Große Änderung bei WhatsApp: Der Messenger öffnet sich für andere Chat-Apps. Das klingt erst mal gut – bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich. Was ihr über die neue Interoperabilität wissen solltet.
EU macht Druck – und Meta lenkt ein
Lange hat sich WhatsApp gegen eine Öffnung gewehrt. Doch der Digital Markets Act der EU lässt dem Meta-Konzern keine Wahl mehr. Seit 2024 müssen große Plattformen wie WhatsApp anderen Messenger-Diensten den Zugang ermöglichen. Jetzt bestätigt WhatsApp offiziell: In den kommenden Monaten werden zertifizierte Dritt-Messenger-Apps angebunden.
Die Idee dahinter: Nutzer verschiedener Messenger-Dienste sollen miteinander kommunizieren können, ohne dass jeder alle Apps installieren muss. Klingt praktisch – ist in der Umsetzung aber komplizierter, als man denkt.
So funktioniert die neue Messenger-Welt
WhatsApp plant zunächst die Integration von zwei Diensten: Birdy Chat und Haiket, ein sprachzentrierter Messenger. Wenn die ersten Drittanbieter anbinden, habt ihr die Wahl: Entweder landen Nachrichten von anderen Apps in einem separaten Ordner, oder alles läuft in einer gemeinsamen Inbox zusammen.
Das bedeutet: Ihr chattet weiterhin in WhatsApp, könnt aber auch mit Leuten schreiben, die einen ganz anderen Messenger nutzen. Die Grenzen zwischen den Diensten verschwimmen – zumindest oberflächlich betrachtet.
Der Haken: Jeder Anbieter hat eigene Regeln
Hier wird’s kompliziert. Jede Drittanbieter-App bringt ihre eigenen Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien mit. WhatsApp kann euch zwar seine Spielregeln auferlegen, aber sobald ihr mit jemandem auf einer anderen Plattform chattet, gelten deren Bedingungen.
Das schafft einen Flickenteppich an Datenschutzregelungen. Bei einem Dienst liegen eure Daten vielleicht auf Servern in der EU, bei einem anderen irgendwo in Asien. Der eine Anbieter wertet euer Nutzungsverhalten aus, der nächste nicht. Und WhatsApp selbst betont, dass man durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung keinen Einblick in die versendeten Daten hat.
Die Konsequenz: Wenn ihr aus WhatsApp heraus einen Kontakt auf einer anderen App anschreibt, akzeptiert ihr automatisch deren Datenschutzbestimmungen. Das kann man sich vorstellen wie einen digitalen Grenzübertritt – nur dass es keine Grenzkontrollen gibt und die Regeln jedes Mal andere sind.
Eure Telefonnummer wird sichtbar
Technisch unvermeidlich ist auch ein weiteres Detail: Sobald ihr eine Nachricht an einen Drittdienst sendet, erhält dieser eure Telefonnummer. Das ist notwendig, damit der Chat funktioniert – schafft aber auch ein Sicherheitsrisiko.
Jeder kompatible Messenger, der freigeschaltet ist und eure Nummer kennt, kann euch kontaktieren. Die Kontrolle darüber, wer eure Nummer hat, wird zunehmend schwieriger. WhatsApp mag noch so verschlüsselt sein – wenn ein Drittanbieter eure Nummer sammelt, wisst ihr nicht, was damit passiert.
Blockieren wird zum Mehrfach-Aufwand
Ein weiterer Punkt, der Kopfzerbrechen bereitet: Blockierungen gelten nicht automatisch über alle Dienste hinweg. Wenn ihr jemanden in WhatsApp blockiert, bleibt diese Person in den angebundenen Dritt-Apps trotzdem kontaktierbar. Jeder Dienst hat sein eigenes Blockier-System.
Wer sich also vor einem nervigen Kontakt oder einem Spam-Absender schützen will, muss die Block-Einstellungen in allen verbundenen Apps einzeln durchgehen. Das ist umständlich und nervig – vor allem, wenn man mehrere Drittdienste nutzt.
Mehr Spam und Betrugsversuche?
Mit der Öffnung wächst sehr wahrscheinlich auch das Spam- und Betrugsrisiko. Bisher hatten Kriminelle „nur“ WhatsApp als Ziel. Jetzt kommen weitere Angriffsflächen dazu. Wenn ein weniger sicherer Messenger angebunden wird, können dessen Schwachstellen auch WhatsApp-Nutzer treffen.
Phishing-Nachrichten, Betrugsmaschen oder unerwünschte Werbung könnten zunehmen. Die Frage ist: Wie konsequent prüft WhatsApp die Sicherheitsstandards der Partner-Apps? Und wer haftet, wenn über einen Drittdienst Schaden entsteht?
Meta warnt vor Datenschutz-Risiken – ausgerechnet
Pikant ist, dass ausgerechnet Meta vor den Datenschutz-Praktiken anderer Dienste warnt. Der Konzern, der selbst jahrelang für seine fragwürdige Datensammelwut kritisiert wurde, zeigt jetzt mit dem Finger auf andere. Das hat schon eine gewisse Ironie.
Natürlich kann man argumentieren, dass Meta durch die E2E-Verschlüsselung bei WhatsApp tatsächlich weniger Einblick in Nachrichten hat als früher. Dennoch bleibt ein Beigeschmack: Der Konzern nutzt die EU-Vorgabe geschickt, um sich selbst als Datenschutz-Vorreiter zu positionieren – während er die Verantwortung für Probleme elegant auf die Drittanbieter abwälzt.
Was bedeutet das für euch?
Die Öffnung von WhatsApp ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits bringt sie mehr Freiheit: Ihr seid nicht mehr darauf angewiesen, dass alle eure Kontakte denselben Messenger nutzen. Andererseits wird das digitale Leben komplizierter. Mehr Dienste bedeuten mehr Regeln, mehr Risiken und mehr Aufwand beim Schutz eurer Daten.
Mein Rat: Bleibt aufmerksam. Überlegt euch gut, ob ihr die Integration mit Drittdiensten wirklich braucht. Und wenn ihr sie nutzt, liest euch die Datenschutzrichtlinien der angebundenen Apps durch – ja, ich weiß, das macht niemand gerne, aber hier lohnt es sich wirklich.
Der Rollout startet in den kommenden Monaten. Zeit genug also, um sich auf die neue Messenger-Realität vorzubereiten. Eines ist sicher: Der Chat-Alltag wird bunter – und vermutlich auch ein bisschen chaotischer.