Hass und Hetze: Antisemitismus im Netz

von | 19.10.2023 | Social Networks

Antisemitische Posts und Videos nehmen schon seit Jahren erkennbar zu. Aktuell explodieren sie aber geradezu. Die Plattformen kommen kaum hinterher.

„Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz!“, sagt der Kanzler. Aber es findet trotzdem statt, nicht nur, aber auch und besonders im Netz.

Auf Twitter, Facebook, Youtube und Co. Die Frage ist natürlich: Wie gehen die Netzwerke damit um. Wie schnell reagieren sie, wie effektiv kümmern sie sich um antisemitische Beiträge?

Antisemitismus nimmt erschreckende Ausmaße an

Wenn der Kanzler sagt: Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz – hat er wirklich keinen Platz in den sogenannten „Sozialen Netzwerken“?

Wenn der Kanzler das ernst meint, dann benutzt er keine sozialen Netzwerke. Ich bin viel durch die verschiedenen Plattformen und Kanäle gestöbert, und in der Tat sind die seit den barbarischen, terroristischen Attacken der Hamas auf unschuldige Menschen voll mit hetzerischen Beiträgen.

Die Zahl der Postings, die diese Attacken nicht nur dulden, sondern sogar lautstark feiern und rechtfertigen, ist erschütternd hoch. Ein Beispiel für einen antisemitischen Inhalt, der in den letzten zwei Wochen auf Facebook verbreitet wurde, ist ein Video, in dem ein Mann mit einem Davidstern auf der Brust als „Parasit“ bezeichnet wird.

Es gibt aber auch niederschwelligen Antisemitismus. Ich habe Vorträge einer offensichtlich palästinensischen Mutter gesehen, die alle Eltern auffordert, ihre Kinder anzuweisen, bei einer Schweigeminute in der Schule nicht mitzumachen und ihnen Tipps gegeben, wie sie Lehrer und Schulen unter Druck setzen können.

Gegen die „Zionisten“, wie sie das nennt. Bei diesem konkreten Video gab es erfreulich viel Protest, also Gegenrede. Aber es wurde nicht entfernt. Null Empathie mit den entführten und getöteten Menschen.

Hate Speech: Schwierig in den Griff zu bekommen

Fallzahlen steigen

„Derzeit“ – also gibt es das nur im Augenblick, oder ist es ein allgegenwärtiges Problem.

Antisemitismus ist ein allgegenwärtiges Problem in den Netzwerken. In einer Studie der „Amadeu Antonio Stiftung“ aus dem Jahr 2022 wurden 100 Millionen Posts auf Facebook, Twitter, Instagram und TikTok untersucht.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass 0,12% der Posts antisemitische Inhalte enthielten. Dies entspricht etwa 120.000 Posts pro Monat. Das Bundesinnenministerium hat im Jahr 2022 festgestellt, dass die Anzahl antisemitischer Beiträge in sozialen Medien in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Jetzt gehen die Fälle aber regelrecht durch die Decke.

Die Inhalte reichen von Beleidigungen und Drohungen bis hin zu Holocaust-Verharmlosung und Aufrufen zu Gewalt gegen Juden. Auch werden die Maßnahmen Israels, die auf die Angriffe gefolgt sind, mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine verglichen. Es gerät alles durcheinander.

Plattformen müssen besser werden

Aber was unternehmen die Plattformen denn gegen diese Flut an Hass und Hetze?

Twitter alias X fällt dadurch auf, träge oder gar nicht zu reagieren. Kein Wunder: 80% der Belegschaft sind gekündigt wurden – und können nicht mehr in die Inhalte eingreifen. Auch gibt es nicht mehr genug Personal, um Algorithmen oder KI nachzuschärfen. Bei Facebook versucht man wenigstens, der Situation Herr zu werden.

Am 17. Oktober 2023 hat das Unternehmen Meta mitgeteilt, dass in den letzten zwei Wochen mehr als 100.000 Postings gelöscht wurden, die gegen die Richtlinien für Hassrede verstoßen haben. Die gelöschten Inhalte umfassten Beleidigungen, Drohungen und Aufrufe zu Gewalt gegen Juden. Auch auf Instagram wurden die Bemühungen verstärkt.

Völlig anders auf Telegram: Hier gibt es bekanntlich gar keine Moderation. Man kann nur ahnen, was dort alles los ist. Hier können sich Hetzer – egal aus welchem Lager – ungehemmt austoben. Und sie machen es auch. Über Telegram wurden wohl auch spontane Pro-Palästina-Demonstrationen organisiert, von denen viele gewaltsam endeten.

EU verlangt mehr Engagement

Selbst die EU hat sich am 13. Oktober zu diesem Thema geäußert und die Zunahme antisemitischer Inhalte verurteilt.

In der Erklärung ruft die EU die Plattformbetreiber dazu auf, ihre Maßnahmen gegen Hassrede zu verstärken und dafür zu sorgen, dass die Plattformen für alle Nutzer sicher sind. In einer weiteren Erklärung vom 17. Oktober 2023 bekräftigte die EU erneut ihre Forderung nach einem stärkeren Vorgehen gegen Hassrede.

Die Erklärung rief die Plattformbetreiber dazu auf, ihre Algorithmen zu überarbeiten, um antisemitische Inhalte besser zu erkennen und zu entfernen. Es gab sogar ein Treffen. Hassrede und Diskriminierung dürften niemals toleriert werden, sagt die EU. Das ist faktisch aber so. Die Fälle nehmen zu, insbesondere Antisemitismus.

Allerdings gibt es auch verstärkt Hasspostings gegen Asylanten. Wir Verbraucher dürfen niemals erwarten, dass Algorithmen und KI zu 100% funktionieren. Wenn uns etwas auffällt: Nicht unmittelbar auf das Posting reagieren. Das freut die Algorithmen nur. Sondern die Beiträge melden – die Plattformenbetreiber müssen dann aktiv werden.

 

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