Mittlerweile hat sich herumgesprochen: Der Meta-Konzern hat nicht wirklich vor, Facebook und Instagram in Europa abzuschalten. Aber wie ist es zu diesem Gerücht gekommen – und wieso sind es trotzdem gute Nachrichten? Ein Erklärungsversuch…
Der Facebook-Konzern, der ja mittlerweile offiziell Meta heißt, ist einer der am besten verdienenden Unternehmen weltweit.
Da ist es schon komisch, dass so ein Unternehmen angeblich sagt: Wir ziehen uns aus Europa zurück. Genau das kann man aber aktuell überall lesen: Facebook und Instagram werden womöglich abgeschaltet in Europa, heißt es. In Wahrheit versucht Facebook, Druck auszuüben.
Offizieller Bericht an die Börsenaufsicht SEC
Aber wo sollten nur all die Selfies hin, wenn es kein Facebook oder Instagram mehr gibt? Was machen all die Influencer in Dubai ohne Instagram – müssen sie dann plötzlich richtig arbeiten? Es sind solche und ähnliche Fragen, die man im Netz zu lesen bekommen hat. Denn nicht nur „Bild“ fragt sich: „Schaltet Zuckerberg uns bald Facebook und Instagram ab?“
Der ernste Hintergrund für die Headline ist schnell erklärt: Der Mutterkonzen von Facebook, Instagram und Whatsapp – Meta – hat in seinem offiziellen Jahresbericht an die Börsenaufsicht SEC ein merkwürdiges Szenario reingeschrieben.
Dort steht – mehr oder weniger direkt: Sollte Europa weiterhin auf seinen strengen Datenschutz bestehen und Facebook künftig nicht durch entsprechende Gesetze und Regeln weiter erlauben, alle Nutzerdaten von Europa in die USA zu transferieren, dann machen wir – Facebook – den Laden in Europa halt einfach dicht.
Das ist eine Zusammenfassung in meinen Worten.
Aber daher kommt die ganze Aufregung im Netz. Droht wirklich eine Schließung von Facebook und Instagram?
Risiko: Immer weniger Daten aus Europa
Mark Zuckerberg befürchtet, künftig deutlich weniger Daten aus Europa zu bekommen. Denn ein Gericht hat ein Regelwerk gekippt, das die Weitergabe von Nutzerdaten aus Europa in die USA erlaubt hatte. Das „Privacy Shield“ Abkommen.
Dafür gesorgt hat er – Max Schrems, der bekannteste Datenschützer Europas. Er und sein Verein wollen verhindern, dass so viele Daten in die USA fließen.
Max Schrems sagt mir im Interview: „Der größte Teil der Datenübertragung in die USA ist aktuell wahrscheinlich schlichtweg illegal. Das Kernproblem ist, dass nach amerikanischen Recht diese Daten alle genutzt werden können für Spionage defacto oder für Aufklärung. Das heißt, wenn jemand ein Visum beantragt oder in die USA einreist, dann kann ich diese Daten auswerten nach amerikanischen Recht.“
Das Problem: Sind die Daten erst mal in den USA, lässt sich europäisches Datenschutzrecht nicht mehr wirklich durchsetzen. Eine Idee ist, die Daten auf Servern in Europa zu belassen. Oder auf komplett andere Geschäftsmodelle zu setzen.
Max Schrems schätzt: Eine Lösung wird 10 Jahre dauern
Max Schrems möchte eins auf keinen Fall: Dass es so weiter geht wie bislang. Aber wie schnell gibt’s eine zufriedenstellende Lösung?
Max Schrems sagt: „Ich glaube, wenn man sagt: auf zehn Jahre, ist es realistisch, dass das gelöst wird, weil die Wirtschaft ein Interesse daran hat. Ich glaube nicht, dass das gelöst wird, weil die Grunde so wichtig sind. Sondern weil die Wirtschaft sagen wird: Das kostet uns viel Geld und das ist kompliziert. Und wenn man erst mal die Wirtschaft auf seiner Seite hat, dann gehen auch die Grundrechte ein bisschen besser…“
Eins scheint klar: So weitermachen wie bisher wird Facebook wohl nicht können. Die Regeln werden verschärft. Europa hat damit angefangen. Aber auch in den USA denkt die Politik durchaus über strengere Vorschriften nach. Denn der unstillbare Datenhunger und der ständige Missbrauch der vorhandenen Daten stößt längst nicht mehr nur Aktivisten auf.
Was der Bericht an die SEC bedeutet
Ich persönlich würde es keine Drohung nennen, was da im Bericht für die Börsenaufsicht steht. Sondern eine realistische Risikoeinschätzung.
Denn die EU plant durchaus mehr Regulierung für die großen Konzerne, etwa mit dem Digital Services Act.,
Das Risiko aus Sicht von Facebook ist klar: Mehr Datenschutz und mehr Privatsphäre bedeutet definitiv weniger Umsatzmöglichkeiten und Verdienst für den erfolgsverwöhnten Konzern.
Einen ganzen Kontinent ausknipsen, das wird Facebook ganz sicher nicht tun.
Das hat der Konzern auch der Presse gegenüber gesagt: Man wolle sich nicht wirklich aus Europa zurückziehen.
Politik kann also doch etwas bewirken
Aber die im Bericht genannten „Risiken“ aus Sicht von Facebook sollten eine Motivation für die Politik sein: Sie kann also offenkundig doch etwas ändern und durch Regeln in die Geschäftsmodelle eingreifen.
Interessanterweise schreiben sogar User auf Facebook oder Instagram, sie würden den Netzen keine Träne nachweinen, sollten sie tatsächlich abgeschaltet werden.
Vielleicht, weil sie genau wissen: Das wird nicht passieren. Und falls doch, tut sich ganz schnell eine andere Möglichkeit auf.