr unterschiedlich aus. Die Gesellschaft für Freiheitsrechts und die Initiative HateAid, die vielen Betroffenen hilft, die im Netz in einem unerträglichen Maße bedroht, beleidigt oder gedemütigt werden, begrüßen die Entwicklung.

HateAid begrüßt die Pläne

Vor allem HateAid weist aber darauf hin, dass es problematisch ist, dass Gerichte erste aktiv werden können, wenn eine Täterin oder ein Täter mehrfach über einen Account aktiv gewesen sein muss – das zieht Leid mitunter in die Länge. Außerdem würde die neue Regelung wie derzeit geplant erst dann greifen, wenn über ein Profil mehrfach dieselbe Person attackiert werde.

Accounts, die ihren Hass auf verschiedene Opfer verteilen oder Volksverhetzung betreiben, wären davon nicht betroffen. Das sind nach meiner Ansicht beides sehr zutreffende Argumente. Wenn jemand weiß, dass seinem Account nichts passiert, wenn er eine Person nur einmal hart angeht, belässt es dann dabei und zieht weiter. Da könnte sicher noch nachjustiert werden: Straftat ist Straftat – wieso warten, bis jemand zum Wiederholungstäter wird?

Hate facebook. Vector illustration

Begrüßenswerte Entwicklung

Ich finde es begrüßenswert, dass sich in diesem Bereich endlich was tut. Denn es ist ein unhaltbarer Zustand, dass viele Menschen meinen, sie könnten im Netz so ziemlich alles ungestraft tun. Wir alle wissen, wie häufig Bedrohungen, Beleidigungen und Herabwürdigungen vorkommen. Was im normalen Alltag strafrechtlich relevant ist, sollte auch im Netz relevant sein.

Es wird jetzt Diskussionen geben, ob es gut ist, dass auch Messenger unter diese Anforderungen gestellt werden. Ich denke, schon – denn auch darüber lässt sich schließlich bedrohen und beleidigen. Eine Account-Sperre kann im Einzelfall ärgerlich sein, andere kümmert es nicht, dann machen sie halt ein neues Konto auf.

Das Gesetz ist also nur dann effektiv, wenn gleichzeitig auch strafrechtliche Konsequenzen erfolgen. Insgesamt scheint mir das in eine richtige Richtung zu gehen. Feinjustierung noch nötig. Man muss eben auch mal Erfahrungen sammeln und nicht schon vorher alles besser wissen.

 

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